Die Monotherapie mit Betasympathomimetika zur Prophylaxe von Asthmaanfällen war zu Beginn der 70er Jahre umstritten, weil mit steigendem
Verbrauch der Dosieraerosole auch die Mortalität bei Asthma bronchiale in Großbritannien, Norwegen, Irland, Australien und anderen westlichen
Ländern zunahm (vgl. a-t 8 [1972], 34). Seit Mitte der 70er Jahre gewinnen lokal wirksame Kortikosteroide Bedeutung in der Behandlung allergischer
Erkrankungen der Atemwege (vgl. a-t 5 [1975], 36). Inhalative Glukokortikoide können die bronchiale Hyperreagibilität wirksam dämpfen. Seit der
zweiten Hälfte der 80er Jahre geben einige Fachleute den inhalierbaren Kortikosteroidpräparaten selbst bei mildem Asthma bronchiale den Vorzug
gegenüber Dosieraerosolen mit Adrenalin-Abkömmlingen (vgl. a-t 11 [1988], 94).
Präventive Gaben von Betasympathomimetika nach einem starren Schema zur Langzeitprophylaxe von Asthmaanfällen sind in Kritik geraten. Die
Deutsche Atemwegsliga hält seit Frühlingsbeginn 1992 die frühere Standardtherapie von täglich viermal zwei Hüben eines Betaagonisten
für überholt und empfiehlt statt dessen die symptomorientierte, bedarfsweise Verwendung solcher Dosieraerosole bei akuten Asthmaanfällen.
Die spekulativen Vorstellungen über eine Gefährdung durch Dosieraerosole vom Prototyp des Fenoterol (BEROTEC) wichen inzwischen der
Überzeugung, daß Beta2-Sympathomimetika für die Herz- und Lungenfunktion sowie das Plasmakalium schädliche Wirkungen haben
können (vgl. a-t 2 [1991], 22).
Daß der regelmäßige Gebrauch inhalativer Betasympathomimetika vom Typ des Salbutamol (TERBUTALIN u.a.) oder besonders Fenoterol
(BEROTEC) mit einem erhöhten Risiko assoziiert ist, an Asthma bronchiale zu sterben oder in lebensbedrohliche Krisen zu geraten, lassen erneut
Untersuchungen aus Kanada vermuten.1 Die Letalität korreliert direkt mit der Anzahl der monatlich pro Patient verordneten Dosieraerosole. In einem
Begleiteditorial zu dieser Veröffentlichung ist vom "Betaagonistendilemma" die Rede.2 Einerseits helfen sie ausgezeichnet in der akuten
Atemnot, andererseits nutzen sie relativ wenig, wenn in späteren Phasen des Asthma bronchiale chronisch entzündliche Veränderungen das
Krankheitsbild bestimmen.
Kommt bei der Suche nach weniger riskanten Alternativen der Inhalation von Kortikosteroiden ein höherer Stellenwert für Asthmapatienten jeden
Lebensalters und Schweregrades zu? Neue, noch unveröffentlichte klinische Daten, die auf einem vom schwedischen Pharmaunternehmen Astra
geförderten Pressegespräch in England vorgetragen wurden, sollen den Nutzen der inhalierbaren Kortikosteroide bei Asthma bronchiale belegen
bezogen auf die damit erreichbare Abnahme der Sterblichkeit an Asthma bronchiale sowie der Zahl der Akutaufnahmen in der Pädiatrie dänischer
Krankenhäuser. Diese soll um etwa zwei Drittel abgenommen haben, seit Kortikosteroid-Dosieraerosole als Mittel der ersten Wahl verwendet werden. Auch
Kinder erhielten relativ hohe Dosen von etwa 800 µg/Tag Budesonid (PULMICORT) für die Dauer von 6 bis 8 Wochen.3
Hochdosierte Kortikoid-Aerosole können systemisch eine Supprimierung der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenachse bewirken. So kennt man
beispielsweise von Beclomethasondipropionat (SANASTHMYL, VIAROX) systemische Effekte (vgl. a-t 8 [1990], 75).
Das Längenwachstum von Kindern unter 10 Jahren und die Nebennierenrindenfunktion leiden selbst unter konventionellen Dosen, die im Kindesalter als
unbedenklich angesehen werden (400 - 800 µg Beclomethasondipropionat täglich für 3- bis 5jährige). Erwachsene sollen bis 1.600 µg
Beclomethason täglich ohne besondere Folgen vertragen.4
FAZIT: Wenn der Bedarf für Betaagonisten steigt, weil sich das Asthma verschlechtert hat, so ist dies ein Zeichen für die Notwendigkeit einer
antientzündlichen Behandlung z.B. mittels wirksamer Kortikosteroidaerosole. Die Domäne der Betaagonisten bleibt die Linderung von
Akutbeschwerden. Hier ist ihr Stellenwert nach wie vor trotz aller Bedenken gegeben. Kritisch zu werten ist ihre regelmäßige, einem starren Schema
folgende Verwendung.2
Vielleicht helfen regelmäßige Kortikosteroidinhalationen, ein Paradoxon in der Medizin abzubauen, nämlich daß bei intensivierten
Behandlungsmöglichkeiten die Sterblichkeit der Asthmakranken zunimmt. Für Erwachsene läßt sich die präventive Gabe inhalativer
Kortikosteroide uneingeschränkt bejahen. Solange das Längenwachstum nicht abgeschlossen ist, scheint jedoch bei Kindern eine wohlkalkulierte
Dosisbegrenzung angezeigt, insbesondere dann, wenn Kortikosteroide neben der Inhalation auch systemisch verabfolgt werden.
1 | SPITZER, W. O. et al.: N. Engl. J. Med. 326 (1992), 501 |
2 | BURROWS, B., M. G. LEBOWITZ: N. Engl. J. Med. 326 (1992), 560 |
3 | Scrip 1675 (1991), 25 |
4 | WALES, J. K. H. et al.: Lancet 338 (1991), 1535 |
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