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Im Blickpunkt

PERINDOPRIL (COVERSUM) NACH SCHLAGANFALL OHNE NUTZEN

Die Einnahme von Diuretika und Betablockern bei Bluthochdruck senkt das Schlaganfallrisiko (a-t 1998; Nr. 6: 54-8). Eine vollständig publizierte Studie zum Nutzen der antihypertensiven Therapie in der Sekundärprävention des Schlaganfalles gab es bisher nicht. Nach einer Metaanalyse von Hochdruckstudien profitieren jedoch auch Hypertoniepatienten, die bereits einen Schlaganfall durchgemacht haben, von der Therapie.1 In internationalen Leitlinien wird für diese Patienten die Hochdruckbehandlung empfohlen. Ob also das "Nichtwissen" groß genug war, eine plazebokontrollierte Studie wie die jetzt vorgelegte PROGRESS*-Studie2 zu rechtfertigen, ist fraglich. Wenn überhaupt, hätte ein Mittel geprüft werden müssen, dessen Nutzen in der Primärprävention gut belegt ist, also z.B. ein Thiaziddiuretikum und nicht ein ACE-Hemmer. Schon Monate vor der vollständigen Veröffentlichung der Arbeit preist Servier, der Hersteller des Prüfpräparates Perindopril (COVERSUM), diese als "Meilensteinstudie zur Therapie des Schlaganfalls", verleiht Perindopril das Signum "besondere Gefäßwirkung" und deutet eine mögliche Indikationsausweitung für den ACE-Hemmer an.3

Mehr als 6.000 Patienten mit Schlaganfall oder TIA, die mindestens zwei Wochen und höchstens fünf Jahre zurückliegen, nehmen knapp vier Jahre lang täglich 4 mg Perindopril, eine Kombination des ACE-Hemmers mit dem Chlortalidon-ähnlichen Diuretikum Indapamid (NATRILIX u.a.; einmal tgl. 2 bis 2,5 mg) oder Plazebo bzw. Doppelplazebo ein.2 Laut Protokoll sollen "hypertensive" und "nicht hypertensive" Patienten teilnehmen. Nach Studiendefinition gelten jedoch nur diejenigen als "hypertensiv", bei denen Blutdruckwerte über 160/90 mmHg gemessen werden, unabhängig davon, ob sie behandelt werden oder nicht. Demgemäß gehören zu den "nicht hypertensiven" Patienten auch solche mit gut oder sogar schlecht eingestelltem Blutdruck nach WHO-Definition. Ob und wie viele Patienten ohne Bluthochdruck im Sinne der WHO-Definition (Blutdruck über 138/88 mmHg) aufgenommen sind, lässt sich aus den Daten nicht erkennen.

Bei gemeinsamer Auswertung der Verumgruppen verringert sich die Schlaganfallhäufigkeit von 14% unter Plazebo auf 10% (relative Risikoreduktion [RRR] 28%). Auch nicht tödliche Schlaganfälle, Herzinfarkte und die kardiovaskuläre Sterblichkeit nehmen insgesamt deutlich ab (RRR 26%). Die vorab festgelegte Subgruppenanalyse von Mono- und Kombinationstherapie zeigt jedoch überraschenderweise, dass dies nur durch den deutlichen Nutzen der Zweifachtherapie zustande kommt. Unter Einnahme von Perindopril allein erleiden trotz Blutdrucksenkung von im Mittel 5/3 mmHg genauso viele Patienten Schlaganfälle oder schwere vaskuläre Ereignisse wie in der Plazebogruppe. Unter Zweifachtherapie sinkt der Blutdruck um durchschnittlich 12/5 mmHg. Zerebrale Ereignisse nehmen von 14,4% auf 8,5% ab (NNT 4 Jahre = 17), vaskuläre Komplikationen insgesamt von 20,7% auf 13,1% (NNT 4 Jahre = 14). Nach einer zweiten Subgruppenanalyse soll der Nutzen der Behandlung auch für "nicht hypertensive" Patienten nachweisbar sein. Wegen der inakzeptablen Studiendefinition für "hypertensiv" bleibt dieses Ergebnis ohne Aussagekraft.

 Wichtigste Erkenntnis aus der jetzt veröffentlichten PROGRESS-Studie: Der ACE-Hemmer Perindopril (COVERSUM) beugt trotz blutdrucksenkender Wirksamkeit Re-Insulten nach Schlaganfall nicht besser vor als Plazebo. Der ACE- Hemmer ist daher nicht für Patienten mit Bluthochdruck und überstandenem Schlaganfall geeignet.

 Die Kombination des Chlortalidon-Abkömmlings Indapamid (NATRILIX u.a.) mit Perindopril bringt bei stärkerer Blutdrucksenkung eine deutliche Reduktion des Risikos erneuter Schlaganfälle und kardiovaskulärer Komplikationen insgesamt. Die Kombination lässt sich wegen des unklaren Anteils von Nutzen und Risiken der Perindopril-Komponente dennoch nicht empfehlen. Mittel der ersten Wahl zur antihypertensiven Sekundärprophylaxe des Schlaganfalls sind nach wie vor die am besten untersuchten Thiazid-Diuretika.

 Da auf Grund der studieneigenen Definition für "hypertensiv" Patienten ohne Bluthochdruck im Sinne der WHO-Definition als Subgruppe nicht abzugrenzen sind, lässt sich nicht erkennen, ob sie von der Behandlung profitieren. Eine Ausweitung der Indikation zur antihypertensiven Behandlung auf diese Patienten ist daher mit PROGRESS nicht zu begründen.

 Auch PROGRESS gehört zu den Marketing-Studien der Pharmaindustrie, deren Zweck nicht der Fortschritt medizinischer Erkenntnis ist, sondern Umsatzsteigerung mittels wertloser klinischer Forschung.

© 2001 arznei-telegramm

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

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