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Kurz und bündig

Mammografie – Empfehlung gegen Screeningprogramme in der Schweiz

Das Schweizer Medical Board, eine dem hiesigen Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) vergleichbare Institution, hat sich gegen die Neueinführung systematischer Mammografie-Screeningprogramme und für die zeitliche Befristung laufender Programme in der Schweiz ausgesprochen. Grund ist die nach Einschätzung der Autoren negative Nutzen-Schaden-Bilanz des Screenings (vgl. a-t 2012; 43: 25-8).1 Kritische Wissenschaftler hatten aufgrund der Datenlage in jüngster Zeit wiederholt gefordert, dass die politischen Entscheidungsträger das Für und Wider des Screenings auf Brustkrebs überprüfen.2-4 Die vorliegenden randomisierten Studien, aus denen im Allgemeinen eine relative Senkung der Brustkrebssterblichkeit von 20% durch die Früherkennung abgeleitet wird, sind allesamt Jahrzehnte alt. Da sie vor der Ära moderner Therapiemethoden, die die Prognose bei Brustkrebs deutlich verbessert haben, initiiert wurden, könnten sie den Effekt des Screenings überschätzen. Ein günstiger Einfluss auf die Gesamtsterblichkeit ist ohnehin nicht belegt. Dem stehen als unerwünschte Effekte in erster Linie sehr häufige falsch positive Befunde sowie Überdiagnosen gegenüber. Überdiagnosen sind durch das Screening entdeckte Karzinome, die ohne Screening im Verlauf des Lebens nicht auffällig geworden wären.1,5 Nach einer Übersicht über 20 Screeningprogramme in 17 Ländern, die die Schweizer Autoren zitieren, beträgt die Rate falsch positiver Befunde, die weitere Diagnostik nach sich ziehen und eine erhebliche psychische Belastung darstellen können, pro Screeningrunde knapp 4%.1 Von den durch Screening entdeckten Karzinomen könnte nach der aktuell publizierten 25-jährigen Nachbeobachtung der Canadian National Breast Screening Study jedes Fünfte (21,9%) überdiagnostiziert sein.3,5 Die Empfehlung des Schweizer Medical Boards ist erwartungsgemäß auf breiten Widerstand gestoßen. Rechtlich bindend ist sie nicht. Ein Schweizer Kanton will aber die geplante Einführung des Screeningprogramms vor dem Hintergrund der Empfehlung erneut überdenken.5

  (R =randomisierte Studie)
1 Swiss Medical Board: Systematisches Mammografie-Screening, Bericht vom 15. Dez. 2013; http://www.a-turl.de/?k=ennh
2 GØTZSCHE, P. et al.: Cancer Causes Control 2012; 23: 15-21
R  3 MILLER, A.B. et al.: BMJ 2014; 348: G366 (10 Seiten)
4 KALAGER, M. et al.: BMJ 2014; 348: G1403 (3 Seiten)
5 BILLER-ANDORNO, N., JÜNI, P.: N. Engl. J. Med.; online publ. 16. Apr. 2014; doi: 10.1056/NEJMp1401875

© 2014 arznei-telegramm, publiziert am 9. Mai 2014

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

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