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ACE-HEMMER UND LUNGENSCHÄDEN

Trockener Husten ist eine mit einer Häufigkeit von bis zu 15% - 33% angegebene Störwirkung von ACE-Hemmern (vgl. a-t 3 [1990], 34). Seltener (0,03% - 0,1%) tritt ein angioneurotisches Ödem auf (vgl. a-t 11 [1988], 101), jedoch verläuft jeder 5. bis 10. Zwischenfall lebensbedrohlich. Schwerwiegende Lungenveränderungen werden jetzt beschrieben: Ein Patient starb an den Folgen einer eosinophilen Pneumonie mit Fibrosierung des Lungengewebes nach Einnahme verschiedener ACE-Hemmer über 18 Monate in Kombination mit anderen Antihypertensiva. Histologisch zeigte sich eine chronische, eosinophile granulomatöse Pneumopathie ohne Vaskulitis.

Ein 68jähriger Patient mit Bluthochdruck erlitt zunächst unter kombinierter Behandlung des Bluthochdruckes mit Captopril (TENSOBON u.a.) nach einigen Wochen Husten, Fieber und Atemnot ohne Hinweis auf Infektion oder Aspiration. Nach Absetzen der Begleitmedikation verschlechterte sich die Lungenfunktion unter ausschließlicher Captopril-Behandlung deutlich. Eine ausgeprägte Alveolitis mit hohem Anteil von T-Lymphozyten nach Bronchiallavage wurde diagnostiziert. Nach Wechsel von Captopril auf Nifedipin (ADALAT u.a.) und ein Diuretikum besserte sich der klinische und röntgenologische Befund des Patienten innerhalb einer Woche. Die Lungenfunktion war nach einem Jahr normal.

Ein 77jähriger Patient mit länger dauernder Captopril-Einnahme und Husten hatte fibrotische Veränderungen des Lungengewebes und interstitielle eosinophile Infiltrate. Immunchemische Untersuchungen weisen auf eine Immunkomplex-vermittelte Reaktion hin. Der Zustand des Patienten besserte sich unter Glukokortikoidbehandlung rasch.

Für unser NETZWERK DER GEGENSEITIGEN INFORMATION erhielten wir 92 Berichte über Störungen der Atmungsorgane durch ACE-Hemmer, davon beschreiben 64 Berichte Husten und die restlichen Dyspnoe, Larynx-Ödem, Asthma, Bronchitis, Pneumonie u.a. Ein 54jähriger Hochdruckpatient litt während 10monatiger Captopril (TENSOBON)-Einnahme ständig an bronchitischen Beschwerden, die sich nach Absetzen zurückbildeten (NETZWERK-Fall 1859). Ein Arzt für Lungen- und Bronchialheilkunde aus Kassel berichtet über mindestens 10 Patienten mit therapieresistentem Husten unter ACE-Hemmern, von denen einige ein hyperreaktives Bronchialsystem entwikkelten (NETZWERK-Fall 2914). Bei einem 65jährigen Patienten verstärkte sich eine vorbestehende bronchiale Obstruktion unter Enalapril (XANEF; NETZWERK-Fall 3039). Die Symptome besserten sich nach Absetzen. Ein anderer Arzt für Lungen- und Bronchialheilkunde aus München beobachtete bei zwei Männern und einer Frau mit Husten unter ACE-Hemmern eine leichtgradige obstruktive Komponente (NETZWERK-Fälle 4127-4129). Ein 53jähriger Mann entwickelte eine Woche nach Einnahme von Lisinopril (CORIC) eine Bronchitis mit mehrfachen tagsüber und nachts auftretenden Hustenanfällen, die nach einer Woche verschwanden (NETZWERK-Bericht 4207). Eine Bronchitis mit Rhinorrhoe und Reizhusten bei einem 56jährigen Mann unter Enalapril (XANEF)-Behandlung dauerte drei Monate an (NETZWERK-Fall 5167).

ACE-Hemmer können immunogen wirken und Fieber oder "grippeähnliche" Syndrome, auch mit Organmanifestationen an den Gelenken, den Nieren oder dem Knochenmark auslösen. T-Lymphozyten können anscheinend so stark stimuliert werden, daß das Bild einer lymphoproliferativen Erkrankung wie Mycosis fungoides vorgetäuscht wird (vgl. a-t 1 [1990], 8). Die Auslösung einer eosinophilen granulomatösen oder fibrosierenden Pneumonitis wäre somit durchaus plausibel. Eine pathophysiologische Verbindung solcher seltenen fibrotischen Lungenerkrankungen mit dem häufigen Husten und Bronchitiden ist jedoch vorerst mit Vorsicht zu diskutieren, da die letztgenannten Symptome auch als durch den Wirkungsmechanismus bedingte Effekte auf den Bradykininstoffwechsel interpretiert werden können.

Auch andere Hochdrucktherapeutika lösen eosinophile granulomatöse Pneumonitiden aus. Im Bremer Erfassungssystem ist der Verlauf eines 55jährigen Patienten dokumentiert, der im Frühjahr 1990 wegen Bluthochdrucks und Herzrhythmusstörungen auf den Betablocker Sotalol (SOTALEX) eingestellt wurde. Im Herbst 1990 erkrankte er an Lungenentzündung, die zunächst antibiotisch durch den Hausarzt, dann wegen der Schwere und Chronizität der Symptomatik in einer klinischen Fachabteilung behandelt wurde. Es fand sich eine lymphozytär-eosinophile Pneumonie, die sich unter Antibiotika und Steroiden zunächst besserte. Im Winter 1990 trat ein schwerer Rückfall ein. In der Bronchiallavage fanden sich erneut auffällig eosinophile Granulozyten, die jetzt den Verdacht einer Immunerkrankung nahelegten. Der Lymphozyten-Transformationstest ergab eine Stimulation durch Sotalol. Absetzen führte zur klinischen und röntgenologischen Abheilung. Auch im NETZWERK findet sich ein Bericht über eine histologisch gesicherte fibrosierende Alveolitis (Nr. 3641) unter Sotalol.

FAZIT: Trockener Reizhusten und Dyspnoe sind überaus häufige Begleiterscheinungen der Hochdruckbehandlung mit ACE-Hemmern und erfordern mitunter das Absetzen der Behandlung. Jetzt werden eosinophil-granulomatöse und fibrotische Pneumonitiden beschrieben. Ein pathophysiologischer Zusammenhang zwischen Reizhusten und den stets schwerwiegenden granulomatösen und/oder fibrosierenden Lungenprozessen ist noch nicht gesichert. Beim Reizhusten handelt es sich anscheinend um eine nicht immunogene Wirkung der ACE-Hemmer auf den Bradykininstoffwechsel, während die Pneumonitiden schwerwiegende immunogene Störwirkungen der Substanzen sind. Die Befunde bedürfen weiterer Abklärung. Deshalb bitten wir für das NETZWERK um Berichte zu Lungenfunktionseinschränkungen, Bronchitiden, Pneumonien, Pneumonitiden oder Lungenfibrosen in Verbindung mit ACE-Hemmern.

BGA-Arzneimittelschnellinf.: Pharm. Ztg. 137 (1992), 1515 /ati d


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