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lifestyle-kontrazeptivum petibelle/yasmin - zurückhaltung angebracht
 
LIFESTYLE-KONTRAZEPTIVUM PETIBELLE/YASMIN - ZURÜCKHALTUNG ANGEBRACHT

Seit einigen Tagen gibt es ein neues Kontrazeptivum, das neben 30 µg Ethinylestradiol das neue Gestagen Drospirenon enthält und als PETIBELLE von Jenapharm bzw. YASMIN von Schering angeboten wird. Die Firmen behaupten nicht nur zuverlässige Verhütung, sondern "sogar die Möglichkeit zur Gewichtsabnahme" (1,2). Schlagzeilen in Laien- und Fachpresse wie "neue Anti-Baby-Pille macht sogar schlank" (3), "schlanker und fitter" (4) und "Verhüten ohne zuzunehmen" (5) zeigen, dass die Marketing-Positionierung der Neueinführungen als Lifestyle-Pille unreflektiert übernommen wird.

Kein anderes Gestagen soll eine "solche Ähnlichkeit mit dem endogenen Progesteron" haben wie Drospirenon (1,2). Chemisch leitet sich das neue Gestagen jedoch vom Aldosteronantagonisten Spironolakton (ALDACTONE u.a.) ab, dessen Gebrauch 1986 wegen des aus Tierversuchen abgeleiteten Verdachts auf Kanzerogenität drastisch eingeschränkt werden musste (a-t 1986; Nr. 9: 87). Hinweise auf Untersuchungen zur Kanzerogenität von Drospirenon finden wir weder in den Produktinformationen noch per Datenbankrecherche. Nach Auskunft von Schering sollen "Kanzerogenitätsstudien der Tumorigenität" durchgeführt worden sein - ohne Hinweis auf ein im Vergleich zu anderen Gestagenen erhöhtes Risiko (6). Drospirenon wirkt wie die Muttersubstanz antimineralokortikoid, soll antiandrogene Effekte besitzen und der Östrogen-bedingten Wassereinlagerung entgegen wirken. Auf Störungen des Kaliumstoffwechsels ist zu achten, insbesondere bei gleichzeitiger Anwendung von nichtsteroidalen Antirheumatika oder von Bluthochdruckmitteln wie ACE-Hemmern.

Gewichtszunahme ist bereits unter den gebräuchlichen niedrig dosierten Kontrazeptiva kein relevantes Problem mehr. Im Gegenteil: In einer von zwei offenen Multizenterstudien mit über 2.000 Frauen, die ein Jahr lang mit der Drospirenon-haltigen Pille oder einem Desogestrel-haltigen Produkt vom Typ MARVELON verhüten, nehmen die Frauen unter beiden Kontrazeptiva geringfügig ab (7). Der gemittelte Unterschied von 0,3 kg (minus 0,5 kg unter Drospirenon, minus 0,2 kg unter Desogestrel) mag zwar statistisch signifikant sein, ist aber klinisch vernachlässigbar gering. In beiden Gruppen kommen jedoch häufig klinisch relevante Gewichtsschwankungen von mehr als 2 kg vor: Gewichtszunahme bei 14% beziehungsweise 17%, Abnahme bei 25% beziehungsweise 21% (jeweils Drospirenon versus Desogestrel). In einer zweiten kleineren Multizenterstudie nehmen insgesamt knapp 900 Frauen unter der Neuerung im Mittel etwas Gewicht ab und unter dem Vergleichspräparat leicht zu (8) - offenbar statistisch signifikant. Konkrete Werte werden jedoch nicht genannt. Es fällt auf, dass in beiden Studien die Frauen in der Drospirenon-Gruppe ein etwas höheres durchschnittliches Ausgangsgewicht haben.

Im Vergleich mit der Desogestrel-Kombination kommen Zwischenblutungen und andere Zyklusstörungen gleich häufig vor, ebenso die typischen Störwirkungen niedrig dosierter oraler Kontrazeptiva wie Kopf- und Brustschmerz, Übelkeit, Depression, Migräne bzw. deren Verschlimmerung u.a. Eine positive Beeinflussung prämenstrueller Beschwerden oder von Seborrhoe und Akne im Vergleich zur Desogestrel-haltigen Kombination lassen die veröffentlichten Daten nicht erkennen.

FAZIT: Jenapharm und Schering versprechen für die neuen Kontrazeptiva PETIBELLE und YASMIN die "Möglichkeit zur Gewichtsabnahme". Hierbei handelt es sich allenfalls um wenige hundert Gramm. Die mit 63 DM für drei Monate teure Pille (2,4fach teurer als z.B. das Levonorgestrel-Präparat MINISISTON: 26,38 DM/3 Monate) enthält neben 30 µg Ethinylestradiol den Spironolakton (ALDACTONE u.a.)-Abkömmling Drospirenon als Gestagen. Der Aldosteron-Antagonist Spironolakton wirkt im Tierversuch kanzerogen. Daten zur Kanzerogenitätsprüfung von Drospirenon sind nicht zugänglich und lassen sich nicht beurteilen. Die Thrombogenität der neuen Kontrazeptiva lässt sich mangels Daten nicht einordnen. Bei dieser dürftigen Risikoinformation halten wir den Gebrauch von PETIBELLE und YASMIN, die offensichtlich den Lifestylebereich abdecken sollen, für nicht begründbar. Die FDA hat weitere Informationen abgefordert, bevor an eine Zulassung in den USA zu denken ist (9).

(1) Schering: YASMIN, Produktinformation, ohne Druckzeichen
(2) Jenapharm: PETIBELLE, Produktinformation, Druckzeichen MG 0066/10.00
(3) BZ vom 15. November 2000
(4) TAZ vom 16. November 2000
(5) Ärzte Ztg. vom 16. November 2000
(6) Schreiben der Schering GmbH vom 21. November 2000
(7) HUBER, J. et al.: Eur. J. Contracept. Reprod. Health Care 2000; 5: 25-34
(8) FOIDART, J.M. et al.: Eur. J. Contracept. Reprod. Health Care 2000; 5: 124-34
(9) Scrip 2000; Nr. 2558: 19



 
© Redaktion arznei-telegramm
blitz-a-t 21. November 2000

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