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GRÜNTEE-EXTRAKT (VEREGEN) GEGEN FEIGWARZEN (CONDYLOMATA ACUMINATA)

Genitale Warzen (so genannte Feigwarzen oder Condylomata acuminata) werden von sexuell übertragenen humanen Papillomviren hervorgerufen, am häufigsten durch die Typen 6 und 11, gegen die inzwischen eine vorbeugende Impfung angeboten wird (GARDASIL). Sie können einerseits spontan abheilen, andererseits die Patienten belasten und sehr selten auch maligne entarten.1 4% bzw. 7% der sexuell aktiven Männer und Frauen sollen mindestens einmal genitale Warzen haben.2 Zur Therapie stehen chirurgische Verfahren wie Elektrokauterisation zur Verfügung sowie Verätzen mit Trichloressigsäure, Kryo- und Lasertherapie und Externa mit dem antimitotisch wirkenden Podophyllotoxin (WARTEC, CONDYLOX) und dem Immunmodulator Imiquimod (ALDARA; a-t 1998; Nr. 11: 101-2), für den schwere systemische Nebenwirkungen beschrieben sind (a-t 2003; 34: 23 und 2004; 35: 16). Bei gleichem Therapieverfahren weichen die Erfolgsraten für vollständige Warzenentfernung bzw. -abheilung in Studien zum Teil um mehr als 30% voneinander ab,3 weshalb die Wirksamkeit schwer einzuschätzen ist. Alle Therapieverfahren verursachen lokale Reaktionen und können häufige Rezidive nicht verhindern.1 Ein Therapiestandard fehlt.

Seit März 2010 ist Extrakt aus grünem Tee (VEREGEN 10% Salbe) zur Therapie äußerlicher Feigwarzen im Genital- und Perianalbereich bei immunkompetenten Erwachsenen erhältlich.

EIGENSCHAFTEN: Der Extrakt enthält Katechine. Wirkmechanismus und die aktive Substanz sind aber nicht bekannt.4 Ob präklinisch festgestellte wachstumshemmende und antioxidative Effekte des Extrakts relevant sind, ist unklar.5

KLINISCHE WIRKSAMKEIT: In zwei bereits 20036 und 20047 abgeschlossenen zulassungsrelevanten doppelblinden Phase-III-Studien tragen 503 bzw. 502 Patienten dreimal täglich 15%- oder 10%ige Salbe oder Plazebo bis zur vollständigen Abheilung, maximal jedoch 16 Wochen lang, auf genitale oder perianale Warzen auf. Primärer Endpunkt ist die vollständige Abheilung aller Warzen - auch neu aufgetretener - innerhalb von 16 Wochen. Nach einer gepoolten Analyse gelingt dies unter 15%iger Salbe bei 54% sowie unter 10%iger Salbe bei 52% der Patienten und damit signifikant häufiger als unter Plazebo (35%).8 In den meisten älteren Studien zu anderen Therapien sind die Abheilungsraten unter Plazebo deutlich niedriger.9 Als Ursache für die hohe Rate diskutieren die Autoren Faktoren wie keratolytische Aktivität des Plazebos oder erhöhte Hygiene.8 Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA erwägt hingegen eine therapeutische Wirksamkeit des in der Salbengrundlage enthaltenen Isopropylmyristats.4 Klinische Studien zur Klärung des Effekts fehlen.

Bei 9% der Patienten nehmen unter 10%iger Salbe die Kondylome zu, unter Plazebo bei 16%. Zunächst vollständig zurückgebildete Warzen treten innerhalb einer zwölfwöchigen Nachbeobachtungszeit bei 6,8% unter 15%iger Salbe, 6,5% unter 10%iger Salbe sowie 5,8% in der Plazebogruppe wieder auf, neue Warzen außerhalb des behandelten Bereichs bei 2,4%, 7% bzw. 1,4%.8 Die FDA beanstandete 2006 jedoch, dass nicht zwischen geheilten Patienten und Patienten mit fehlenden Werten unterschieden wurde und es daher nicht möglich sei, die Rückfallrate zu bestimmen.4 Die in der Publikation angegebenen niedrigen Raten lassen sich somit nicht nachvollziehen. Vergleichsstudien mit anderen Therapien fehlen.

VERTRÄGLICHKEIT: Lokale Reaktionen wie Rötung, Juckreiz, Brennen, Schmerzen, Ulzeration, Ödem, Verhärtung und Bläschenbildung sind unter der zugelassenen 10%igen Salbe deutlich häufiger als unter Plazebo (83% versus 60%).8 Zum Teil könnte es sich um allergische Reaktionen handeln, welche in einer Studie an gesunden Freiwilligen unter 15%iger Salbe bei 2,4% beobachtet werden.4 Schwere lokale Reaktionen betreffen 21% der Männer und 34% der Frauen,8 insbesondere anscheinend bei Anwendung im Vulvabereich, weshalb die Salbe dort nur mit besonderer Vorsicht verwendet werden soll. Neu aufgetretene Phimose wird bei unbeschnittenen Männern bei 1,9%5 gegenüber 1% unter Plazebo10 beschrieben. Bei Hinweis auf eine Striktur muss die Behandlung abgebrochen werden. Die Salbe darf nur äußerlich und nicht auf offene Wunden, verletzte oder entzündete Haut aufgetragen werden. Intravaginale Fehlanwendung führt lokal zu schwerer reversibler Entzündung.5 Das Präparat kann die Reißfestigkeit von Kondomen und Scheidenpessaren beeinträchtigen und Kleidung und Bettwäsche verfärben. Wie Podophyllotoxin und Imiquimod ist auch der Tee-Extrakt in der Schwangerschaft zu vermeiden.4,11,12

KOSTEN: Die vierwöchige Therapie mit dem Grüntee-Extrakt VEREGEN (dreimal täglich 0,25 g Salbe) ist mit 93 € bis zu 72% teurer als Podophyllotoxin-Creme (WARTEC: 54 € für zweimal täglich 0,25 g Creme an drei Tagen der Woche) und etwa 16% teurer als Imiquimod (ALDARA: 80 € für dreimal wöchentlich 0,25 g).

∎  Für die Behandlung äußerlicher Feigwarzen (Condylomata acuminata) stehen mehrere lokale Therapieverfahren zur Verfügung, deren Wirksamkeit schwer einschätzbar ist, da die Erfolgsraten in Studien bei den einzelnen Verfahren stark differieren. Alle können die häufigen Rezidive nicht verhindern und verursachen beträchtliche lokale Beschwerden. Ein Therapiestandard fehlt.

∎  Unter der neuen Salbe mit Extrakt aus grünem Tee, VEREGEN, heilen äußerliche Feigwarzen innerhalb von 16 Wochen bei etwa 52% der Patienten vollständig ab, unter der Salbengrundlage allein bereits bei 35%. Die Angaben zu angeblich niedrigen Rückfallraten lassen sich nicht nachvollziehen.

∎  Schwere Lokalreaktionen kommen unter dem Extrakt sehr häufig vor, insbesondere im Vulvabereich.

∎  Klinische Studien zum Vergleich mit anderen Therapiemöglichkeiten fehlen.

∎  Angesichts der unzureichenden Nutzendokumentation, hoher Spontanheilung und beträchtlicher Nebenwirkungen des Externums raten wir von dem Tee-Extrakt ab.

  (R = randomisierte Studie)
 1Leitlinie der Deutschen STD-Gesellschaft: Condylomata acuminata und andere HPV-assoziierte Krankheitsbilder von Genitale, Anus und Harnröhre. Stand 11. Juli 2006, zu finden unter:
http://leitlinien.net
 2DINH, T.H. et al.: Sex. Transm. Dis. 2008; 35: 357-60
 3WILEY, D.J. et al.: Clin. Infect. Dis. 2002; 35 (Suppl. 2): S210-24
 4FDA: Medical Review VEREGEN 15% ointment, Stand 30. Okt. 2006;
http://www.accessdata.fda.gov/drugsatfda_docs/nda/2006/021902s000_medr.pdf
 5Solvay Arzneimittel: Fachinformation VEREGEN, Stand Oktober 2009
R6STOCKFLETH, E. et al.: Br. J. Dermatol. 2008; 158: 1329-38
R7TATTI, S. et al.: Obstet. Gynecol. 2008; 111: 1371-9
 8TATTI, S. et al.: Br. J. Dermatol. 2010; 162: 176-84
 9BEUTNER, K.R. et al.: Clin. Infect. Dis. 1999; 28 (Suppl 1): S37-56
 10MediGene: US-Produktinformation VEREGEN 15%, Stand Sept. 2008
 11Meda: Fachinformation ALDARA, Stand April 2010
 12Dr. Wolff: Fachinformation CONDYLOX, Stand Sept. 2009

© 2010 arznei-telegramm, publiziert am 18. Juni 2010

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

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