|
|||
Datenbankstand: 12.07.2024
Wirkstoff: Empagliflozin (Kombinationen anzeigen)BewertungMarkteinführung: 15.08.2014 Weitere Antidiabetika und "Additiva" (A10B02), letzte Änderung: 22.03.2024 Mittel der Reserve als Zusatz zu Metformin und/oder anderen Antidiabetika für Hochrisikopatienten mit Typ-2-Diabetes und kardiovaskulären Erkrankungen sowie bei Herzinsuffizienz mit geringgradig eingeschränkter oder erhaltener linksventrikulärer Ejektionsfraktion. Wenn ein SGLT-2-Hemmer bei chronischer symptomatischer Herzinsuffizienz mit reduzierter linksventrikulärer Ejektionsfraktion in Betracht kommt, ziehen wir Dapagliflozin vor, das in dieser Indikation einen nachgewiesenen lebensverlängernden Nutzen hat.1 Variante ohne besonderen Stellenwert bei chronischer Niereninsuffizienz ohne nachgewiesenen Zusatznutzen im Vergleich mit Dapagliflozin. Diabetes mellitus Typ 2 Empagliflozin, Hemmstoff des renalen Natrium-Glukose-Kotransporters 2 (SGLT 2 = Sodium-glucose cotransporter 2), ist wie die SGLT-2-Hemmer Canagliflozin2 und Dapagliflozin3 zur Therapie Erwachsener mit Typ-2-Diabetes im Handel, zur Monotherapie4 bei Unverträglichkeit von Metformin sowie als Zusatz4 zu anderen Antidiabetika einschließlich Insulin. Empagliflozin senkt das HbA1c gegenüber Plazebo im Mittel um 0,44% bis 0,74% unter täglich 10 mg und um 0,52% bis 0,85% unter täglich 25 mg und damit ähnlich wie Canagliflozin und Dapagliflozin. Wie bei diesen nimmt der Effekt im Alter und mit zunehmender Niereninsuffizienz ab.5 Kardiovaskuläre Sicherheit bei Diabetes mellitus Typ 2 2015 wurde mit der EMPA-REG-OUTCOME-Studie6 die erste Langzeitstudie zur kardiovaskulären Sicherheit eines neuen Antidiabetikums publiziert, deren Ergebnisse zu Gunsten der Prüfsubstanz ausfallen. Empagliflozin (täglich 10 mg oder 25 mg, primär gepoolt ausgewertet) ist als Zusatz zur bisherigen Medikation im primären Endpunkt (Herzinfarkt, Schlaganfall oder kardiovaskulär bedingter Tod) einem Scheinmedikament nicht nur nicht unterlegen, sondern auch knapp überlegen: Die Ereignisrate sinkt im Verlauf von 3,1 Jahren von 12,1% unter Plazebo auf 10,5%. Der Effekt kommt fast ausschließlich durch einen günstigen Einfluss auf die kardiovaskuläre Sterblichkeit zu Stande (3,7% vs. 5,9%). Auch die Gesamtsterblichkeit wird unter Empagliflozin gemindert (5,7% vs. 8,3%), ebenso Krankenhausaufnahmen wegen Herzinsuffizienz (2,7% vs. 4,1%). Auf die nichttödlichen atherosklerotischen Komponenten des primären Endpunkts (Herzinfarkt, Schlaganfall) wirkt sich der SGLT-2-Hemmer dagegen nicht oder möglicherweise negativ aus. Stumme Herzinfarkte, die unter Empagliflozin numerisch häufiger sind, werden zudem in die Analyse nicht mit einbezogen.6,7 Aufgrund von Studiendesign und Durchführung der Studie bleiben Zweifel an der Aussagekraft der Ergebnisse der EMPA-REG-OUTCOME-Studie.7,8,9 Die Ergebnisse haben jedoch in den USA zu einer Indikationsausweitung geführt: Dort ist Empagliflozin 2016 zur Senkung der kardiovaskulären Sterblichkeit bei Typ-2-Diabetes mit manifesten kardiovaskulären Erkrankungen zugelassen worden.10 Bei insgesamt positiver Bewertung sieht die EMA auch die Notwendigkeit weiterer Untersuchungen, um die Ergebnisse zu bestätigen.11 Entgegen der Bewertung des IQWiG hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) dem Mittel auf der Basis von EMPA-REG-OUTCOME einen Anhaltspunkt für einen beträchtlichen Zusatznutzen zuerkannt, wenn es bei Patienten mit Typ-2-Diabetes und manifesten kardiovaskulären Erkrankungen als Zusatz zu Metformin und/oder anderen Antidiabetika verordnet wird.12 Die 2017 veröffentlichte CANVAS-Studie mit dem in Deutschland nicht mehr angebotenen Canagliflozin sowie die bislang größte kardiovaskuläre Sicherheitsstudie zu einem SGLT-2-Hemmer, die 2018 publizierte DECLARE-TIMI-38-Studie mit Dapagliflozin, die - wie die EMPA-REG-OUTCOME-Studie mit Empagliflozin - eine Minderung kardiovaskulärer Ereignisse bei Hochrisikopatienten mit Typ-2-Diabetes erkennen lässt (Empagliflozin) beziehungsweise keine signifikante Zu- oder Abnahme von Herzinfarkten, Schlaganfällen und kardiovaskulär bedingten Todesfällen ergibt, stützen inzwischen jedoch insgesamt das Vertrauen in die Datenlage.13,14 Beim derzeitigen Kenntnistand halten wir es für vertretbar, Empagliflozin bei Hochrisikopatienten mit Typ-2-Diabetes und kardiovaskulären Vorerkrankungen als Zusatz zu Metformin und/oder anderen Antidiabetika zur kardiovaskulären Prophylaxe in Betracht zu ziehen. Hierfür genügt eine Dosis von täglich 10 mg.13,14 Empagliflozin ist derzeit der am häufigsten verordnete Wirkstoff aus der Gruppe der SGLT2-Hemmer.15 Chronische symptomatische Herzinsuffizienz Die SGLT-2-Hemmer Dapagliflozin und Empagliflozin sind auf Basis der DAPA-HF-16 bzw. der EMPEROR-Reduced-Studie17 unabhängig vom Vorliegen eines Typ-2-Diabetes zur Therapie der chronischen symptomatischen Herzinsuffizienz mit reduzierter Auswurffraktion, d.h. bei linksventrikulärer Ejektionsfraktion (LVEF) bis maximal 40%, zugelassen und werden dafür auch in nationalen und internationalen Leitlinien empfohlen.18,19,20 Gemäß der aktualisierten nationalen Versorgungsleitlinie stellen die SGLT-2-Hemmer alternativ zu Sacubitril + Valsartan eine Option zur Therapieintensivierung dar, wenn Patienten unter der Standardmedikation mit ACE-Hemmer (oder Angiotensin-II-Antagonisten), Betablocker und Aldosteronantagonist symptomatisch bleiben. Die Auswahl soll sich nach klinischen Kriterien richten. Bei fortbestehender Symptomatik unter der Intensivierung kann auch die andere Option ergänzt werden. Die Einstufung sowohl von Sacubitril + Valsartan als auch der SGLT-2-Hemmer als Optionen zur Therapieintensivierung bei Herzinsuffizienz erscheint uns beim derzeitigen Kenntnisstand gerechtfertigt. Ein Kriterium für die Auswahl könnte das Vorliegen eines Typ-2-Diabetes sein.1 Wenn ein SGLT-2-Hemmer bei Herzinsuffizienz mit reduzierter LVEF in Betracht kommt, sollte unseres Erachtens Dapagliflozin gewählt werden, das in dieser Indikation auch einen nachgewiesenen lebensverlängernden Nutzen hat.1 Seit Frühjahr ist Empagliflozin als erster SGLT-2-Hemmer auch zur Therapie einer symptomatischen chronischen Herzinsuffizienz mit geringgradig eingeschränkter linksventrikulärer Ejektionsfraktion (LVEF: 40% bis 49%) sowie bei erhaltener Ejektionsfraktion (mindestens 50%) zugelassen. Maßgeblich für die Indikationsausweitung ist die doppelblinde randomisierte Studie EMPEROR-Preserved21,22 mit 5.988 im Mittel 72 Jahre alte Patienten.23 Darin mindert Empagliflozin gegenüber Plazebo zusätzlich zu üblicher Therapie gemäß Leitlinien den primären Kombinationsendpunkt aus Krankenhausaufnahmen wegen Herzinsuffizienz oder kardiovaskulär bedingtem Tod pro 100 Patientenjahre von 8,7 auf 6,9 (Number Needed to Treat = 56/Jahr).21,22 Ob die Wirkung, die auf den diuretischen Effekt des SGLT-2-Hemmers zurückzuführen sein könnte, auch durch Optimierung der Therapie mit Diuretika erreichbar wäre, ist unklar. Kardiovaskuläre Mortalität und die Gesamtsterblichkeit werden in der Studie nicht gemindert. Auch ein relevanter Einfluss auf die Lebensqualität ist nicht nachweisbar. Subgruppenanalysen des wesentlichen sekundären Endpunkts aller Krankenhausaufnahmen wegen Herzinsuffizienz deuten auf einen geringeren oder fehlenden Nutzen bei LVEF ab 60% sowie bei Einnahme von Mineralokortikoid-Rezeptorantagonisten hin.23 Empagliflozin kommt unseres Erachtens in der erweiterten Indikation am ehesten für Patienten infrage, die trotz Behandlung von Begleiterkrankungen und symptomorientierter Therapie mit Diuretika symptomatisch sind und eine LVEF von 40% bis 60% aufweisen, nicht mit Mineralokortikoid-Rezeptorantagonisten behandelt werden und den Einschlusskriterien der Studie entsprechen.23 Chronische Nierenerkrankung Seit Juli 2023 ist Empagliflozin zur Behandlung der chronischen Niereninsuffizienz Erwachsener zugelassen.24 Der Beginn einer Einnahme wird aber bei einer geschätzten glomerulären Filtrationsrate (eGFR) von weniger als 20 ml/min x 1,73 qm nicht empfohlen. Grundlage der Indikationserweiterung ist eine plazebokontrollierte Studie25 mit 6.609 Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion, die der Einnahme von täglich 10 mg Empagliflozin oder Plazebo zugeteilt wurden. Nach einer medianen Nachbeobachtung von zwei Jahren im Rahmen einer Zwischenauswertung wird ein Ereignis des kombinierten primären Endpunktes eGFR, terminale Niereninsuffizienz oder renal bzw. kardiovaskulär bedingter Tod) von 13,1% unter Empagliflozin gegenüber 16,9% unter Plazebo erreicht. Das Ergebnis wird im Wesentlichen durch eine seltenere Abnahme der eGFR um mindestens 40% erreicht (10,9% vs. 14,3%). Da bei Beginn der Studie die Blutdruckwerte unzureichend eingestellt sind (im Mittel liegt der Blutdruck bei 137 mmHg systolisch), ist zumindest bei einem Teil der Patienten eine unzureichende antihypertensive Therapie zu vermuten. Der Blutdruck sinkt unter Empagliflozin zudem deutlich stärker als unter Plazebo (-3,9 mmHg vs. -1,3 mmHg). Welcher Effekt sich bei gleich intensiver optimierter Blutdrucksenkung ergeben würde, bleibt unklar.24 Der Gemeinsame Bundesausschuss sieht in seiner frühen Nutzenbewertung keinen Zusatznutzen für Empagliflozin in dieser Indikation, da in den Kontrollgruppen dieser Zulassungsstudie und in Subgruppenauswertungen weiterer Studien keine zweckmäßige Vergleichstherapie (Dapagliflozin) durchgeführt wurde.26 Unerwünschte Wirkungen Das Störwirkungsprofil entspricht mit verstärktem Wasserlassen, Zunahme von Genital- und Harnwegs-Infektionen bzw. -Mykosen27 sowie der Gefahr von Volumenmangel, Hypotonie und Nierenfunktionsverschlechterung dem der beiden anderen SGLT-2-Hemmer. 2018 hat die FDA vor seltenen, aber schwerwiegenden nekrotisierenden Fasziitiden der Genitalien oder des Perineums (FOURNIER-Gangrän) unter SGLT-2-Hemmern gewarnt, Anfang 2019 hierzulande per Rote-Hand-Brief28 auch die Anbieter von SGLT-2-Hemmern. Die Gangrän muss stationär und chirurgisch behandelt werden und erfordert zum Teil mehrfache entstellende Operationen. Patienten sollen darüber informiert werden, bei Druckempfindlichkeit, Rötung oder Schwellung von Genitalien oder im Bereich des Perineums mit Fieber über 38 Grad Celsius oder allgemeinem Unwohlsein umgehend einen Arzt aufzusuchen.29,30 Wie bei Canagliflozin werden im Versuch mit Nagern unter Empagliflozin Leydig-Zell-Tumoren und tubuläre Nierentumoren beobachtet. In Zulassungsstudien erkranken unter Empagliflozin zwei Patienten an Blasenkrebs, in den Kontrollgruppen keiner. Ein Ungleichgewicht zu Ungunsten von Empagliflozin besteht hier auch beim malignen Melanom (keine Zahlenangaben).31 In EMPA-REG OUTCOME sind maligne Tumoren unter Empagliflozin etwas häufiger als unter Plazebo (4,3% vs. 3,3%), wobei aber keine speziellen Tumorarten auffallen.31 Aus den Zulassungsstudien ergibt sich zudem das Risikosignal eines schweren Leberschadens unter Empagliflozin, das ebenso wie das potenziell erhöhte Risiko von Krebs im Harntrakt Gegenstand der Postmarketingüberwachung ist.31 Die US-amerikanische FDA warnt Mitte 2015 vor diabetischer Ketoazidose, Ketoazidose oder Ketose, die Klinikaufnahmen erfordern, in Verbindung mit den SGLT-2-Hemmern Canagliflozin, Dapagliflozin und Empagliflozin (diabetische Ketoazidose in EMPA-REG OUTCOME 0,1% vs. 0,04%9,10 unter Plazebo). Patienten und Pflegende sollen darüber informiert werden, bei Zeichen einer metabolischen Azidose wie Tachypnoe, Hyperventilation, Anorexie, Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Lethargie oder Veränderungen des geistigen Zustandes unverzüglich einen Arzt zu konsultieren. Bei Azidose einschließlich Ketoazidose sollen die SGLT-2-Hemmer abgesetzt werden.32,33,34 Anfang 2017 hat die EMA Aufnahme eines Warnhinweises vor dem möglicherweise erhöhten Risiko von Amputationen der unteren Extremität in die Fachinformationen aller drei SGLT-2-Hemmer veranlasst, wobei allerdings in Studien mit Dapagliflozin und Empagliflozin - im Unterschied zu Canagliflozin - erhöhte Amputationsraten bislang nicht beobachtet wurden.35,36 | |||
|