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Nebenwirkungen

ERHÖHTE KARDIOVASKULÄRE STERBLICHKEIT UNTER OLMESARTAN (OLMETEC U.A.)

Seit gut acht Jahren wird der Angiotensin (AT)-II-Antagonist Olmesartan (OLMETEC, VOTUM) in Deutschland angeboten (a-t 2002; 33: 111). Weltweit ist das Me-too-Präparat allein 2009 für mehr als 2 Milliarden Dollar verkauft worden.1 Belastbare Daten für einen klinischen Nutzen gibt es bislang nicht. Mitte 2010 warnte die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA jedoch vor erhöhter kardiovaskulärer Sterblichkeit unter Olmesartan in zwei randomisierten plazebokontrollierten Langzeitstudien mit Diabetespatienten (a-t 2010; 41: 66).2 Die größere der beiden, die vom Anbieter Sankyo Daichii finanzierte ROADMAP*-Studie, ist jetzt publiziert worden. Trotz ihrer Größe – 4.447 Patienten mit Typ-2-Diabetes – und Dauer – 3,2 Jahre – ist sie nicht auf einen klinischen, sondern auf einen Surrogatendpunkt ausgelegt: Entwicklung einer Mikroalbuminurie, definiert als Albumin-Kreatinin-Quotient im Urin von mehr als 25 mg/g bei Männern und mehr als 35 mg/g bei Frauen. Zu Studienbeginn mussten die Teilnehmer eine Normoalbuminurie aufweisen, aber neben ihrem Typ-2-Diabetes mindestens einen weiteren kardiovaskulären Risikofaktor wie Hypertonie, definiert hier als Blutdruck von mindestens 130/80 mmHg oder Behandlung mit Antihypertensiva.3

* ROADMAP = Randomized Olmesartan and Diabetes Microalbuminuria Prevention

Der Blutdruck soll in beiden Gruppen unter 130/80 mmHg gesenkt werden, wofür, mit Ausnahme von Olmesartan in der Prüfgruppe, keine AT-II-Blocker und auch keine ACE-Hemmer verwendet werden durften. Der mittlere Blutdruck liegt eingangs bei 136/81 mmHg. Er wird unter täglich 40 mg Olmesartan um 3/2 mmHg stärker gesenkt als unter Plazebo. Olmesartan mindert das Auftreten einer Mikroalbuminurie von 9,8% unter Plazebo auf 8,2% (Hazard Ratio 0,77; 95% Konfidenzintervall 0,63-0,94). Die glomeruläre Filtrationsrate verschlechtert sich dagegen unter dem AT-II-Antagonisten stärker als unter Plazebo, im Mittel um -5 versus -1 von eingangs jeweils 85 ml/min/1,73 m2.3

Die Rate der in einem sekundären Kombinationsendpunkt erfassten kardiovaskulären Ereignisse unterscheidet sich mit insgesamt 4,3% vs. 4,2% nicht. Olmesartan steigert aber die kardiovaskuläre Sterblichkeit von 0,1% unter Plazebo auf 0,7% (Number needed to harm [NNH] = 167) und geht außerdem mit numerisch erhöhter Gesamtsterblichkeit einher (1,2% vs. 0,7%). Gemäß nachträglichen Subgruppenanalysen sind besonders Patienten mit vorbestehender koronarer Herzkrankheit betroffen, deren systolischer Blutdruck unter 122 mmHg liegt oder um mehr als 17 mmHg gesenkt wurde.3 Es mag sein, dass die erhöhte kardiovaskuläre Sterblichkeit in der Verumgruppe Folge einer zu straffen Blutdruckeinstellung ist. Dies erinnert daran, dass ein Nutzen der in ROADMAP vorgegebenen niedrigen Blutdruckzielwerte unzureichend belegt ist (vgl. a-t 2010; 41: 35-7).4 Beim gegenwärtigen Kenntnisstand ist unseres Erachtens jedoch eher von einem spezifischen unerwünschten Effekt von Olmesartan auszugehen, zumal eine zweite, unveröffentlichte Studie zu ähnlichem Ergebnis kommt.2

Diabetespatienten mit Mikroalbuminurie haben ein höheres Risiko renaler und kardiovaskulärer Komplikationen als Diabetespatienten ohne erhöhte Eiweißausscheidung im Urin. Ob aber die Prävention einer Mikroalbuminurie, wie unter Olmesartan in ROADMAP, eine klinische Relevanz hat, ist unklar.5 Die auf klinische Ereignisse nicht ausgelegte ROADMAP-Studie trägt hier nicht zur Klärung bei. Das fragwürdige Studiendesign spricht dafür, dass es sich bei ROADMAP um eine Marketingstudie handelt, die für Olmesartan eine Nischenindikation erschließen sollte. Aufgrund der Ergebnisse liegt die Bedeutung der Studie jetzt aber darin, dass sie als erste größere Langzeitstudie ein Risikosignal für das hinsichtlich seines klinischen Nutzens bislang ungeprüfte Olmesartan aufgezeigt hat.

∎  Ein klinischer Nutzen des Angiotensin (AT)-II-Antagonisten Olmesartan (OLMETEC, VOTUM) ist auch nach achtjähriger Vermarktung nicht belegt.

∎  In der aktuell publizierten ROADMAP-Studie senkt Olmesartan bei Patienten mit Typ-2-Diabetes die Rate der neu auftretenden Mikroalbuminurie – ein Surrogatparameter, dessen klinische Relevanz unklar ist.

∎  Olmesartan mindert aber gleichzeitig die glomeruläre Filtrationsrate stärker als Plazebo und steigert die kardiovaskuläre Sterblichkeit.

∎  Wir raten von dem Me-too-Präparat ab.

∎  Wenn überhaupt AT-II-Blocker in Betracht gezogen werden, sollten aufgrund der Datenlage als Reservemittel bei Hypertonie Losartan (LORZAAR, Generika) und bei Herzinsuffizienz Candesartan (ATACAND, BLOPRESS) verwendet werden.

  (R =randomisierte Studie)
1 NAINGGOLAN, L.: Heartwire, 22. Juni 2010; http://www.theheart.org/article/1090031.do (kostenloser Login erforderlich)
2 FDA Drug Safety Communication, 11. Juni 2010 http://www.fda.gov/Drugs/DrugSafety/ PostmarketDrugSafetyInformationforPatientsandProviders/ucm215222.htm
R  3 HALLER, H. et al.: N. Engl. J. Med. 2011; 364: 907-17
4 ZANCHETTI, A.: Eur. Heart J. 2010; 31: 2837-40
5 KARALLIEDDE, J., VIBERTI, G.: J. Am. Soc. Nephrol. 2010; 21: 2020-7

© 2011 arznei-telegramm, publiziert am 8. April 2011

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

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