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Korrespondenz

MEDIKAMENTÖSE BLUTDRUCKSENKUNG –
FAKTEN ODER VERSPRECHUNGEN?

Die Diskussion um das beste Antihypertensivum erscheint beinahe täglich in medizinischen Zeitschriften und in der letzten Zeit sogar in der Laienpresse.1 Im Grunde könnte die Antwort ganz einfach sein: Das Medikament, welches die meisten Schlaganfälle und Herzinfarkte verhindert und am deutlichsten die Gesamtmortalität beeinflußt, müßte als Präparat der ersten Wahl den Vorrang vor anderen haben. Solche klaren Fakten können nur in kontrollierten, prospektiven Langzeitstudien ermittelt werden. Leider existieren aber derartige Untersuchungen nur für Betablocker und Diuretika.

Von den neueren Medikamenten wie ACE-Hemmer und Kalziumantagonisten wissen wir nicht, wie sie die Morbidität und Mortalität beeinflussen. Dieses wissenschaftliche Manko versuchen manche Pharmaunternehmen durch Mammutwerbekampagnen auszugleichen. En vogue sind vor allem vermeintliche hämodynamische und metabolische Vorteile der neuen Antihypertensiva. Dabei stört es selten, daß in manchen der vermarkteten Publikationen die Methoden schlicht falsch sind, wie zum Beispiel in der Studie von SKARFORS,2 in der der Unterschied in der Diabetesprävalenz bei normotonen und hypertonen Patienten den verwendeten Antihypertensiva zugeschrieben wurde. Die Tatsache, daß dieser Unterschied auch ohne antihypertensive Therapie besteht, wurde verschwiegen. Wenn es paßt, fallen signifikante Veränderungen im Serum-Kalium3 und Körpergewicht4 bei der Interpretation von medikamenteninduzierten Stoffwechselveränderungen auch schon mal unter den Tisch.

In einer anderen Studie wurde ein spezifischer Vorteil von Enalapril gegenüber Metoprolol bei diabetischer Nephropathie postuliert.5 Das Serum- Kreatinin stieg aber nur in der Enalapril-Gruppe signifikant an – die Nierenfunktion hat sich also in der Enalapril-Gruppe in Wirklichkeit selektiv verschlechtert! Die Aufzählung ähnlicher Beispiele läßt sich beliebig lang fortsetzen. Bei genauer Durchsicht der Literatur erscheinen die versprochenen Vorteile der neuen Antihypertensiva entweder nicht existent, unbewiesen oder klinisch unbedeutend.6,7,8

In einer vor kurzem erschienenen Publikation unter dem Titel "Wer diktiert Ihnen Ihr Rezept?" zeigten acht namhafte US-amerikanische Hypertonieforscher am Beispiel von Captopril, wie Pharmaunternehmen das Verschreibungsverhalten der Ärzte beeinflussen.9 In der Schlußfolgerung fordern sie eine Kontrolle solcher Manipulationen durch unabhängige Ärzteorgane.

Die Interessen der Pharmaunternehmen und der Ärzte sind nicht immer gleich. Marktwirtschaftlich erscheint das Verhalten der Industrie logisch: Die Entwicklung neuer Medikamente kostet viel Geld, das nach erfolgreicher Zulassung schnell wieder eingebracht werden muß. Kontrollierte Langzeitstudien zum Nachweis der Sicherheit und Wirksamkeit von neuen Antihypertensiva bleiben dabei schon mal auf der Strecke.

Dr. med. P. T. SAWICKI
Med. Klinik und Poliklinik der HEINRICH-HEINE-Universität
W-4000 Düsseldorf 1


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