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BEDENKLICHE NEUEINFÜHRUNG: NEUROLEPTIKUM ZIPRASIDON (ZELDOX)

Seit Mai ist das als atypisches Neuroleptikum beworbene Ziprasidon (ZELDOX) auch in Deutschland im Handel. In den USA wurde die Zulassung 1998 wegen Sicherheitsbedenken zunächst abgelehnt. Nachdem das Mittel im zweiten Anlauf 2001 doch zugelassen wurde, müssen inzwischen bereits Warnhinweise verschärft werden.1 Trotz allem bewirbt Pfizer das Produkt als "ausgewogen verträglich. Dafür sorgt das multifaktorielle Verträglichkeitsprofil"2 - ein neues vom Marketing kreiertes Kriterium.

DIE BEDENKEN: Ziprasidon verlängert dosisabhängig das QT-Intervall im EKG. Einen nachgewiesenen Vorteil gegenüber bereits im Handel befindlichen Neuroleptika, der das erhöhte Risiko potenziell tödlicher Herzrhythmusstörungen aufwiegen würde, sah die US- amerikanische Arzneimittelbehörde FDA 1998 nicht. Als hinreichend sicher definierte die FDA damals eine QTc*-Verlängerung um 5 bis 10 msec bei maximalen Blutspiegeln.3

Zwei Jahre später legt Pfizer der Behörde eine randomisierte kontrollierte Studie vor, in der der Effekt von Ziprasidon auf das QT-Intervall mit dem von fünf anderen Neuroleptika verglichen wird. Alle werden bis zur maximal empfohlenen Dosis titriert. In einer zweiten Phase nehmen die Patienten zusätzlich einen Stoffwechselhemmstoff ein, der für jedes Neuroleptikum gezielt ausgewählt wird. Vor Einnahmebeginn sowie jeweils zur Zeit der Spitzenspiegel unter Mono- und Kombinationstherapie werden EKG abgeleitet. 183 Patienten nehmen an der Studie teil. Die beiden Mittel mit der stärksten QTc-Verlängerung sind Thioridazin (MELLERIL u.a.; durchschnittlich 35,8 msec) und Ziprasidon (durchschnittlich 20,6 msec; siehe Tabelle 1). Bei zunehmender Herzfrequenz sollte das unkorrigierte QT-Intervall abnehmen. Unter Ziprasidon und Thioridazin wird es trotz Herzfrequenzsteigerung verlängert. Nur unter Thioridazin und Ziprasidon kommen QTc-Verlängerungen um mehr als 75 msec vor.3 Thioridazin wurde wegen dieses Risikos als Mittel der letzten Wahl zurückgestuft (a-t 2000; 31: 72).

Die Häufigkeit des plötzlichen Todes scheint nach Daten aus den Zulassungsunterlagen der FDA unter Ziprasidon ebenfalls höher zu sein als unter anderen Neuroleptika (siehe Tabelle 2). Eine noch höhere Rate ist in diesem zurückhaltend zu interpretierenden retrospektiven Vergleich nur unter dem wegen Kardiotoxizität "abgestürzten" Sertindol (früher: SERDOLECT; a-t 1998; Nr. 1: 19) dokumentiert. Die Verfasserin der FDA-Übersicht hat sich auch beim zweiten Mal gegen eine Zulassung von Ziprasidon ausgesprochen.3

EIGENSCHAFTEN: Ziprasidon hat chemisch keine Beziehung zu Phenothiazinen oder Butyrophenonen. Es blockiert sowohl Dopamin-D2- als auch Serotonin-5HT2-Rezeptoren. Es hemmt außerdem Histamin-H1- und adrenerge Alfa1-Rezeptoren sowie die Wiederaufnahme von Serotonin und Noradrenalin aus dem synaptischen Spalt.4,5 Ziprasidon wird nach Einnahme per os gut absorbiert und hauptsächlich durch Verstoffwechselung in der Leber eliminiert. An der Metabolisierung ist auch CYP3A4 beteiligt. Zwei der Hauptmetaboliten scheinen ebenfalls eine QT-verlängernde Wirkung zu haben.6

KLINISCHE WIRKSAMKEIT: Nach einer der wenigen vollständig veröffentlichten Studien wirken zweimal täglich 40 mg und 80 mg Ziprasidon per os bei 302 Patienten mit akuter Exazerbation einer schizophrenen Psychose oder schizoaffektiven Erkrankung über sechs Wochen besser als Plazebo.7 In einer Studie mit 139 Patienten hat nur die Tagesdosis von zweimal 60 mg im Verlauf von vier Wochen in zwei von drei primären Endpunkten einen signifikanten Vorteil gegenüber Plazebo, nicht aber die zur Erhaltungstherapie empfohlene Dosis von zweimal 20 mg.8 Patienten mit Therapieresistenz und relevanten EKG-Veränderungen sind von den beiden Studien ausgeschlossen. Eine weitere kleinere Studie mit 90 Patienten, in der mehrere Ziprasidon-Dosierungen von täglich 4 mg bis täglich 160 mg mit täglich 15 mg Haloperidol (HALDOL u.a.) verglichen werden, stützt das Behandlungsprinzip ebenfalls nicht. Hinsichtlich des primären Endpunktes ergibt sich kein Unterschied zwischen den höheren und der niedrigsten Ziprasidon-Dosierung.3,9

Studien zur i.m.-Zubereitung,10-12 die in den USA wegen der Sicherheitsbedenken nach wie vor nicht zugelassen ist,13 sind wegen methodischer Mängel ohne hinreichende Aussagekraft. So lässt sich die Notwendigkeit einer parenteralen Behandlung anhand der Einschlusskriterien nicht nachvollziehen und die Validität einer in zwei Studien10,11 verwendeten Mess-Skala nicht überprüfen. Ein Vorteil gegenüber Haloperidol ist wegen offenen Designs des direkten Vergleichs12 nicht hinreichend belegt.

UNERWÜNSCHTE WIRKUNGEN: Häufigste unerwünschte Wirkung nach Einnahme per os ist Somnolenz. 1% bis 10% der Patienten klagen über Kopfschmerzen, Schwindel, Sehstörungen, orthostatische Hypotonie und Tachykardie, Magen-Darm-Störungen wie Übelkeit und Erbrechen, Hautausschlag (5%), extrapyramidale Symptome (5%), Akathisie (8%) und Dystonie (4%).5,6 Nach i.m.-Injektionen kommen auch Schmerzen im Injektionsbereich häufig vor.14 Gelegentlich sind Synkopen, Krampfanfälle und Prolaktinanstieg beschrieben.5,6 Gewichtszunahme scheint nach bisherigen Erfahrungen unter Ziprasidon geringer zu sein als unter anderen Neuroleptika.2 In Kurzzeitstudien nehmen aber unter Ziprasidon mit 10% signifikant mehr Patienten mindestens 7% an Körpergewicht zu als unter Scheinmedikament (4%).5

Ziprasidon darf bei bekannter Verlängerung des QT-Intervalls, nach akutem Herzinfarkt, bei nicht kompensierter Herzinsuffizienz oder Herzrhythmusstörungen nicht verwendet werden. Die gleichzeitige Einnahme von QT-verlängernden Arzneimitteln wie Antiarrhythmika oder Malariamitteln wie Halofantrin (HALFAN) ist kontraindiziert. Der CYP-3A4-Hemmer Ketoconazol (NIZORAL) erhöht die Serumspiegel von Ziprasidon und seinen Metaboliten, scheint sich aber auf die QT-Verlängerung nicht auszuwirken (Tab. 1).5,6

DOSIS UND KOSTEN: Für eine Erhaltungsdosis von zweimal täglich 40 mg Ziprasidon (ZELDOX) ist in Deutschland mit 230 €/Monat das Vierzehnfache der Kosten für täglich 10 mg Haloperidol (HALDOL: 17 €/Monat; HALOPERIDOL DESITIN: 16 €/Monat) aufzuwenden.

FAZIT: Das Neuroleptikum Ziprasidon (ZELDOX) scheint nach den bei der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA eingereichten Daten kardiotoxischer zu sein als andere Neuroleptika. Einen Vorteil, der das erhöhte Risiko unvorhersehbarer schwerer Herzrhythmusstörungen und des plötzlichen Herztodes aufwiegen würde, und damit einen Grund, der die Zulassung rechtfertigen würde, sehen wir nicht. Klinische Belege für "atypische" Wirkeigenschaften, insbesondere für den Nutzen bei Patienten, die auf konventionelle Therapie nicht ansprechen, sowie für ein geringeres Risiko von Spätdyskinesien, fehlen.

© 2002 arznei-telegramm

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

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