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Kurz und bündig

PARACETALGIN – ein „besonderes“1 Parazetamol?

„Kommt schneller an bei Kopfschmerzen“,1 wirbt Ratiopharm für das im April 2021 in den Handel gebrachte rezeptfreie PARACETALGIN. Das als „innovatives Schmerzmittel“ bezeichnete Präparat enthält Parazetamol und als Hilfsstoff aus Braunalgen gewonnenes Algin (= Alginsäure).1 Dieses dient seit Jahrzehnten als Tablettensprengmittel.*2 Mithilfe von Algin soll der Wirkstoff besonders rasch aus den Tabletten freigesetzt werden. „Schon nach 10 Minuten beginnt PARACETALGIN zu wirken,“1 so Ratiopharm. Zudem soll der Körper innerhalb der ersten Stunde ein Drittel mehr Wirkstoff aufnehmen als bei „klassischen“1 Tabletten.1,3 Gegen welches Vergleichspräparat geprüft worden ist, geht weder aus der Werbung1 noch der Fachinformation3 hervor. Das wäre jedoch von Bedeutung, da die initiale Wirkstofffreisetzung von Präparat zu Präparat sehr unterschiedlich sein kann. In einer älteren (2003) Reihenuntersuchung4 des Zentrallaboratoriums Deutscher Apotheker (ZL) von 21 Präparaten mit 500 mg Parazetamol setzten die Tabletten innerhalb von 5 Minuten zwischen 11,1% und 97,9% des deklarierten Wirkstoffs frei. Das Algin-freie PARACETAMOL-RATIOPHARM** lag damals mit 72,2% nach 5 Minuten im Mittelfeld. Nach 15 Minuten setzten aber immerhin 18 (86%) Präparate bereits 85% der deklarierten Wirkstoffmenge frei (a-t 2003; 34: 84-5). Ob und wenn ja, welche Unterschiede in der frühen Wirkstofffreisetzung sich tatsächlich klinisch relevant auf Wirkstoffaufnahme und Wirkungseintritt auswirken, bleibt offen. PARACETALGIN ist als Generikum des irischen Präparates PANADOL zugelassen. Studiendaten hierzu hat Ratiopharm nicht, „weil solche Daten für (die) Zulassung nicht erforderlich waren.“7 Daher kann uns die Firma weder In-vitro-Daten, die der Werbung zu Grunde liegen, noch klinische Daten zum Wirkeintritt überlassen. Der beworbene Vergleich mit einem Präparat, dessen Freisetzungseigenschaften sich nicht einordnen lassen, erscheint uns wertlos sowie potenziell irreführend und die Werbung somit unseriös. Möglicherweise will Ratiopharm mit dem Versuch, dem neuen Parazetamol-Präparat mithilfe eines Hilfsstoffs eine Sonderstellung zuzuordnen, die sinkende Tendenz der Verkaufszahlen der seit 1973 angebotenen PARACETAMOL-RATIOPHARM-Tabletten kompensieren (-25% im Vergleich zum Vorjahr). Pro Tablette kostet PARACETALGIN 31% mehr als PARACETAMOL-RATIOPHARM (20 Tabletten 3,99 € versus 2,05 3,05 €), –Red. [Korrektur nach Drucklegung]

*Durch starke Quellung in Wasser soll Algin Tabletten „sprengen“.
**Die Hilfsstoff-Zusammensetzung von PARACETAMOL-RATIOPHARM ist seit 2000 qualitativ unverändert.5 Laut aktueller Fachinformation sollen nach rascher und vollständiger Absorption maximale Plasmaspiegel 30 bis 60 Minuten nach der Einnahme dieser Tabletten erreicht werden.6
1Ratiopharm: Werbung einschließlich TV-Spot, Zugriff am 19. Mai 2021; http://www.a-turl.de/?k=atow
2HAGERS Handbuch der Pharmazeutischen Praxis, Springer Verlag Berlin, 5. Aufl. 1993, Band 7: 109-10
3Ratiopharm: Fachinformation PARACETALGIN Tabletten, Stand Juli 2020
4GLABB, V., IHRIG, M.: DAZ 2003; 143: 4288-93
5Ratiopharm: Schreiben vom 7. Mai 2021
6Ratiopharm: Fachinformation PARACETAMOL-RATIOPHARM Tabletten, Stand Nov. 2020
7Ratiopharm: Schreiben vom 17. Mai 2021

© 2021 arznei-telegramm, publiziert am 21. Mai 2021

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

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