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Im Blickpunkt

SPONSORING UND FORSCHUNGSFÖRDERUNG:
MEIST NUR MARKETING

Ein angeklagter ehemaliger Verkaufsleiter von Medtronic äußert heute "Unrechtsempfinden", weil Ärzten, die überteuerte Herzklappen implantiert haben, finanzielle Vorteile gewährt wurde. Allerdings seien "die Mittel zumeist für wichtige Forschungen zu Gunsten der Patienten eingesetzt" worden.1 Während die Staatsanwaltschaft in etwa 1.700 Verfahren im bundesweiten Herzklappenskandal ermittelt, werden Kungelgeschäfte in anderen Bereichen immer noch als normal erachtet.

So sieht sich ein Ordinarius für Gynäkologie veranlasst, beim ärztlichen Direktor des Universitätsklinikums "schärfstens zu opponieren", da durch den preisbewussten Einkauf der Klinikapotheke die "gemeinsame wissenschaftliche Tätigkeit mit einer Großfirma" unterbunden werde. Auch hier wird der Einkauf überteuerter Waren durch Bestechung ("Zuwendungen") der Verordner abgesichert. Die Firma - in diesem Fall Bristol - liefert Arzneimittel zumindest zum Teil teurer als die Konkurrenz. Dafür sponsert der Konzern mal ein Symposium, mal ein Forschungsstipendium einschliesslich medizinisch technischer Assistentin. Da wird eine wirtschaftlich einkaufende Apotheke, in der solche Absprachen nicht bekannt sind, zum Störfaktor.

Der Regionalvertreter von Bristol folgert: "Die (für die Sponsoring-Zusage) notwendigen Voraussetzungen sind momentan nicht gegeben." Der Ordinarius versucht daraufhin beim ärztlichen Direktor zu intervenieren, "... zumal die Firma Bristol andeutet, dass bei erneuter Aufnahme der Geschäftsbeziehungen ... die alten Versprechungen eingehalten werden".

Den Herstellern geht es nicht um wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn, sondern um den Verkauf. Letztlich zahlen die Versicherten den überhöhten Preis, einschließlich der Forschungsalmosen für Meinungsbildner. Das Argument, solche Drittmittel oder für Studien kostenlos zur Verfügung gestellte Arzneimittel seien ein Gewinn für die Versicherten, wird zur Farce, wenn damit der Einkauf überteuerter Produkte verbunden ist. Erfreulich deutlich - wenn auch realitätsfern - fällt der Kurzkommentar des Dekans der Medizinischen Fakultät aus: "Ein Zusammenhang zwischen Sponsormaßnahmen von Arzneimittelfirmen und dem Medikamentenbezug des Klinikums ist ausgeschlossen."

Auch für Fortbildungsmaßnahmen scheinen Finanzspritzen von Firmen selbstverständlich zu sein. Der Berufsverband Deutscher Internisten verbindet die Einladung eines Referenten zu einem Seminarkongress auf Mallorca mit der Bitte, eine oder zwei Firmen zu nennen. Es solle "um ein Reisesponsorship von ca. 1.500 DM" angefragt werden, um die Teilnehmergebühren "attraktiv niedrig halten zu können". Der eingeladene Referent, renommierter Autor pharmakologischer Werke, bittet daraufhin, das Geld "nicht direkt für meinen oder gar in meinem Namen bei der pharmazeutischen Industrie" einzuwerben - und erhält prompt eine Ausladung. Man darf gewiss sein: Auf so finanzierten Veranstaltungen referieren nur Meinungsbildner mit guten Verbindungen zu Pharmaherstellern. Das Auswahlprinzip gewährleistet die Selektion industriefreundlicher und damit unkritischer Aussagen. Dem Veranstalter ist es offenbar wichtiger, den Kongress auf einer Urlaubsinsel auszurichten, als aufwandsparend und ohne "Reisesponsorship" in heimischen Kongresszentren.

FAZIT: Forschung und Fortbildung werden in erschreckendem Umfang von Pharmaherstellern über "Sponsoring" gesteuert, Qualität und Aussagen werden Marketingzielen untergeordnet. Daraus entstehende Abhängigkeiten und verdeckte Einflussnahmen lassen sich verhindern, wenn bei allen Publikationen, Veranstaltungen oder Beratungsfunktionen der Interessenkonflikt öffentlich gemacht wird und grundsätzlich finanzierende Firmen, Stiftungen oder öffentliche Institutionen angegeben werden.

1  Die Welt vom 15. Dez. 1998


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