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Therapiekritik

WHO BEWERTET DURCHFALLMITTEL FÜR KINDER

Die zweckmäßige Behandlung des Durchfalls ist häufiger die Ausnahme als die Regel, geht aus einer Studie der WHO hervor.1 Immer noch bieten einige Firmen Antidiarrhoika von zweifelhaftem Nutzen und mit potentieller Toxizität an. Die WHO rechnet mit weltweit jährlich 4 Millionen Kindern unter 5 Jahren, die an den Folgen der Darmerkrankung sterben. Die Zahl der Todesfälle ließe sich durch gezielte Maßnahmen zur Vorbeugung und Behandlung des Flüssigkeitsverlustes senken sowie durch richtige Ernährung während und nach der Diarrhoe und umsichtigen Gebrauch von Antibiotika lediglich bei Cholera und Dysenterie.

Fast alle handelsüblichen Antidiarrhoika haben "keinen gesicherten Nutzen für pädiatrische Anwendungen":2

Das Stopfmittel Diphenoxylat (in REASEC) lindert zwar bei Erwachsenen einige Symptome milder chronischer Diarrhoe, eignet sich jedoch nicht zur Behandlung von Kindern. Das Opiat vermindert den Flüssigkeitsverlust nicht und verschlechtert möglicherweise eine bakterielle Dysenterie. Auch therapeutische Dosen können das ZNS beeinträchtigen.2

Loperamid (IMODIUM), ein Stopfmittel mit "fraglicher" klinischer Bedeutung, hat keinen Platz in der Routinebehandlung des Durchfalls von Kindern. ZNS-Störwirkungen einschließlich extrapyramidal-motorischer Effekte (Parkinsonoid, Dyskinesien) finden sich hauptsächlich bei Kindern unter 6 Monaten. Wegen lebensbedrohlicher Schadwirkungen wie Ileus hat das Gesundheitsministerium in Pakistan flüssige Zubereitungen von Loperamid und Diphenoxylat verboten (vgl. a-t 10 [1990], 91).2

Die routinemäßige Verwendung von Neomycin (in KAOPECTATE N), einschließlich bei Diarrhoe durch E. coli, läßt sich nicht rechtfertigen.2

Halogenierte Hydroxychinoline (in DIGNOQUINE u.a.) sind sowohl zur Behandlung der unspezifischen akuten Diarrhoe als auch bei Amöbiasis von geringem Wert.1 Die Neurotoxizität der Oxichinoline ist bereits seit den dreißiger Jahren dieses Jahrhunderts bekannt (s. a-t 11 [1989], 97).

Mit Ausnahme von Co-trimoxazol (BACTRIM u.a.) läßt sich die Anwendung von Sulfonamiden (z.B. in DIARÖNT N) wegen primärer Resistenzen und Störwirkungen nicht mehr rechtfertigen.2

Kaolin-Pektin(KAOPROMPT-H) bessert zwar bei einigen Kindern mit akuter unspezifischer Diarrhoe die Stuhlkonsistenz. Auf die Stuhlfrequenz, die Dauer des Durchfalls und den Flüssigkeitsverlust haben jedoch weder die Kombination noch deren Einzelbestandteile Einfluß.2

Für Kohle-Präparate (KOHLE COMPRETTEN u.a.) erbrachten klinische Studien keinen Nutzen als Antidiarrhoikum. Kohle sollte daher nicht zur Behandlung des Durchfalls bei Kindern verwendet werden.2

FAZIT: Stopfmittel, antisekretorische Mittel und Adsorbentien besitzen für die Durchfallbehandlung von Kindern keinen praktischen Wert. Sie haben selbst zum Teil Schadwirkungen und verzögern möglicherweise die besonders für Kinder einzig wichtige Therapie, die Zufuhr von Elektrolyten und Flüssigkeit (orale Rehydratation). Überdies verteuern sie die Behandlung.

1

WHO: "The rational use of drugs in the management of acute diarrhoea in children", Genf 1990

2

Scrip 1582 (1991), 24; 1539 (1990), 13; 1544/5 (1990), 9


© 1991 arznei-telegramm

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

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