Aminozucker wie Glukosamin werden im Körper in allen Organen am Ort ihres Bedarfs aus Intermediärprodukten des Glukosestoffwechsels
synthetisiert. Sie sind regelmäßige Bestandteile der Proteoglykane in der extrazellulären Grundsubstanz zum Beispiel des Knorpels. Glukosamin
(DONA 200-S) wird hierzulande als Arzneimittel, international auch als Nahrungsergänzung bei Arthrose angeboten. Theoretische Begründung für
diese Indikation bilden unter anderem In-vitro-Befunde, nach denen Glukosamin die Synthese von Proteoglykanen in Knorpelzellkulturen stimuliert.1,2 Es ist
jedoch nicht einmal geklärt, ob per os eingenommenes Glukosamin den Gelenkknorpel überhaupt erreicht. Selbst im Serum erscheint nach Einnahme per
os nur ein Bruchteil der in vitro verwendeten Konzentrationen.3
Auf einem ähnlichen Konzept ("Gelenknährstoff") beruht die Vermarktung von Chondroitinsulfat als Arthrosemittel. Chondroitinsulfat ist ein
langkettiges Polysaccharid und einer der Hauptbestandteile der Proteoglykane des Knorpels. Es ist in Deutschland als Arzneimittel zur Arthrosebehandlung nicht
zugelassen, wird aber als Nahrungsergänzung (z.B. in ORTHOEXPERT GELENKNAHRUNG) angeboten.
Der klinische Nutzen beider Stoffe ist umstritten. Eine Metaanalyse randomisierter kontrollierter Studien fand 2000 zwar einen Effekt von Glukosamin und Chondroitin
im Vergleich mit Plazebo. Gegen die Validität dieser Befunde sprechen jedoch die ausgesprochen dürftige Qualität der ausgewerteten Studien sowie
Hinweise auf unveröffentlichte Negativstudien (Publikationsbias; a-t 2000; 31: 33-4).4
Eine aktuelle Übersicht5 der COCHRANE Collaboration findet bei Beschränkung der Auswertung auf qualitativ höherwertige randomisierte
Studien keinen Einfluss von Glukosamin auf Schmerzen oder mit dem WOMAC*-Score gemessene Funktionen. Ohne nachvollziehbare Begründung werden in
einer "ad hoc"-Subgruppenanalyse jedoch auch Studien zum Glukosamin-Präparat des italienischen Herstellers Rotta gesondert ausgewertet. Damit
übernehmen die Autoren unkritisch die Sichtweise des Herstellers, der für sein "kristallines Glukosaminsulfat" "wichtige
Unterschiede" gegenüber anderen Glukosaminpräparaten wie Glukosaminhydrochlorid beansprucht.6 Die fragwürdigen positiven
Ergebnisse dieser Subgruppenanalyse werden im Abstract mitgeteilt, nicht jedoch die Datenbasis, auf der sie beruhen. So wird hinsichtlich des primären
Endpunkts Schmerzen mit einer Ausnahme nur in qualitativ mangelhaften Studien ein Vorteil für das Rotta-Glukosamin beschrieben. Bei der Ausnahme handelt
es sich um eine seit knapp zehn Jahren als Abstract7 vorliegende Studie, für die der Hersteller den COCHRANE-Autoren weitere Daten
überlassen hat. Diese Studie ist gewissermaßen der Kronzeuge der Wirksamkeit von Glukosamin: Sie ist groß, angeblich von hoher Qualität und
kommt als einzige der qualitativ höherwertigen Studien in allen Wirksamkeitsendpunkten des Reviews, bei denen sie mit ausgewertet wird, zu positiven
Ergebnissen.5 Sie hat nur einen Haken: Sie ist nicht öffentlich zugänglich und somit nicht überprüfbar.
Seit Februar liegt die mit Spannung erwartete öffentlich finanzierte US-amerikanische Studie GAIT**8 zu Glukosamin und Chondroitinsulfat vor. Mit
mehr als 300 Patienten pro Gruppe ist sie die größte bislang publizierte Studie zu diesen Mitteln. Insgesamt nehmen 1.583 durchschnittlich 59 Jahre alte
Patienten mit symptomatischer Arthrose des Kniegelenks und radiologisch nachgewiesenen Knochenanbauten (Osteophyten) ein halbes Jahr lang dreimal
täglich 500 mg Glukosaminhydrochlorid, dreimal täglich 400 mg Chondroitinsulfat, eine Kombination aus beiden, täglich 200 mg Celecoxib
(CELEBREX) oder Plazebo ein. Der durchschnittliche Schmerzpunktwert (WOMAC) liegt mit 236 im Bereich milder Beschwerden.8
In allen Gruppen brechen etwa 20% der Patienten die Studie vorzeitig ab, die meisten unter Glukosamin, die wenigsten unter Celecoxib. Primärer Endpunkt ist
das Ansprechen auf die Therapie, definiert als Abfall des WOMAC-Schmerzpunktwertes um 20%. Bei einer unerwartet hohen Plazeboansprechrate von 60% bleibt
ein signifikanter Effekt von Glukosamin (64%), Chondroitinsulfat (65%) oder Glukosamin plus Chondroitinsulfat (67%) aus. Auch hinsichtlich des strenger definierten
Ansprechens nach OMERACT-OARSI*** ergibt sich kein signifikanter Unterschied zwischen Plazebo und den Prüfpräparaten, während Celecoxib
beide Endpunkte (primärer Endpunkt: 70%) signifikant beeinflusst. Die Einnahme von Parazetamol (BEN-U-RON u.a.) nimmt in allen Gruppen von eingangs
durchschnittlich 1,2 Tabletten zu 500 mg pro Tag um etwa eine halbe Tablette täglich zu. In der durch stratifizierte Randomisierung prädefinierten kleinen
Subgruppe der Patienten mit mäßigen bis starken Schmerzen liegt die Ansprechrate unter Glukosamin plus Chondroitinsulfat mit 79% signifikant höher
als unter Plazebo (54%).7 Dieses Ergebnis ist jedoch insbesondere deshalb mit Vorsicht zu interpretieren, als sich bei diesen Patienten in der zur Kontrolle
mitgeführten Celecoxib-Gruppe kein signifikanter Effekt ergibt.9 Die Autoren ordnen es ausdrücklich als Befund einer "explorativen"
Analyse ein, die der Bestätigung in anderen Studien bedarf.8
Ein Nutzen des Aminozuckers Glukosamin (DONA 200-S) bei Arthrose ist nicht
belegt.
In bisherigen vollständig veröffentlichten qualitativ höherwertigen
randomisierten Studien beeinflusst Glukosamin Schmerzen oder Funktion nach WOMAC-Index nicht besser als ein Scheinmedikament.
In einer aktuellen mit öffentlichen Geldern finanzierten Studie bleibt ein Nutzen von
Glukosamin, Chondroitinsulfat oder einer Kombination aus beiden bei Patienten mit Arthrose des Kniegelenks ebenfalls aus.
Für die angebliche Sonderstellung des Glukosaminpräparats der Firma Rotta
(DONA 200-S) fehlt eine valide Datenbasis.
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