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Therapieempfehlung

GONORRHÖ: DUALE ANTIBIOTIKATHERAPIE EMPFOHLEN

Gonokokken sind dafür bekannt, rasch Resistenzen zu entwickeln. In den vergangenen Jahrzehnten wurde ein zunehmender Wirkverlust verschiedener Antibiotikaklassen einschließlich Penizillinen, Tetrazyklinen, Makroliden und Gyrasehemmern beobachtet, sodass diese schon länger nicht mehr zur empirischen Erstlinientherapie der unkomplizierten anogenitalen Gonorrhö in Betracht kommen.1 Therapie der Wahl war in den vergangenen Jahren daher die einmalige Anwendung der Drittgenerations-Cephalosporine Cefixim (CEPHORAL, Generika) per os oder Ceftriaxon (ROCEPHIN, Generika) intramuskulär, gegebenenfalls in Kombination mit Azithromycin (ZITHROMAX, Generika) oder Doxycyclin (DOXYCYCLIN STADA u.a.) zur Behandlung einer häufig gleichzeitig vorliegenden Infektion mit Chlamydien, falls diese nicht explizit ausgeschlossen wurde.2

Seit einigen Jahren mehren sich nun auch Berichte über Therapieversagen unter Cefixim. Gegenüber Ceftriaxon lässt die Empfindlichkeit der Gonokokken ebenfalls nach, einzelne Therapieversager wurden bereits beobachtet und mehrere extrem arzneimittelresistente (XDR = extensively drug-resistant) Stämme von Neisseria gonorrhoeae nachgewiesen.3 Um der Ausbreitung multiresistenter Gonokokken entgegenzuwirken, werden jetzt die Therapieempfehlungen in Europa aktualisiert: Bei unkomplizierter anogenitaler Gonorrhö soll zur empirischen Ersttherapie künftig primär Ceftriaxon (einmalig 500 mg i.m. gegenüber früher 250 mg) in Kombination mit Azithromycin (einmal 2 g per os) verwendet werden.1* Cefixim (einmal 400 mg) soll - ebenfalls grundsätzlich zusammen mit Azithromycin - nur noch eingesetzt werden, wenn Ceftriaxon nicht gegeben werden kann, beispielsweise weil eine Injektion kontraindiziert ist oder abgelehnt wird. Die alleinige Anwendung von Ceftriaxon ist nur angezeigt, wenn Azithromycin nicht verfügbar oder dessen Einnahme nicht möglich ist. Spectinomycin (früher: STANILO), zuvor ebenfalls Mittel der ersten Wahl, wird nur noch bei Cephalosporinresistenz oder -allergie (einschließlich anamnestisch dokumentierter Anaphylaxie unter Penizillin) empfohlen und dann nur in Kombination mit Azithromycin.1 Das Aminoglykosid ist in Deutschland allerdings nicht mehr im Handel. Enthält das gewählte Therapieregime kein Azithromycin, muss weiterhin zusätzlich mit Doxycyclin (100 mg zweimal tgl. über sieben Tage) behandelt werden, falls eine Koinfektion mit Chlamydien nicht sicher ausgeschlossen wurde.1**

Eine Überprüfung des Therapieerfolgs, die bislang nur in bestimmten Situationen (z.B. bei persistierenden Beschwerden) empfohlen wurde, wird nun bei allen Patienten zwei Wochen nach der Behandlung angeraten. Die Therapieempfehlungen bei pharyngealer Gonokokkeninfektion oder komplizierter Erkrankung (z.B. Epididymitis) sowie bei Gonorrhö in der Schwangerschaft wurden ebenfalls angepasst.1

Auch in den USA wird seit August 2012 eine Zweifachtherapie empfohlen, jedoch in niedrigerer Dosierung (250 mg Ceftriaxon + 1 g Azithromycin).4 In einer für Mai 2013 angekündigten Leitlinie der Deutschen STI***-Gesellschaft soll bei unkomplizierter Gonorrhö für die kalkulierte Therapie voraussichtlich sogar einmalig 1 g Ceftriaxon favorisiert werden, zusammen mit 1,5 g Azithromycin.5

Hintergrund der Empfehlung einer dualen Therapie ist, dass es derzeit keine zuverlässigen Alternativen gibt, die in Monotherapie als Einmaldosis angewendet werden können. Auch Azithromycin soll wegen dokumentierter hochgradiger Resistenzen nur im Ausnahmefall allein und dann möglichst nach vorheriger Testung der Empfindlichkeit eingesetzt werden. Hinreichende Daten aus klinischen Studien zur Kombination des Makrolids mit Ceftriaxon liegen bislang nicht vor. Die Empfehlungen basieren vor allem auf pharmakologischen Überlegungen und In-vitro-Daten.1 Für andere Cephalosporine sind keine Vorteile gegenüber Ceftriaxon belegt. Sie sollen aber bei pharyngealer Infektion weniger zuverlässig wirken und werden daher nicht empfohlen.1

In Deutschland ist Gonorrhö seit Einführung des Infektionsschutzgesetzes im Jahr 2001 nicht mehr meldepflichtig. Aussagen über die Häufigkeit der Erkrankung oder die Resistenzsituation hierzulande sind daher gar nicht bzw. nur begrenzt möglich. Das Robert Koch-Institut ging 2011 aber davon aus, dass multiresistente Gonokokken in Einzelfällen auch in Deutschland vorkommen.6 Die Wiedereinführung der Meldepflicht sowie eine intensivierte antimikrobielle Überwachung durch verstärkte kulturelle Diagnostik erscheint dringend geboten7,8 und wird inzwischen auch vom RKI selbst gefordert.8 Entsprechende "Gespräche" werden seit einigen Monaten mit dem Bundesministerium für Gesundheit geführt,9 bislang offenbar ohne konkretes Ergebnis.

∎  Um der Ausbreitung multiresistenter Gonokokken entgegenzuwirken, soll nach aktualisierter europäischer Leitlinie die empirische Ersttherapie der unkomplizierten anogenitalen Gonorrhö künftig primär mit einer Kombination aus Ceftriaxon (ROCEPHIN, Generika) und Azithromycin (ZITHROMAX, Generika) erfolgen.

∎  Cefixim (CEPHORAL, Generika) und Spectinomycin (früher: STANILO), beide zuvor ebenfalls Mittel der ersten Wahl, haben nur noch Reservestatus und sollen dann ebenfalls zusammen mit Azithromycin verwendet werden.

∎  Bei allen Patienten wird eine Überprüfung des Therapieerfolgs zwei Wochen nach der Behandlung angeraten.

1 BIGNELL, C., UNEMO, M.: 2012 European Guideline on the Diagnosis and Treatment of Gonorrhoea in Adults, Stand Nov. 2012
http://www.iusti.org/regions/Europe/pdf/2012/Gonorrhoea_2012.pdf
2 BIGNELL, C.: Int. J. STD AIDS 2009; 20: 453-7
3 UNEMO, M. et al.: Euro Surveill. 2012; 17, online publ. am 22. Nov. 2012
http://www.eurosurveillance.org/ViewArticle.aspx?ArticleId=20323
4 Centers for Disease Control and Prevention (CDC): MMWR 2012; 61: 590-4
5 BROCKMEYER, N.H. (Präsident der Deutschen STI-Gesellschaft): Schreiben vom 15. Jan. 2013
6 RKI: Epidemiol. Bull. 2011; Nr. 47: 429-30
7 SPORNRAFT-RAGALLER, P. et al.: JDDG 2012; 10 (Suppl. 3): 21-2 (Abstract)
8 aerzteblatt.de vom 30. Juli 2012;
http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/51077
9 RKI: Schreiben vom 28. Dez. 2012

* In den Fachinformationen werden bei unkomplizierter Gonorrhö derzeit noch Dosierungen von 250 mg Ceftriaxon bzw. 1 g Azithromycin angegeben. Die neuen Empfehlungen sollen aber in die Ceftriaxon-Fachinformationen aufgenommen werden (Roche: Schreiben vom 23. Dez. 2012). Azithromycin-Anbieter Pfizer will hingegen noch über eine Anpassung der Dosierung und der Packungsgröße (derzeit gibt es nur Packungen mit drei bzw. sechs Tabletten zu 500 mg) nachdenken (Pfizer: Schreiben vom 15. Jan. 2013).
** Alternativ wird Azithromycin in verringerter Dosis empfohlen (einmalig 1 g per os),1 was uns allerdings nicht ganz logisch erscheint, -Red.
*** STI = sexually transmitted infections

© 2013 arznei-telegramm, publiziert am 18. Januar 2013

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

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