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Diethylstilbestrol (DES; früher: CYREN u.a.) – Schadwirkungen über drei Generationen:

Trotz fehlender Wirksamkeitsbelege sind bis in die späten 1970er Jahre weltweit Millionen schwangerer Frauen, um Fehlgeburten zu vermeiden, mit dem synthetischen Östrogen Diethylstilbestrol (DES; früher: CYREN u.a.) behandelt worden,1 das seither als teratogen und kanzerogen gilt (a-t 1977; Nr. 12: 102). Etwa eine von 1.000 jungen Frauen, deren Mütter in der Schwangerschaft mit dem Östrogen behandelt wurden (so genannte „DES-Töchter”), erkrankt an Adenokarzinomen von Scheide oder Zervix und hat ebenso wie die Mütter ein erhöhtes Risiko für Brustkrebs. Für mehr als 50% der DES-Töchter sind benigne Veränderungen bzw. Fehlbildungen der Geschlechtsorgane beschrieben, in Fallberichten auch für DES-Söhne (a-t 1986; Nr. 8: 75).1-3 Uterine Fehlbildungen führen dabei zu Schwangerschaftskomplikationen wie ektope Schwangerschaft, Fehl- und Frühgeburt.1 Nach einer aktuellen französischen Studie wird etwa ein Viertel der Kinder von DES-Töchtern zu früh geboren. Vermutlich auch dadurch bedingt steigt das Risiko für Zerebralparesen im Vergleich zur Kontrollgruppe ohne DES-Exposition in der Familiengeschichte etwa auf das Zehnfache.4 In einer anderen Studie mit vergleichbar hoher Frühgeburtenrate erhöht sich das Risiko für frühen Kindstod in den ersten vier Wochen nach der Geburt auf das Achtfache.1,5 In dieser DES-Enkelgeneration, die dem synthetischen Östrogen nie direkt ausgesetzt war, werden außerdem vermehrt Fehlbildungen beobachtet: Gegenüber Söhnen von Müttern ohne vorgeburtliche DES-Exposition, werden DES-Enkel etwa fünfmal häufiger mit Hypospadien geboren.1 Dieser unterschiedlich ausgeprägte fehlende Verschluss der Harnröhre und die Fehlanlage des Harnröhrenausganges wird bereits im Kindesalter operativ versorgt und wurde auch schon bei DES-Söhnen beobachtet.2 Ursächlich werden unter anderem hormonelle Störungen durch endogene Faktoren, endokrin aktive Substanzen oder Hormone während der urethralen und penilen Entwicklung diskutiert.1,2 Experimentelle Ergebnisse deuten darauf hin, dass durch DES epigenetische Veränderungen hervorgerufen werden könnten, die an die nächste Generation weitergegeben werden.1,6 Weitere vermutete DES-bedingte Fehlbildungen in der Enkelgeneration betreffen vor allem Ösophagusatresien und damit einhergehende tracheoösophageale Fisteln.1,4 Die Evaluation der Behandlungsfolgen von DES ist allerdings längst nicht abgeschlossen, mit Schwangerschaften von DES-Töchtern wird bis in das Jahr 2020 gerechnet.1,4

1 Prescrire International 2016; 25: 294-98
2 KLIP, H. et al.: Lancet 2002; 359: 1102-07
3 Réseau, D.E.S. France: Pressemitteilung vom 1. Dez. 2014; http://www.a-turl.de/?k=infe
4 TOURNAIRE, M. et al.: Therapie 2016; 71: 395-404
5 HOOVER, R.N. et al.: N. Engl. J. Med. 2011; 365: 1304-14
6 SCHAEFER, C. et al. (Hrsg.): „Arzneimittel in Schwangerschaft und Stillzeit”, 8. Aufl., Urban & Fischer, München 2012, Seite 407

© 2017 arznei-telegramm, publiziert am 20. Januar 2017

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

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