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Neu auf dem Markt

ME TOO: ESLICARBAZEPINAZETAT (ZEBINIX) GEGEN PARTIELLE ANFÄLLE

Mit Eslicarbazepinazetat (ZEBINIX) ist nach Carbamazepin (TEGRETAL, Generika) und Oxcarbazepin (TRILEPTAL, Generika; a-t 2000; 31: 43) seit Oktober 2009 das dritte Dibenzazepin-Antiepileptikum auf dem deutschen Markt. Es wird, wie bei neu zugelassenen Antiepileptika üblich, zunächst nur zur Zusatztherapie partieller Anfälle mit oder ohne sekundäre Generalisierung angeboten. Wie Oxcarbazepin ist Eslicarbazepinazetat ein Prodrug. Bei seinem wirksamen Hauptmetaboliten - Eslicarbazepin - handelt es sich um den linksdrehenden Anteil des aktiven Hauptmetaboliten von Oxcarbazepin.2,3 Dennoch wird Eslicarbazepinazetat als Innovation beworben: "Entdecken Sie die neue Therapie-Option".1

EIGENSCHAFTEN: Das linksdrehende Eslicarbazepin hemmt wie Carbamazepin und Oxcarbazepin vorwiegend spannungsabhängige Natriumkanäle.2,3 Eslicarbazepin soll potenter, aber auch toxischer sein als das rechtsdrehende Enantiomer.2

KLINISCHE WIRKSAMKEIT: Eslicarbazepin wird in drei Phase-III-Studien zur Zusatztherapie bei 1.035 Erwachsenen mit refraktärer Epilepsie geprüft. Zwei dieser Studien sind publiziert.5,6 Eine davon ist durch Protokollverstöße und vorzeitige Entblindung von Patientendaten aufgefallen.3,6 Die während einer zwölfwöchigen Erhaltungstherapie primär geprüfte Anfallshäufigkeit wird unter täglich 800 mg und 1.200 mg Eslicarbazepinazetat gegenüber Plazebo signifikant gesenkt. Nach einer gemeinsamen Auswertung der drei Studien sinkt die durchschnittliche monatliche Anfallshäufigkeit von eingangs 13 unter 800 mg auf 9,8, unter 1.200 mg auf 9,0, unter Plazebo auf 11,7.3

Der Anteil der Anwender, deren Anfallshäufigkeit halbiert wird (Responder, sekundärer Endpunkt) unterscheidet sich unter täglich 1.200 mg in allen drei Studien signifikant von Plazebo, unter 800 mg nur in zwei Studien (gepoolte Werte, 1.200 mg: 44%, 800 mg: 36%, Plazebo 22%). In dieser Analyse gelten allerdings auch Therapieabbrecher mit halbierter Anfallsfrequenz als Responder.3

Für sekundär generalisierte Anfälle lässt sich keine eindeutige Wirksamkeit von Eslicarbazepin belegen.3 Trotzdem wird auch diese Indikation zugelassen.

Selbst die EMEA stuft Eslicarbazepin indirekt als Me-too-Präparat ein: Mit dem Hinweis, dass die Eigenschaften von Eslicarbazepin wegen der Ähnlichkeit mit Oxcarbazepin weitgehend vorhersehbar seien, verzichtet sie darauf, leitliniengerecht7 hinreichende Daten für Ältere anzufordern. Obwohl in zulassungsrelevanten Studien nur neun Patienten über 65 Jahre das Antiepileptikum eingenommen haben, gibt sich die Behörde mit einer nachzureichenden offenen Untersuchung mit 100 über 65-Jährigen zufrieden.3

Wie lange der therapeutische Effekt von Eslicarbazepin anhält, ist mangels publizierter Daten nicht nachvollziehbar.

STÖRWIRKUNGEN: Die weitgehend Oxcarbazepin entsprechenden Störwirkungen nehmen dosisabhängig zu. Sehr häufig sind Schwindel und Schläfrigkeit, in einer der publizierten Studien5 unter den zugelassenen Dosierungen bei 20% bzw. bei bis zu 11% sowie Kopfschmerzen und Doppeltsehen (jeweils bis 11%). Mit Hautausschlag, Tremor, Gang- und Koordinations- sowie Aufmerksamkeitsstörungen muss häufig gerechnet werden.4 Konkrete Häufigkeitsangaben hierzu fehlen im EPAR.

Während in zwei Zulassungsstudien5,8 jeweils eine schwere Hyponatriämie dokumentiert ist, erfasst der europäische Beurteilungsbericht (EPAR) nur einen Bericht. Daten zur Häufigkeit klinisch relevanter Hyponatriämien fehlen.3

Kardiologisch fällt unter Eslicarbazepin eine Verlängerung des PR-Intervalls auf. Es ist daher bei höhergradigem AV-Block kontraindiziert.3

Die rudimentären Angaben des EPAR zur Gesamtmortalität und zu plötzlichen unerwarteten Todesfällen lassen keinen Vergleich mit anderen Antiepileptika* zu. In den drei auf ein Jahr angelegten unkontrollierten Extensionsstudien mit Eslicarbazepinazetat sterben insgesamt 6 von 831 Patienten. Weder die Dauer - zwei der drei Studien sind zum Bewertungszeitpunkt nicht abgeschlossen - noch die Vollständigkeit der Nachbeobachtung sind bekannt.3

* Plötzliche unerwartete Todesfälle treten bei Patienten mit Epilepsie in einer Häuigkeit von 0,5/1.000 Patientenjahre auf. In Zulassungsstudien von Levetirazetam, Lamotrigin, Gabapentin und Tiagabin, meist mit zuvor nicht befriedigend antiepileptisch behandelbaren Patienten, liegt die Inzidenz zwischen 3,5-3,9/1.000 Patientenjahre. Die Gesamtmortalität in solchen Studienpopulationen ist um ein Mehrfaches höher und beträgt beispielsweise in kontrollierten Zulassungsstudien mit Levetirazetam 10,7/1.000 Patientenjahre.9

KOSTEN: Mit monatlich 216 € verteuert Eslicarbazepin (ZEBINIX, 1 x tgl. 800 mg), das nur in einer Kleinpackung zu 30 Tabletten eingeführt worden ist, die Erhaltungstherapie im Vergleich zum Oxcarbazepin-Original (TRILEPTAL; 2 x tgl. 300 mg; 36 €) auf das 6fache, im Vergleich zu einem Generikum (OXCARBAZEPIN-DURA; 28 €) fast auf das 8fache. Im Vergleich zu Carbamazepin (TEGRETAL: 14 €, Generika: 10 €; 3 x tgl. 200 mg) kostet Eslicarbazepin das 16- bis 23fache.

∎  Seit Oktober 2009 ist Eslicarbazepinazetat (ZEBINIX) zur Zusatztherapie Erwachsener mit partiellen epileptischen Anfällen auf dem Markt.

∎  Der wirksame Hauptmetabolit Eslicarbazepin entspricht dem linksdrehenden Enantiomer des wirksamen Hauptmetaboliten von Oxcarbazepin (TRILEPTAL, Generika).

∎  Eslicarbazepin verringert in Zulassungsstudien bei Patienten mit refraktären partiellen Anfällen die primär geprüfte Anfallshäufigkeit. Obwohl sekundär generalisierte Anfälle nicht eindeutig gemindert werden, werden sie als Indikation zugelassen.

∎  Bei Anwendern über 65 Jahren ist das Antiepileptikum unzureichend geprüft.

∎  Die unerwünschten Wirkungen entsprechen weitgehend denen von Oxcarbazepin.

∎  Weder Wirksamkeit noch Sicherheit sind im direkten Vergleich mit Oxcarbazepin oder Carbamazepin (TEGRETAL, Generika) untersucht. Ein Vorteil der überteuerten Scheininnovation ist somit nicht nachgewiesen. Wegen der zudem nur sehr begrenzten Daten zu Eslicarbazepin raten wir von der Verordnung ab.

  (R = randomisierte Studie)
 1Eisai: Werbung für ZEBINIX, Nervenarzt 2009; 80: 8
 2ROGAWSKI, M.A.: Epilepsy Res. 2006; 69: 273-94
 3EMEA: Europ. Beurteilungsbericht (EPAR) ZEBINIX, Stand 19. Febr. 2009; http://www.emea.europa.eu/humandocs/HUMANS/EPAR/zebinix/zebinix.htm
 4Eisai: Fachinformation ZEBINIX, Stand Apr. 2009
R5ELGER, C. et al.: Epilepsia 2009; 50: 454-63
 6GIL-NAGEL, A. et al.: Acta Neurol. Scand. 2009; 120: 281-7
 7EMEA: "Guideline on clinical investigation of medicinal products in the treatment of epileptic disorder", Stand Juli 2009 http://www.emea.europa.eu/pdfs/human/ewp/056698en.pdf
R8ELGER, C. et al.: Epilepsia 2007; 48: 497-504
 9FDA/CDER: Medical Review Levetiracetam, Stand 1999; http://www.accessdata.fda.gov/drugsatfda_docs/nda/99/21035_Keppra_medr_P3.pdf

© 2009 arznei-telegramm, publiziert am 4. Dezember 2009

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