logo
logo
Die Information für medizinische Fachkreise
Neutral, unabhängig und anzeigenfrei
vorheriger Artikela-t 2008; 39: 121-3nächster Artikel
Neu auf dem Markt

RIFAXIMIN (XIFAXAN) BEI REISEDURCHFALL?

Das bereits seit 1987 in Italien erhältliche Antibiotikum Rifaximin (XIFAXAN) ist seit Oktober 2008 auch in Deutschland im Handel. Es wird zur Behandlung der unkomplizierten, nicht durch invasive enteropathogene Bakterien ausgelösten Reisediarrhö Erwachsener angeboten. In einigen Ländern wie Österreich ist Rifaximin für weitere Anwendungsgebiete, z.B. zur Behandlung der pseudomembranösen Kolitis durch Clostridium difficile, zugelassen. Es wird für diese Indikation als Reserveantibiotikum angesehen.1,2

EIGENSCHAFTEN: Das dem Tuberkulosemittel Rifampicin (RIFA, Generika) ähnliche halbsynthetische Rifamycinderivat unterdrückt die bakterielle Proteinsynthese durch Bindung an die beta-Untereinheit der DNA-abhängigen RNA-Polymerase. Es wirkt in klinischen Studien gegen enteroaggregative Escherichia coli (EAEC) und enterotoxinbildende E. coli (ETEC)*.3,4

REISEDIARRHÖ

Jeder Zweite bis Dritte, der in ein Land mit hohem Risiko für Durchfallerkrankungen reist, erkrankt.7 Die Diarrhö beginnt meist innerhalb der ersten Reisewoche und endet ohne Behandlung und in der Regel ohne Komplikationen innerhalb von drei bis fünf Tagen.8,9 Obwohl in bis zu 50% der untersuchten Stuhlproben keine pathogenen Erreger gefunden und in bis zu 27% Viren isoliert werden können, wird allgemein angenommen, dass die Mehrzahl (bis 80%) der Reisediarrhöen von Bakterien verursacht werden, häufig durch enterotoxinbildende Escherichia coli (ETEC).8 Einfache vorbeugende Maßnahmen nach dem Motto: "Cook it, boil it, peel it, or forget it" (a-t 2002; 33: 65) und Händewaschen vor den Mahlzeiten sind in solchen Regionen Grundlagen der Prophylaxe.

Die vorsorgliche Mitnahme eines Durchfallmittels wird empfohlen, wenn die Reise in Gegenden mit schlechter Gesundheitsversorgung führt. Ausreichende Flüssigkeits- und Elektrolytzufuhr, beispielsweise mit oralen Rehydratationslösungen (ORALPÄDON, Generika), ist vor allem für Kinder und Ältere wichtig. Der Motilitätshemmer Loperamid (IMODIUM, Generika) kann zwar bei unkomplizierter Diarrhö die Stuhlfrequenz senken, ist aber bei schweren Verläufen mit Fieber und blutigem Stuhl und bei Kleinkindern kontraindiziert. Er kann, insbesondere bei Kindern, schwere Nebenwirkungen wie Ileus verursachen.

Halten die Symptome mehr als drei Tage an oder liegen klinische Zeichen einer invasiven Enteritis vor wie Blutstühle oder Fieber, sollte ein Arzt konsultiert werden. Obwohl Resistenzen zunehmen, gelten empirisch Gyrasehemmer wie Ciprofloxacin (CIBROBAY, Generika) bei schwerem Durchfall mit klinischen Zeichen einer invasiven Enteritis bei Erwachsenen als Standard. Bei Campylobacter-Infektion in Resistenzgebieten werden alternativ Makrolidantibiotika wie Erythromycin (ERYHEXAL u.a.) oder Azithromycin (ZITHROMAX, Generika) empfohlen.9,10 Störwirkungen wie Beeinträchtigung der Darmflora und Allergien sind zu bedenken. Zudem erhöht die antibiotische Therapie bei Salmonelleninfektionen die Zahl der Dauerausscheider sowie bei STEC**-Infektionen die Gefahr hämolytisch-urämischer Syndrome.9

WIRKSAMKEIT: Rifaximin ist in zwei plazebokontrollierten randomisierten Studien4,6 mit 399 bzw. 380 Reisenden, davon ungefähr die Hälfte US-amerikanische Studenten, in Mexiko, Guatemala, Indien und Kenia untersucht worden. Eine akute Diarrhö mit drei oder mehr ungeformten Stühlen am Tag vor Studienaufnahme und zusätzliche dysenterische Symptome wie Bauchschmerzen, Blähungen und Übelkeit sind Voraussetzung für die Teilnahme. Auch Patienten mit Fieber oder Blutstühlen werden eingeschlossen. Primärer Endpunkt ist die Zeit bis zum letzten ungeformten Stuhl. 200 mg Rifaximin dreimal täglich für drei Tage halbiert dieses Zeitintervall von im Median 60 bzw. 65 Stunden unter Plazebo auf 33 bzw. 32 Stunden (p = 0,0001 bzw. 0,0014).4,6 Doppelt so hoch dosiertes Rifaximin bringt keinen Vorteil.6 Drei Tage lang zweimal täglich 500 mg Ciprofloxacin (CIPROBAY, Generika) verkürzen im direkten Vergleich die Zeit gegenüber Plazebo etwas deutlicher auf 29 Stunden.4

Bei Patienten mit invasiven Keimen hilft das aus dem Darm nicht absorbierte und daher systemisch nicht wirksame Rifaximin nicht besser als Plazebo.4,11 Anders als das systemisch wirkende Ciprofloxacin (81%)6 eradiziert Rifaximin pathogene Keime nicht häufiger als Plazebo (62% vs. 52%).4,11

Daten zum Vergleich mit dem bisweilen empfohlenen Regime der Einmaldosis von 500 mg Ciprofloxacin finden wir nicht. Eine Studie,12 in der die Gleichwertigkeit von zweimal täglich 400 mg Rifaximin mit zweimal täglich 500 mg Ciprofloxacin über drei Tage postuliert wird, ist aufgrund methodischer Mängel wie fehlender Angaben zum Nichtunterlegenheitsbereich und fehlender Per-Protokoll-Auswertung nicht hinreichend aussagekräftig.

Die zusätzliche Einnahme von Loperamid (IMODIUM, Generika) für zwei Tage verkürzt den Durchfall um sechs Stunden gegenüber alleinigem Rifaximin.13 Der federführende Studienautor des Loperamid-Rifaximin-Vergleichs H.L. DUPONT schließt asiatische Länder wegen der dort höheren Gefährdung durch invasive Keime als Anwendungsgebiet für Rifaximin aus.14 Bei Kindern und Älteren über 65 Jahren ist Rifaximin nicht ausreichend geprüft.3

STÖRWIRKUNGEN: Störwirkungen werden in der ersten Studie unter Rifaximin (27%), Ciprofloxacin (24%) und Plazebo (25%) bei ungefähr jedem Vierten erfasst.4 Gastrointestinale Symptome überwiegen. Sie können auch durch die Durchfallerkrankung bedingt sein und sind in der zweiten Studie ähnlich häufig wie in der Plazebogruppe.6 Rektale Spasmen (2%) treten häufiger auf als unter Ciprofloxacin (1%) oder Plazebo (1%).4 Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA berichtet über Hypersensitivitätsreaktionen, die nach Markteinführung aufgetreten sind. Angioödem und Urtikaria können sich bereits 15 Minuten nach der Einnahme entwickeln.3,11

KOSTEN: Dreimal täglich 200 mg Rifaximin (XIFAXAN) über drei Tage kosten 30 €. Für ein preiswertes Ciprofloxacingenerikum muss mit weniger als 10 €/3 Tage dagegen nur rund ein Drittel der Kosten aufgewendet werden (CYRACIP N; 1.000 mg/Tag).

Das Antibiotikum Rifaximin (XIFAXAN) ist seit Oktober 2008 für die durch nichtinvasive Keime ausgelöste unkomplizierte Reisediarrhö Erwachsener auf dem deutschen Markt.

In zwei kleinen Studien halbiert Rifaximin im Plazebovergleich den Zeitraum bis zum letzten ungeformten Stuhl. Das wenig erprobte Mittel ist für Kinder und Ältere nicht ausreichend geprüft.

Unkomplizierte Reisedurchfälle sistieren üblicherweise auch ohne Therapie nach drei bis fünf Tagen. Eine antibiotische Therapie ist umstritten, da sie die Resistenzentwicklung fördert. Zudem sind potenzielle Störwirkungen wie allergische Reaktionen zu bedenken. Eine hohe Stuhlfrequenz kann bei unkompliziertem Reisedurchfall bei Erwachsenen gegebenenfalls mit einem Motilitätshemmer wie Loperamid (IMODIUM, Generika) gesenkt werden.

Bei Verdacht auf invasive Keime, beispielsweise bei Fieber oder Blutstühlen, ist für Erwachsene empirisch ein Gyrasehemmer wie Ciprofloxacin (CIPROBAY, Generika) zu empfehlen, in Resistenzgebieten ein Makrolid.

Für Rifaximin sehen wir bei Reisediarrhö keine Indikation.

  (R = randomisierte Studie)
 1GAREY, K.W. et al.: Ann. Pharmacother. 2008; 42: 827-35
 2Scrip, Pete Chan, published online 9. Okt. 2008
 3Salix: US-amerikanische Produktinformation XIFAXAN, Stand März 2008
R4TAYLOR, D.N. et al.: Am. J. Trop. Med. Hyg. 2006; 74: 1060-6
 5Norgine: Fachinformation XIFAXAN, Stand Aug. 2008
R6STEFFEN, R. et al.: Am. J. Gastroenterol. 2003; 98: 1073-8
 7Centers for Disease Control and Prevention Health Information for International Travel 2008; zu finden unter http://wwwn.cdc.gov/travel/contentyellowBook.aspx
 8DIEMERT, D.J.: Clin. Microbiol. Rev. 2006; 19: 583-94
 9GUERRANT, R.L. et al.: Clin. Infect. Dis. 2001; 32: 331-50
 10DUPONT, H.L. et al.: Am. J. Gastroenterol. 1997; 92: 1962-75
 11FDA/CDR : Medical Review Rifaximin, Stand Mai 2004 http://www.fda.gov/cder/foi/nda/2004/21-361_Xifaxan.htm
R12DUPONT, H.L. et al.: Clin. Infect. Dis. 2001; 33: 1807-15
R13DUPONT, H.L. et al.: Clin. Gastroenterol. Hepatol. 2007; 5: 451-6
 14DUPONT, H.L.: Nat. Clin. Pract. Gastroenterol. Hepatol. 2005; 2: 191-8

 *Cave: In der Fachinformation wird ETEC fälschlich definiert als enteropathogene E. coli.
 **STEC = Shigatoxinbildende Escherichia coli

© 2008 arznei-telegramm, publiziert am 1. Dezember 2008

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

Diese Publikation ist urheberrechtlich geschützt. Vervielfältigung sowie Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen ist nur mit Genehmigung des arznei-telegramm® gestattet.

vorheriger Artikela-t 2008; 39: 121-3nächster Artikel