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Neu auf dem Markt

TADALAFIL (ADCIRCA) BEI LUNGENHOCHDRUCK

Die pulmonale arterielle Hypertonie führt durch progredienten Anstieg des Lungengefäßwiderstands, zu dem Vasokonstriktion, proliferativer Umbau von Gefäßwänden, Entzündung und Thrombose beitragen, zu Rechtsherzversagen und vorzeitigem Tod. Die insgesamt schlechte Prognose hängt unter anderem von der Ursache und dem Schweregrad ab, der entsprechend der noch möglichen körperlichen Aktivität in die WHO-Klassen I (nicht eingeschränkt) bis IV (kaum möglich) eingeteilt wird. Orale Antikoagulanzien, Diuretika, Sauerstoff, Digoxin (LANICOR, Generika) und Kalziumantagonisten werden verwendet, ohne dass ein Vorteil in randomisierten klinischen Studien belegt ist.1 Daneben stehen für die Therapie die Prostazyklinanaloga Iloprost (VENTAVIS) und Treprostinil REMODULIN), die Endothelin-Rezeptorantagonisten Bosentan (TRACLEER; a-t 2002; 33: 75-6), Ambrisentan (VOLIBRIS) und Sitaxentan (THELIN) sowie der Phosphodiesterase-5-Hemmer Sildenafil (REVATIO; a-t 2006; 37: 27-8) zur Verfügung. Eine Lebensverlängerung ist für keines dieser Arzneimittel belegt.2,3,4 Für das in Deutschland nicht zugelassene und schwer zu handhabende Epoprostenol (Prostazyklin, z.B. Schweiz: FLOLAN) sind die Daten widersprüchlich.2,5,6

Mit Tadalafil (ADCIRCA) ist nun der zweite Inhibitor der Phosphodiesterase Typ 5 zur Therapie der pulmonalen arteriellen Hypertonie auf den Markt gekommen. Wie Sildenafil ist Tadalafil zur Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit bei WHO-Klassen II und III zugelassen.7

EIGENSCHAFTEN:Tadalafil hemmt wie Sildenafil verschiedene Phosphodiesterasen (PDE), hauptsächlich PDE Typ 5, die zyklisches Guanosinmonophosphat (cGMP) abbaut. Das Enzym findet sich in Niere, Lunge, Kleinhirn, Thrombozyten, Skelettmuskulatur sowie in der glatten Muskulatur von Corpus cavernosum, Gefäßen und inneren Organen. Über einen verringerten Abbau von cGMP ruft der Phosphodiesterasehemmer Vasodilatation hervor. Innerhalb von 90 Tagen nach Herzinfarkt sowie nach Verlust der Sehkraft durch nicht arteriitische anteriore ischämische Optikusneuropathie ist er kontraindiziert.8

KLINISCHE WIRKSAMKEIT:In der zulassungsrelevanten doppelblinden randomisierten PHIRST*-1-Studie nehmen 405 Patienten mit symptomatischem Lungenhochdruck (61% idiopathisch, 23% durch Kollagenosen bedingt, 8% assoziiert mit Vorhofseptumdefekt, 8% andere Ursache) 16 Wochen lang einmal täglich 2,5 mg, 10 mg, 20 mg oder 40 mg Tadalafil oder Plazebo ein. Patienten mit einer sechsminütigen Gehstrecke unter 150 m oder über 450 m sind ausgeschlossen. Die Teilnehmer, zu 79% Frauen, gehören überwiegend den WHO-Klassen II (32%) und III (65%) an. 53% nehmen gleichzeitig Bosentan, 9% Verapamil (ISOPTIN, Generika) und 2% Diltiazem (DILZEM, Generika) ein. Primärer Endpunkt ist die Plazebo-korrigierte Änderung der 6-Minuten-Gehstrecke nach 16 Wochen gegenüber dem Ausgangswert.7,9 Dieser in Studien häufig verwendete Surrogatparameter ist nicht ausreichend validiert.1 Eine Verlängerung der Gehstrecke ist nicht mit verringerter Mortalität assoziiert.10 Als klinisch relevant erachtet die europäische Arzneimittelbehörde EMA eine Zunahme im Vergleich zu Plazebo um mindestens 40 m.11 Zu den sekundären Endpunkten gehören Änderung der WHO-Klasse und Zeit bis zur klinischen Verschlechterung (definiert als Tod, Lungentransplantation, Vorhofseptostomie, Krankenhausaufnahme wegen Verschlechterung der pulmonalen Hypertonie, Beginn einer neuen Therapie oder Verschlechterung der WHO-Klasse) sowie Dyspnoe und hämodynamische Parameter.7,9

Nur unter der 40-mg-Dosis verlängert sich die Gehstrecke gegenüber dem Ausgangswert signifikant im Vergleich zu Plazebo, im Median um 26 m (95% Konfidenzintervall 9,5-44). Für Patienten, die gleichzeitig Bosentan einnehmen, ergibt sich kein signifikanter Unterschied (im Median 17 m).8 Zum Vergleich: Die mittleren Gehstreckenverlängerungen unter Treprostinil,3 Iloprost und Sitaxentan bleiben mit 16 m bis 36 m unterhalb des von der EMA als relevant eingeschätzten Effekts von 40 m,2 unter Bosentan, Sildenafil2 und Ambrisentan4 liegen sie unter 60 m, unter Epoprostenol bei 81 m.2 Die Einstufung nach WHO ändert sich unter Tadalafil nicht stärker als unter Plazebo.* Dyspnoe und hämodynamische Parameter unterscheiden sich gegenüber Plazebo ebenfalls nicht. Die Mortalität unterscheidet sich mit zwei Todesfällen in den Verumgruppen und einem unter Plazebo nicht signifikant.7

Randomisierte Studien mit klinisch relevanten Endpunkten, die die Wirksamkeit von Tadalafil mit der anderer Therapiemöglichkeiten vergleichen, finden wir nicht.

VERTRÄGLICHKEIT:Wie bei Sildenafil ist unter 40 mg Tadalafil häufiger als unter Plazebo mit Kopfschmerzen (42%), Muskelschmerzen (14%) und Flush (13%) zu rechnen.9,12 Verstopfte Nase tritt bei 9% auf.9 Blutungen sind so häufig wie unter Plazebo. Ein kausaler Zusammenhang zwischen Tadalafil und Katarakten (in einer 52-wöchigen nicht plazebokontrollierten Erweiterungsstudie bei 1,4% der Behandelten) kann nicht ausgeschlossen werden.7 Unter den schwerwiegenden Ereignissen fallen einzelne Berichte über Retinaarterienverschluss, Priapismus und Menorrhagie auf.9

KOSTEN:Einmal täglich 40 mg Tadalafil (ADCIRCA) kosten monatlich 924 € und damit etwa 5% mehr als dreimal täglich 20 mg Sildenafil (REVATIO, 881 €). Bosentan (TRACLEER, 3.525 € für zweimal täglich 125 mg) ist fast viermal teurer.

∎  Der Phosphodiesterasehemmer Tadalafil (ADCIRCA) ist wie Sildenafil (REVATIO) zur Behandlung des idiopathischen oder durch Bindegewebskrankheiten ausgelösten Lungenhochdrucks der WHO-Klassen II und III zugelassen.

∎  Täglich 40 mg Tadalafil verlängern die sechsminütige Gehstrecke gegenüber Plazebo innerhalb von 16 Wochen signifikant, aber klinisch nicht relevant im Median um 26 m.

∎  Für Patienten, die bereits Bosentan (TRACLEER) einnehmen, bietet Tadalafil keinen Zusatznutzen.

∎  Wir sehen für Tadalafil keinen Stellenwert in der Therapie der pulmonalen Hypertonie. Falls ein Phosphodiesterasehemmer in Betracht kommt, ziehen wir Sildenafil vor.

  (R = randomisierte Studie, M = Metaanalyse)
 1GALIÈ, N. et al.: Eur. Heart J. 2009; 30: 2493-537
 2CHEN, Y.F. et al.: Health Technol. Assess. 2009; 13: 1-320
R3SIMONNEAU, G. et al.: Am. J. Respir. Crit. Care Med. 2002; 165: 800-4
 4EMEA: Europ. Beurteilungsbericht (EPAR) VOLIBRIS, Stand 2008; zu finden unter
http://www.ema.europa.eu/htms/human/epar/v.htm
R5BARST, R.J. et al.: N. Engl. J. Med. 1996; 334: 296-301
R6BADESCH, D.B. et al.: Ann. Intern. Med. 2000; 132: 425-34
 7EMEA: Europ. Beurteilungsbericht (EPAR) ADCIRCA, Stand 22. Okt. 2009; zu finden unter
http://www.ema.europa.eu/htms/human/epar/a.htm
 8Lilly: Fachinformation ADCIRCA, Stand März 2010
R9GALIÈ, N. et al.: Circulation 2009; 119: 2894-903
M10MACCHIA, A. et al.: Am. Heart J. 2007; 153: 1037-47
 11EMEA: Europ. Beurteilungsbericht (EPAR) VENTAVIS, Stand 2004; zu finden unter
http://www.ema.europa.eu/htms/human/epar/v.htm
R12GALIÈ, N. et al.: N. Engl. J. Med. 2005; 353: 2148-57

 *PHIRST = Pulmonary Arterial Hypertension and Response to Tadalafil
 **In der Publikation wird die mittlere Zeit bis zu klinischer Verschlechterung für 40 mg Tadalafil im Vergleich zu Plazebo zwar als signifikant verlängert beschrieben.9 Dem europäischen Beurteilungsbericht (EPAR) zufolge ist ein statistischer Test hier jedoch nicht gerechtfertigt, da er laut Protokoll bei nachrangigen Endpunkten nur vorgesehen ist, wenn alle vorherigen signifikant ausfallen - was nicht der Fall ist. Der Unterschied von fünf Tagen ist laut EPAR zudem von fraglicher Relevanz (im Mittel 106 Tage unter 40 mg Tadalafil gegenüber 101 Tagen unter Plazebo).7

© 2010 arznei-telegramm, publiziert am 14. Mai 2010

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