Der Serotonin-Wiederaufnahmehemmer Fluoxetin (FLUCTIN) erhält in Norwegen auch im zweiten Anlauf keine Marktzulassung. Die Entscheidung
entspricht im Vorgehen der der schwedischen Behörde. Weniger ins Gewicht fiel hierbei, daß die medizinische Berechtigung des Antidepressivums im
Hinblick auf das vergleichbar wirkende Fluvoxamin (FEVARIN) nicht zufriedenstellend dokumentiert ist, und die Erfahrungen für die Indikation Bulimie zur
Zulassung nicht ausreichen. Das norwegische Registrierungskomitee beanstandet vor allem fehlende Dosiswirkungsstudien mit niedrigeren als den vom Hersteller
empfohlenen Tagesdosen von 20 bis 80 mg.1 Die Beziehung zwischen Serumkonzentration und Wirksamkeit ist ungeklärt.2
Selbst nach der Anfangsdosis von einer Kapsel zu 20 mg pro Tag reagieren einige Patienten mit beeinträchtigender Nervosität, Ruhelosigkeit und
Schlafstörung. Unter höheren Dosen steigt die Toxizität stärker als die Wirksamkeit.2 Motorische Ruhelosigkeit (Akathisie) und andere
extrapyramidale Störungen sowie Aufflackern von Beschwerden bei Morbus PARKINSON werden beschrieben.
Einige Kliniker verwendeten 20 mg jeden zweiten oder dritten Tag zur Behandlung der Depression. In der Produktinformation wird für ältere Patienten
sowie bei eingeschränkter Leber- und Nierenfunktion die Möglichkeit der Dosierung in zweitägigen Abständen eingeräumt. Selbst
täglich 5 mg wirken nahezu gleich gut wie 20 mg und 40 mg (vgl. a-t 7 [1990], 62). Unpraktikabel ist der Rat des
Bundesgesundheitsamtes (BGA), die 20-mg-Kapseln "20 mg oder weniger" zu dosieren,3 da diese nicht teilbar und niedrigere Dosierungen immer
noch nicht erhältlich sind.
Zulassung und Vermarktung von Fluoxetin stehen auch hierzulande in der Kritik (a-t 4 [1990], 42; 7 [1990], 62). Redaktionelle Beiträge in Publikumszeitschriften schüren Hoffnungen für das
verschreibungspflichtige Arzneimittel unter der Überschrift "Was ist das für eine Droge, die Selbstmörder vor dem Sprung bewahrt? Ist sie eine
Art Gott, weil sie die Trauer abschafft?"6 Nach Erscheinen des Illustriertenartikels "soll die Fa. Hoechst sogar inoffiziell nachgefragt haben, ob
man den Bericht nicht noch vertiefen könnte."7
In den USA laufen Schadenersatzklagen gegen die Firma Lilly mit einem Gesamtstreitwert von mehreren 100 Millionen DM. Ihr wird vorgeworfen, Fluoxetin vor der
Markteinführung nicht genügend geprüft und nicht deutlich genug darauf hingewiesen zu haben, daß Fluoxetin aggressives, gewalttätiges
Handeln bis zum Amoklauf mit Totschlag oder suizidales Verhalten auslösen kann (vgl. a-t 10 [1990],
90).4 Gefordert wird eine auffällige Warnung auf der Arzneipackung vor intensiven Suizidgedanken, die auch auftreten können, wenn
entsprechende Hinweise in der Anamnese fehlen. Hierüber sollten auch die Angehörigen Bescheid wissen.5
FAZIT: In Deutschland erhielt das Antidepressivum Fluoxetin (FLUCTIN) erst im zweiten Anlauf die Marktzulassung. Die norwegische Behörde verwehrt
hingegen dem Mittel weiterhin den Marktzutritt. Bis heute fehlen grundlegende Dosisfindungsstudien, aus denen sich die niedrigste wirksame und optimal
verträgliche Dosis ableiten läßt. Die angebotene unteilbare 20-mg-Kapsel erlaubt keine Austitration des Wirkstoffbedarfs. Aus forensischen
Gründen muß der verordnende Arzt Fluoxetin-Verwender und deren Angehörige über die unter Fluoxetin beobachtete Aggressions- und
Suizidbereitschaft aufklären.
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