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Korrespondenz

ZUM NUTZEN VON GLUCOBAY (ACARBOSE)

Sie haben bisher mehrmals über den fraglichen Nutzen des neueren Diabetes-Therapeutikums Acarbose (GLUCOBAY) und der Langzeitverträglichkeit geschrieben.
Nun wird in den letzten Monaten vermehrt auf Symposien, Fortbildungsveranstaltungen und in Zeitungsreferaten gerade dieses Mittel u.a. auch von führenden deutschen Diabetologen sehr positiv dargestellt, teilweise auch als neues Mittel der 1. Wahl beim Diabetes mellitus Typ IIb bezeichnet. Dabei wird von Senkungen nicht nur der postprandialen Blutzuckerwerte, sondern auch der Nüchternwerte berichtet, sogar der HbA1-Wert gehe zurück!

Dr. K. KÖNIGSMARK
W-5000 Köln 50


Die Behandlung von Diabetikern mit Acarbose (GLUCOBAY)-ist seit längerem umstritten (vgl. a-t 11 [1982], 93). Noch immer fehlen hinreichende Daten zum Langzeitnutzen, so daß in der Risiko-Nutzen-Abwägung Bedenken wegen der möglichen Hepatotoxizität (Transaminasenanstieg via systemische Aufnahme von Acarbosespaltprodukten?) und quälender Blähungen mit und ohne Durchfall sowie Abdominalbeschwerden überwiegen. Aus diesem Grund verweigert die Gesundheitsbehörde in den USA die Zulassung für Acarbose (a-t 8 [1991], 70). Eine noch unveröffentlichte Untersuchung aus einer Diabetesklinik in Bad Lauterberg (Harz) von A. DOMKE und B. WILLMS gibt einen gewissen Aufschluß für das Nutzenausmaß. Bei 14 unter maximaler Glibenclamid-Dosis von 10,5 mg/Tag unzureichend eingestellten Typ-II-Diabetikern mit postprandialen Blutzuckerwerten über 200 mg/dl änderten sich die Nüchtern-Blutzuckerwerte unter Standarddosen von Acarbose von 3 x 100 mg/Tag nicht signifikant, während sich die postprandialen Werte verringerten. Blutfette und Körpergewicht wurden durch Acarbose nicht günstig beeinflußt.

Schulung und Diätberatung während des stationären Aufenthaltes in einer Diabetesklinik haben den größten Einfluß auf pathologisch erhöhte HbA1c-Werte. Damit läßt sich mehr erreichen (HbA1c-Abfall 1,3%) als mit der Acarbose-Verordnung (Acarbose: HbA1c-Abfall 0,7%, Plazebo: HbA1c-Abfall 0,5%). Unter dreimonatiger Einnahme von Acarbose lagen die HbA1c-Werte bei 6,7% ± 1,3% (p < 0,05). Als normal gelten Werte zwischen 4,3% bis 6,1%.

Ob aus solchen geringen Befundbesserungen des glykosylierten Hämoglobins auf "Stoffwechselnormalisierungen durch Acarbose" geschlossen werden darf, (FAZ vom 31. Dez. 1991) bleibt fraglich, weil auch das Bundesgesundheitsamt in einem Fachgutachten die Beeinflussung der HbA1/HbA1c-Senkung als nicht gesichert ansieht (a-t 11 [1990], 95). Wie sich die Verlagerung des Blähungen auslösenden Kohlenhydratabbaus durch den Enzymhemmer in den unteren Dünndarm auswirkt, umschreibt die FAZ mit Gewöhnungseffekten. Offensichtlich würden Patienten schnell lernen, "gefährliche" Speisen zu meiden. Ein diätetisches Hilfsmittel – als solches ist GLUCOBAY vom Bundesgesundheitsamt zugelassen worden –, welches quasi aversiv-bestrafend erzieht, entspricht nicht den Vorstellungen einer menschenfreundlich orientierten Medizin; zumal der klinische Erfolg durch das u.E. potentiell hepatotoxische Medikament eher dem Spielen an einer Mikrometerschraube gleicht und erhebliche Schadwirkungen in Kauf zu nehmen sind (vgl. S. 8), –Red.


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