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ANTIDEPRESSIVUM FLUOXETIN (PROZAC) –
EINE NEUERUNG MIT FOLGEN ?

Auf Seite 1176 des transparenz-telegramm 1990/91 lese ich eine Negativbeurteilung von Fluoxetin. Worauf beruht diese Einschätzung?

M. De SMEDT (Apothekerin)
Med. Direktion des Landesverb. d. christl. Krankenkassen
B-1040 Brüssel

Das in der Bundesrepublik Deutschland von der Hoechst AG zur Einführung vorgesehene, in den USA bereits von Lilly als PROZAC vermarktete Fluoxetin wird in seinen antidepressiven Eigenschaften den Trizyklika wie Imipramin (TOFRANIL u.a.) und Amitriptylin (SAROTEN u.a.) gleichgestellt1 oder als schlechter eingestuft. Der antidepressive Effekt ist möglicherweise weniger ausgeprägt und setzt langsamer ein.2

Fluoxetin besitzt eine extrem lange Halbwertszeit von 1 bis 3 Tagen. Die Verstoffwechslung in der Leber führt zum aktiven Metaboliten Norfluoxetin mit einer Halbwertszeit von 7 bis 15 Tagen und anderen nicht identifizierten Stoffwechselprodukten. Solche lang im Körper verbleibenden Stoffe haben ein prinzipiell hohes Risiko schwerer unerwünschter Reaktionen, eine geringe Nutzen-Risiko-Breite und erschweren die Therapie-Kontrolle.

Das Spektrum unerwünschter Wirkungen unterscheidet sich von dem trizyklischer Antidepressiva: Fluoxetin ist ein Serotonin-Wiederaufnahmehemmer wie Zimeldin (NORMUD), das 1983 wenige Monate nach der Markteinführung wegen auffälliger immunologischer Störeffekte wie Influenza- ähnliches Syndrom (10%), Exanthem oder GUILLAIN-BARRE-Syndrom vom Markt genommen werden mußte (vgl. a-t 3 [1983], 24; 6 [1983], 60). Auch für Fluoxetin wird ein Influenza-ähnliches Syndrom (2,8%) beschrieben mit Exanthem (2,7%), Fieber (1,4%), Leukozytose, Arthralgie (1,2%), Myalgie (1,2%), Ödem, Lymphadenopathie, Proteinurie, Atemstörungen (1,4%) und erhöhte Transaminasen, die auf ein immunallergisches Syndrom hindeuten. Leukozytoklastische Vaskulitis und andere Formen wie Erythema multiforme sind für Fluoxetin dokumentiert.3,4

Solche Störwirkungen könnten ein Indikator für potentiell schwerwiegende Reaktionen sein, zumal die jüngsten Erfahrungen mit dem Serotoninvorläufer L-Tryptophan eine Verbindung mit immunallergischen chronischen Entzündungsreaktionen wie das Eosinophilie-Myalgie-Syndrom aufzeigen (vgl. a-t 1 [1990], 1). Hierbei sind Todesfälle durch generalisierte Vaskulitis in mehreren Organsystemen möglich.

Die Störwirkungen von Fluoxetin unterscheiden sich zudem von denen konventioneller Antidepressiva durch das "Serotonin-Syndrom" mit Kopfschmerzen (21%), Nervosität (15%), Schlafstörungen (14%), Müdigkeit (12%), Angstzuständen (9%), Tremor (8%) und Magen-Darm- Störungen wie Erbrechen (25%). Paranoide und panische Reaktionen kommen vor, Manie, Psychose sowie extrapyramidale Symptome5,6 – untypische Störwirkungen für Antidepressiva. Zu den ausgeprägten stimulierenden Effekten der Neuerung kommen die von anderen Antidepressiva bekannten anticholinergen Störeffekte wie Mundtrockenheit (10%), Tachykardie und Palpitation hinzu. Die appetitmindernde Wirkung von Fluoxetin fördert einen Gewichtsverlust von über 5% Körpergewicht bei etwa 13% der Patienten.

FAZIT: Fluoxetin (PROZAC) ist nicht wirksamer als konventionelle trizyklische Antidepressiva, besitzt jedoch ein breites Spektrum schwerwiegender Störwirkungen mit immunallergischen Reaktionen und stimulierenden Effekten wie dem "Serotonin-Syndrom". Im Vergleich mit konventionellen trizyklischen Antidepressiva ergibt sich hieraus eine negative Nutzen-Risiko-Beurteilung (– Red.).

© 1990 arznei-telegramm

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

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