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carvedilol (dilatrend, querto) bei herzinsuffizienz: cave marketingstudie comet
 
CARVEDILOL (DILATREND, QUERTO) BEI HERZINSUFFIZIENZ: CAVE MARKETINGSTUDIE COMET*

Der lebensverlängernde Nutzen der Betablocker Carvedilol (DILATREND, QUERTO), Bisoprolol (CONCOR COR u.a.) und Metoprolol in Retard-Formulierung (BELOC ZOK u.a.) bei Herzinsuffizienz ist seit Ende der 90er Jahre bekannt (1-3). Eine Gruppeneigenschaft scheint diese Wirksamkeit nicht zu sein, denn der Betablocker Bucindolol bleibt ohne Nutzen (4). Einen direkten Vergleich des mortalitätssenkenden Nutzens verschiedener Betablocker gab es bisher nicht. In den drei großen, primär auf die Sterblichkeit angelegten Studien ist die relative Risikoreduktion mit 34% unter Bisoprolol und Metoprolol sowie 35% unter Carvedilol annähernd gleich (1-3).

In der jetzt publizierten, von den Carvedilol-Anbietern Roche und GlaxoSmithKline finanzierten COMET-Studie wird Carvedilol mit nicht retardiertem Metoprolol verglichen. Die Studie beginnt im Dezember 1996, sie endet im November 2002. Die teilnehmenden Patienten haben eine symptomatische Herzinsuffizienz überwiegend der NYHA-Klasse II und III (je knapp 50%). Bei gut der Hälfte liegt eine koronare Herzkrankheit zugrunde. 99% nehmen ein Diuretikum ein, 92% einen ACE-Hemmer. Carvedilol-Zieldosis ist 2 x 25 mg pro Tag, Metoprolol-Zieldosis 2 x 50 mg pro Tag. Die durchschnittliche Tagesdosis nach Abschluss der Titrationsphase beträgt 42 mg Carvedilol und 85 mg Metoprolol. Nach 4,8 Jahren sind unter Carvedilol 512 (34%) von 1.511 Patienten verstorben im Vergleich zu 600 (40%) von 1.518 unter Metoprolol. Der Unterschied ist signifikant (Number needed to treat (NNT) = 17). Die jährliche Mortalitätsrate beträgt 8,3% unter Carvedilol versus 10% unter Metoprolol. Ein Kombinationsendpunkt aus Gesamtmortalität und Häufigkeit der Krankenhauseinweisungen unterscheidet sich nicht signifikant (74% versus 76%) (5).

Mit täglich bis zu 100 mg nicht retardiertem Metoprolol erhält die Kontrollgruppe der COMET-Studie ein Betablockerregime, für das ein mortalitätssenkender Nutzen nicht belegt ist. In der einzigen 1993 veröffentlichten plazebokontrollierten Endpunktstudie mit nicht retardiertem Metoprolol bei Herzinsuffizienz werden klinische Verschlechterungen zwar vermindert, ein Einfluss auf die Sterblichkeit ergibt sich jedoch nicht (6). Ziel- und durchschnittliche Dosis sind in dieser Untersuchung mit täglich 100 mg bis 150 mg bzw. 108 mg aber höher als in COMET. Spätestens mit Publikation der MERIT-HF*-Studie im Juni 1999 (3) ergab sich für die Prüfärzte der begründete Verdacht, dass die Patienten der Kontrollgruppe mit Metoprolol unterversorgt sind: In der MERIT-HF-Studie wird mit ZOK**-Galenik retardiertes Metoprolol geprüft, Zieldosis ist 200 mg pro Tag, die durchschnittliche Tagesdosis beträgt 159 mg. Die Sterblichkeit von Patienten mit symptomatischer Herzinsuffizienz der NYHA-Klasse II-III sinkt darunter nach einem Jahr signifikant um 35% (von 11% unter Plazebo auf 7,2%) (3). In Kenntnis dieser Daten bestand die ethisch zwingende Notwendigkeit zum Handeln im Sinne des Schutzes der Patienten: Die COMET-Studie hätte unseres Erachtens wegen des begründeten Verdachts der Gefährdung von Patienten in der Kontrollgruppe abgebrochen werden müssen.

Ein für die klinische Praxis relevanter Erkenntnisgewinn lässt sich aus dem ethisch nicht vertretbaren und wissenschaftlich fragwürdigen Design der COMET-Studie nicht ableiten. Ob eines der in der Herzinsuffizienztherapie nachweislich wirksamen und etablierten Betablockerregime den anderen überlegen ist, bleibt nach wie vor zu prüfen. Derzeit gibt es dafür keine hinreichende Evidenz.

FAZIT: Beim Vergleich von Carvedilol (DILATREND, QUERTO) mit nicht retardiertem Metoprolol (BELOC u.a.) bei Patienten mit symptomatischer Herzinsuffizienz sind nach knapp fünf Jahren mehr Patienten unter Metoprolol (40%) als unter Carvedilol (34%) verstorben. Da Metoprolol jedoch zu niedrig dosiert wurde, lässt sich keine spezifische, d.h. dosisunabhängige, Überlegenheit von Carvedilol belegen. Es stellt sich die Frage, ob mit dieser Studie nicht die ethische Grenze für firmenfinanzierte klinische Forschung durchbrochen wurde, weil Patienten in der Kontrollgruppe durch Untertherapie gefährdet wurden.

1

CIBIS-II Investigators and Committees: Lancet 1999; 353: 9-13

2

MERIT-HF Study Group: Lancet 1999; 353: 2001-7

3

PACKER, M. et al.: N. Engl. J. Med. 2001; 344: 1651-8

4

The Beta-Blocker Evaluation of Survival Trial Investigators: N. Engl. J. Med. 2001; 344: 1659-67

5

POOLE-WILSON, P.A. et al.: Lancet 2003; 362: 7-13

6

WAAGSTEIN, F. et al.: Lancet 1993; 342: 1441-6

*

COMET = Carvedilol or Metoprolol Evaluation Trial
MERIT-HF = Metoprolol Randomised Intervention Trial in Heart Failure

**

ZOK = Kinetik 0. Ordnung, (Freisetzungs-)Kinetik mit langsamer, praktisch konstanter Geschwindigkeit (vgl. a-t 2002 ; 33 : 30).



© Redaktion arznei-telegramm
blitz-a-t 7. Juli 2003

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