Die Angaben in Ausgabe a-t 6/92 kann man für Essen (630.000 Einwohner) nur bestätigen.
Seit 1970 bin ich in Essen nervenärztlich tätig, seit 1975 in der Innenstadt niedergelassen, um so augenfälliger sind die Veränderungen der
letzten Jahre. Wer vom Hauptbahnhof über die Kettwiger Str. (beste Fußgängereinkaufszeile Essens) in Richtung Porscheplatz geht, muß seine
Füße heben, um nicht über ROHYPNOL- und Secobarbital, Brallobarbital, Etodroxizin (VESPARAX)-Schachteln zu stolpern, muß seine Augen
offen halten, um nicht mit schwankenden ROHYPNOL-Zombies (Hosen mit Durchfall und Urin durchweicht, das Hemd voller Erbrochenem)
zusammenzustoßen.
In Essen gibt es fast täglich einen Drogentoten, viele finden sich unter den Büschen der Innenstadtanlagen (Todesursache meist Vergiftungen und
Kreislaufstillstand oder Ersticken durch Erbrochenes) nach Injektionen von oftmals gemischten ROHYPNOL-Heroin-Lösungen.
Nachdem solche Mittel wie Fenetyllin (CAPTAGON) und Methylphenidat (RITALIN) schon seit Jahren BTM-pflichtig sind, erscheint es mir rätselhaft, wieso
ROHYPNOL und sämtliche Barbiturate diesem Schicksal immer noch entgangen sind. Welcher Arzt braucht sie demnach überhaupt noch? Dagegen
richtet Kodein nach meinen Beobachtungen keine solchen desolaten Schäden an; die Leute wirken ruhig und geordnet, weil substituiert, also
"normalisiert", obwohl ich hier nicht einer Kodeinsubstitution das Wort reden möchte.
Dr. med. R. SCHWARZ (Arzt für Neurologie und Psychiatrie)
W-4300 Essen 1
Nach einem Jahr als Assistenz-/Stationsarzt eines akut-psychiatrischen Krankenhauses kann ich angeben, daß von den zur freiwilligen Entgiftung
aufgenommenen Heroinabhängigen fast alle ROHYPNOL konsumierten. Die wenigen, die es nicht taten, nahmen z.B. Temazepam (REMESTAN u.a.) oder
Diazepam (VALIUM u.a.). Ich kann also bestätigen, daß Benzodiazepine als Drogenersatzstoffe eine dominante Stellung haben, wobei mit Abstand
ROHYPNOL die 1. Wahl darstellt. Die Dosis lag meist bei 3-6 Stück pro Tag. Laut Drogenabhängigen war der Preis auch gut erschwinglich; die meisten
nahmen aber Benzodiazepine nicht täglich ein, sondern je nach Heroinangebot bzw. -deckung, was z.B. Entzugsanfälle möglich macht...
Eine veränderte Verschreibungsverordnung hätte wohl nur Sinn, wenn sie alle Benzodiazepine erfassen würde vgl. oben die gelegentlichen
Ausweichpräparate.
Dr. med. M. ARMBRUST
W-2360 Gross-Gladebrügge
In den letzten Jahren berichten immer mehr Patienten über einen zum Teil exzessiven Gebrauch von Flunitrazepam. Sie geben dabei an, daß sie gezielt
dieses Benzodiazepin-Präparat suchen. Zum Teil wird den abhängigen Patienten Flunitrazepam in großen Mengen von Ärzten verschrieben.
Dieses geschieht auf dem sogenannten Feld der "grauen Substitution". In diesem Zusammenhang werden neben Flunitrazepam große Mengen von
Kodein-Präparaten abgegeben. Darüber hinaus gibt es einen ausgesprochenen Drogenmarkt für Flunitrazepam. Flunitrazepam wird in der Szene in
großem Umfange gedealt. Es ist inzwischen für eine Vielzahl von drogensüchtigen Patienten zu einer kontinuierlich gebrauchten Droge geworden.
Insbesondere wird Flunitrazepam in hohen Dosierungen zwischen 10 und 20 Tabletten à 2 mg zusammen mit Kodeinmitteln als Ersatz für Heroin
benutzt. Darüber hinaus wird Flunitrazepam zusammen mit Heroin benutzt, teils auf oralem Weg zugeführt, teils werden die Tabletten zusammen mit Heroin
aufgekocht und anschließend als Mischung injiziert. Gerade diese Mischung ist extrem gefährlich, birgt hohe Risiken von Atemdepression. Ich selbst habe
mehrere Notfallsituationen bei Patienten erlebt, die mit Flunitrazepam intoxikiert waren. Darüber hinaus habe ich einen Patienten betreut, der unter Flunitrazepam
gefährliche paradoxe Erregungszustände bekommen hat. In Zuständen mit schwerer Bewußtseinsstörung, die Dämmerattacken
nahegekommen sind, hat dieser Patient große Verwüstungen, zum Teil mit Brandstiftung angerichtet.
Aus meiner Erfahrung als niedergelassener Psychiater und Psychotherapeut und der Tätigkeit in einer Einrichtung der ambulanten Suchtrehabilitation stelle ich
fest, daß Flunitrazepam in der Suchtszene eine zunehmende und große Verbreitung hat. Es wird spezifisch anderen Benzodiazepin-Präparaten
vorgezogen. Zusammen mit Kodein ist es ein Ersatz für Heroin. Darüber hinaus wird es bei einer immer größeren Zahl von polytoxikomanen
Patienten als Beigebrauch zu Heroin benutzt. Dieses birgt besondere Gefahren, vor allem wegen der zu beobachtenden schweren aggressiv-destruktiven paradoxen
Reaktionen.
R. STEFFEN
Arzt für Psychiatrie/Psychotherapie
W-6630 Saarlouis
Seit Monaten ist der erhöhte ROHYPNOL-Bedarf der Fixer, die ich seit Jahren als Kunden habe, festzustellen. Nach Ihrem Artikel habe ich ca. zehn von ihnen
nach dem Gebrauch befragt. Alle gaben an, wegen des hohen Heroinpreises (1,0 ca. 135,-- DM) die Kombination von Heroin und ROHYPNOL zu wählen.
Durchschnittlich wurden 4 bis 8 ROHYPNOL/Tag verwendet.
D. FROMM
Sonnen-Apotheke
W-4132 Kamp-Lintfort
Auch in der Drogenszene Wiens spielt ROHYPNOL eine große Rolle. Es wird insbesondere zusammen mit Alkohol, aber auch anderen Substanzen als
"Wiener Mischung" in großem Stil von polytoxikomanen Patienten konsumiert. Neben PARACODIN ist es das von Suchtpatienten am
häufigsten in der Praxis begehrte Präparat. Es findet sich auch stets auf von Suchtpatienten gefälschten Rezepten. Nicht zuletzt die von Patienten
behauptete Anwendung von ROHYPNOL in Strafanstalten fördert diese Entwicklung.
Dr. F. MAYRHOFER, prakt. Arzt
Bezirksrat in Mariahilf
A-1060 Wien
...Ein anderer Aspekt erscheint mir beim Gebrauch von Flunitrazepam bedeutend: Flunitrazepam wird beim üblichen Urin-Drogenscreening im Block der
Benzodiazepine nicht miterfaßt und muß deshalb im Urin gaschromatographisch als Sonderanforderung oder im Blutserum nachgewiesen werden.
Dr. med. K. RIEDE
W-7070 Schwäbisch Gmünd
Insbesondere Flunitrazepam (ROHYPNOL) wird wegen seiner starken psychotropen Wirkung in überdurchschnittlich hohen Dosierungen von
Opiatabhängigen konsumiert. Es führe zu schwersten Verhaltensstörungen, die therapeutische Intervention häufig unmöglich mache,
entnehmen wir dem Westfälischen Ärzteblatt 7 (1992), 348. Die Westfälische Rundschau vom 2. Juli 1992 schreibt über ROHYPNOL "Als
Beigebrauch zum Heroin". Im Raum Dortmund sollen Zahlen belegen, daß von 50 Drogentoten 30 ROHYPNOL genommen hatten. Nach Aussagen einer
Selbsthilfegruppe in Dortmund gibt es einzelne Ärzte, die ROHYPNOL oftmals in größeren Mengen verschreiben, obwohl als Folge der
unkontrollierten Einnahme Schadwirkungen bekannt seien wie Gedächtnis-, Seh- und Koordinationsstörungen, Muskelschwäche oder auch
Artikulationsschwierigkeiten und Atemnot (Red.).
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