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vorheriger Artikela-t 1992; Nr.12: 128-30 
Dokumentation

ZEITTAFEL – ...Aids und HIV-Infektionen

1982

16. Juli 1982: Die US-amerikanische Seuchenbehörde CDC in Atlanta/USA berichtet über die ersten 3 Pneumocystis-carinii-Pneumonien – eine AIDS-definierende Erkrankung – bei Blutern im wöchentlich erscheinenden, in allen Ländern der Welt stark verbreiteten Berichtsheft MMWR "Morbidity Mortality Weekly Report".

Im Dezember 1982 erscheint im MMWR ein Update über 8 AIDS-Fälle bei Blutern.

1983

18. Februar 1983: Im Deutschen Ärzteblatt berichtet das Bundesgesundheitsamt (BGA) über die auch in Deutschland neu aufgetretene Infektionskrankheit AIDS, führt die AIDS-definierenden Erkrankungen (u.a. progressive multifokale Leukenzephalopathie PML) auf und weist daraufhin, daß Empfänger von Faktor-VIII-Konzentraten besonders betroffen sind.

4. April 1983: Im "Bundesgesundheitsblatt" erscheint unter Seuchenhygiene der Artikel: "Erworbene Immundefekte, eine neue Infektionskrankheit AIDS", in dem ausführlich die einzig möglich erscheinende infektiöse Ursache abgeleitet wird.

30. April 1983: Der Habilitand Dr. RIES von der Universitäts-Nervenklinik Bonn berichtet dem BGA über einen Bluter, der im April 1982 an autoptisch gesicherter progressiver multifokaler Leukenzephalopathie, einer AIDS definierenden opportunistischen Infektion, gestorben war, und weist darauf hin, daß wegen der zahlreichen Hämophilie-Patienten an den Bonner Universitäts-Kliniken mit ähnlichen Fällen zu rechnen ist.

Der Kontakt zum BGA bricht ab, weil sein Chef verbietet, der Behörde weitere Informationen zu geben. – Bei dem Verstorbenen handelt es sich um einen Patienten des Bonner Hämophiliespezialisten Dr. BRACKMANN.

Im Bericht des Bundesgesundheitsministeriums an den Bundestag vom 30. Nov. 1992 wird hingegen behauptet, "erstmals im Dezember 1983 ist ... dem BGA eine AIDS-Erkrankung bei einem Hämophiliepatienten in der Bundesrepublik Deutschland bekannt geworden."

18. Juni 1983: Erstes Rundtischgespräch über AIDS bei Hämophilen in Frankfurt/Main. Prof. MONTAGNIER (Paris) berichtet dabei über das von ihm entdeckte Retrovirus "LAV" und führt aus, warum er dieses Virus für den Erreger von AIDS hält (u.a. sind Prof. EGLI und Dr. BRACKMANN von der Hämophilieambulanz der Universität Bonn anwesend).

In dem 1984 veröffentlichten Berichtsband über das Rundtischgespräch bedauert Frau Prof. M. EIBL (Gattin des Besitzers der Fa. Immuno und Sponsor der Veranstaltung), daß der Bonner Fall in Lancet vom 10. Dez. (2 [1983], 1370) als AIDS-Fall bezeichnet wird. Vielmehr sei der Patient an chronischer Hepatitis (durch Übertragung mit Hepatitis-B-Viren verunreinigter Faktor-VIII-Konzentrate) und einem möglichen Alkoholkonsum gestorben.

Der Virologe Prof. DEINHARDT behauptet, dieser Patient sei "erroneously" vom BGA als erster deutscher AIDS-Fall bei einem Bluter im oben genannten Lancet-Artikel aufgeführt worden. EIBL und DEINHARDT argumentieren: Da in Deutschland fast ausschließlich Faktorkonzentrate aus USA-Plasma in wesentlich höheren Dosierungen als international üblich gegeben werden (über 10fach), es aber noch keinen AIDS-Fall gibt, können diese Präparate nicht mit AIDS-Fällen in Zusammenhang gebracht werden.

23. Juni 1983: Leser des a-t 6 (1983), 59 werden gewarnt: Es bestehe die Gefahr, "daß durch den Import von Faktor-VIII-Präparaten aus den USA das dort häufigere, jetzt viel diskutierte AIDS-Syndrom in die Bundesrepublik" gelangt.

6. Sept. 1983: Das BGA erklärt: "Nationale Unabhängigkeit im Hinblick auf Blutprodukte ist anzustreben."

14. Nov. 1983: Das BGA führt im Rahmen der Stufe 2 des gesetzlich vorgeschriebenen Stufenplans zur Abwehr von Arzneimittelrisiken eine Sondersitzung über Faktor VIII und AIDS durch. Ergebnis: Es besteht begründeter Verdacht, daß die Erreger der AIDS-Seuche durch Gerinnungskonzentrate übertragen werden.

15. Nov. 1983: Das Bundesamt für Sera und Impfstoffe (Paul-Ehrlich-Institut) gibt die Charge 011 des Impfstoffes HEVAC B nicht frei, weil das Ausgangsmaterial außereuropäisches Plasma enthält und Zweifel am Virusinaktivierungsverfahren bestehen. In einem sich hieran anschließenden Verwaltungsrechtsstreit wird dem Paul-Ehrlich-Institut vom Gericht eine entsprechende Auflagenbefugnis zuerkannt.

1984

Mai 1984: GALLO publiziert in Science die Entdeckung von HTLVIII als AIDS-Erreger und beschreibt einen Antikörpertest. Dieser und entsprechende Bestätigungstests werden in den folgenden Monaten auch von mehreren deutschen Labors aufgebaut. Damit werden in wenigen Wochen Tausende von Tests auch an Hunderten von Bluterseren durchgeführt.

13. Okt. 1984: Die "National Hemophilia Foundation" in den USA empfiehlt die ausschließliche Verwendung hitzebehandelter Plasmagerinnungspräparate.

26. Okt. 1984: Im MMWR erscheint erneut ein Update über AIDS bei Blutern. Es wird über die Ergebnisse von Untersuchungen der Firma Cutter (führender Konzentrathersteller in den USA) zur erfolgreichen Inaktivierung von zugesetzten infektiösen HTLVIII in lyophilisierten Ampullen von Faktor- VIII-Konzentraten durch Wärmebehandlung berichtet. Mit diesem Verfahren könnten also in wenigen Wochen durch eine relativ einfache Wärmebehandlung bereits in Ampullen befindliche Faktor-VIII-Konzentrate nachträglich virussicher gemacht werden.

26. Okt. 1984: 2. Rundtischgespräch von deutschen Hämophilie-Ärzten. Wichtigste Ergebnisse nach Diskussionen:

  1. WERNET (Koautor: BRACKMANN) berichtet über (bereits im August 1984 durchgeführte und auf einem internationalen Meeting vorgetragene) Untersuchungen über HTLVIII-Antikörper im Blut von 164 Faktor-VIII-Konzentratempfängern. 29 dieser Bluter hatten 3 Jahre lang ausschließlich hitzebehandelte Konzentrate bekommen.
    Von den 135 mit konventionell hergestellten Präparaten behandelten Blutern waren 81 (60%) positiv, von den 29 ausschließlich mit virusinaktivierten Konzentraten behandelten Blutern war keiner positiv.
  2. In konventionell hergestellten Faktorkonzentraten wurden keine Antikörper gegen HTLVIII gefunden.
  3. DEINHARDT wies darauf hin, daß bei dieser Patientengruppe der Befund HTLVIII-Antikörper positiv nur bedeuten kann, daß der Untersuchte Virusträger ist, weil sich die Virusantigene im Körper des Infizierten durch Virusvermehrung gebildet haben müssen, um die Antikörperproduktion auszulösen.
  4. Die Professoren LANDBECK und SCHRAMM nehmen nach den bei diesem Rundgespräch gehaltenen Vorträgen zur Frage Stellung: Muß man bei diesem Erkenntnisstand nicht allen Blutern ab sofort nur noch virusinaktivierte Faktorkonzentrate geben? (Verantwortliches ärztliches Handeln kann bei diesem Erkenntnisstand nur bedeuten, daß ab sofort keine Bluter mehr mit üblichen, ohne Virusinaktivierung hergestellten Präparaten behandelt werden sollten. Eine Umstellung der Therapie auf virussichere Konzentrate sollte umgehend erfolgen.)

12. Dez. 1984: Im Bescheid zu den Widersprüchen pharmazeutischer Unternehmer behält sich das BGA vor, "zu einem späteren Zeitpunkt die Durchführung bestimmter Inaktivierungsverfahren vorzuschreiben".

1985

1. März 1985: In den USA wird ein kommerzieller Antikörpertest für die Erkennung HIV-positiver Spender behördlich zugelassen, der sofort auch flächendeckend in der Bundesrepublik verfügbar ist und im Saarland unverzüglich im Blutspendewesen Anwendung findet. Trotz der Gefahrenlage gewährt das BGA den pharmazeutischen Unternehmen eine lange Frist bis zum 1. Okt. 1985 für Kontrollen der Plasmaspender mit Hilfe des Antikörpertests.

1. Okt. 1985: Nur auf HIV getestete Faktor-VIII-Präparate dürfen in der Bundesrepublik in Verkehr gebracht werden. Ein Chargenrückruf für aus ungetestetem Material hergestellte Pharmaprodukte wird von den Behörden jedoch nicht veranlaßt. Die Hersteller nutzen dies, um noch vorhandene ungetestete Handelsware abzuverkaufen.

1986

4. Jan. 1986: Im Fernsehen des WDR 3 stellt Prof. EGLI, Hämophilieambulanz der Universitätsklinik Bonn-Venusberg, fest: "... Die Blutpräparate, die die Hämophilen benötigen, können einer Hitzebehandlung unterworfen werden, und von dieser Hitzebehandlung wissen wir, daß dieses hochempfindliche AIDS-Retrovirus diese Hitzebehandlung nicht toleriert und dadurch abstirbt ... Das wird mit allen Präparaten gemacht, die Bluterkranke bekommen." (An diese als Stand der medizinischen Erkenntnis einzustufende Äußerung des Klinikchefs EGLI hat sich die Klinik selbst nicht gehalten. In der Bonner Universitätsklinik wurden weiterhin im großen Umfang "kaltsterilisierte" PPSB-Biotest-Präparate verordnet. Mindestens vier Patienten der Klinik haben sich mit dem Biotest-Plasmapräparat 1990 infiziert.)

9. Okt. 1986: Die Universitätsklinik Frankfurt meldet an das BGA die HIV-Infektion einer 59jährigen Patientin nach Behandlung mit Faktor-IX- Konzentrate-Komplex. (Angeblich konnte das BGA den Fall keinem bestimmten Hersteller zuordnen, obwohl es sich um PPSB-"BEHRING" handelte) . Wenige Wochen später berichtet die Klinik an das BGA zwei weitere HIV-Infektionen bei Frauen nach PPSB-"BEHRING".

13. Okt. 1986: Das BGA begehrt von den pharmazeutischen Unternehmen Auskunft u.a. über die angewendeten Inaktivierungsverfahren für Faktor VIII, nachdem in Einzelfällen Serokonversionen bei zuvor HIV-negativen Patienten nach Umstellung auf hitzeinaktivierte Präparate aus US-Plasma berichtet worden sind (z.B. in Lancet vom 5. April 1986 [1 [1986], 803]). Einem Trockenerhitzungsverfahren unterzogene Plasmapräparate übertragen bei 80% aller Patienten Hepatitis-Viren!

1. Dez. 1986: Die Tageszeitung "Die Welt" übernimmt eine dpa-Meldung aus Bonn unter der Überschrift "Keine Gefahr für Bluter". Anfang 1985 habe das Bundesgesundheitsamt für die in der Bundesrepublik vertriebenen Arzneimittel Herstellverfahren angeordnet, mit denen die Übertragung von AIDS durch diese Präparate ausgeschlossen werde... Die Gefahr für die Übertragung von AIDS-Viren sei bis vor anderthalb Jahren möglich gewesen, jetzt aber gebannt. (Diese irreführende Nachricht übernimmt "Der Spiegel" und behauptet, seit dem 1. Okt. 1985 dürften nur noch AIDS-sichere [= "inaktivierte"] Gerinnungsfaktorenkonzentrate in den Handel gebracht werden – z.B. in Heft 47/91.)

1987

27. Mai 1987: Das BGA teilt den pharmazeutischen Unternehmern die Einstellung des Stufenplanes zu Faktor-VIII-haltigen Arzneimitteln mit. Es sei "nicht erkennbar", daß Unterschiede in der Virusinaktivierung "zwischen den einzelnen Verfahren" zur Keimfreimachung "bestehen ...". "Keine Notwendigkeit für Maßnahmen zur Risikoabwehr."

1. Juli 1987: Die Immuno-Geschäftsleitung schreibt an das Bundesministerium für Gesundheit:

"Sehr geehrter Herr Prof. STEINBACH, ... liegt eine Kopie des Schreibens vom BGA vom 27. Mai d.J. bei, in dem die Einstellung des im Herbst letzten Jahres eingeleiteten Stufenplanverfahrens für Faktor-VIII-haltige Arzneimittel bekanntgegeben wird... Die Begründung, daß nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand nicht erkennbar ist, ob in Bezug auf die Wirksamkeit der Virusinaktivierung zwischen einzelnen Verfahren Unterschiede bestehen, hat in den Fachkreisen ungläubiges Kopfschütteln ausgelöst ... Faktor-IX-haltige Präparate haben bei Hämophilie-B-Patienten in nahezu gleichem Ausmaß wie Faktor-VIII- haltige Arzneimittel bei Hämophilie-A- und WILLEBRAND-Patienten zur Anti-HIV-Positivität geführt. Darüber hinaus dürfte es durch Faktor- IX-haltige PPSB-Präparate auch in den sonstigen klinischen Anwendungen (z.B. MARCUMAR-Blutungen) zu einer unbekannten Zahl von HIV-Infektionen gekommen sein."

28. Juli 1987: In einer internen Stufenplansitzung des BGA kommt es zu einem Kompetenzstreit über die Zuständigkeit der einzelnen BGA- Institute für HIV-Infektionen bei Blutprodukten. Das Robert-Koch-Institut des BGA schlägt Alarm, weil noch immer Abwehrmaßnahmen für Faktor-IX-PPSB-Präparate ausstehen.

12. Aug. 1987: Das BGA leitet erstmals ein Stufenplanverfahren der Stufe 1 für Blutgerinnungspräparate außer Faktor VIII ein, um von den Herstellern Auskünfte über die angewandten Virusinaktivierungsverfahren zu erlangen. "Seit Einführung des HIV-Antikörpertests anläßlich jeder Blutspende ... wird eine Übertragung durch Blut bzw. Blutprodukte als praktisch ausgeschlossen betrachtet."

1990

1. April 1990: Die Charge 1601089 des angeblich virussicheren kaltsterilisierten PPSB "BIOTEST"-Gerinnungskonzentrates kommt außer Handel, weil Empfänger des Produktes HIV-infiziert worden sind. (Bis November 1992 werden 11 HIV-Infektionen und mindestens 2 Hepatitis-C-Infektionen erfaßt.)

17. Juli 1990: In einer Stufenplan-Routinesitzung des BGA lehnt Dr. Gottfried KREUTZ – der für Arzneimittelsicherheit zuständige BGA- Abteilungsleiter – Maßnahmen zur Gewährleistung der Chargenrückverfolgung bei Blutprodukten bis zum Patienten ab (Dokumentation der Charge des verabreichten Präparates in der Patienten-Krankengeschichte durch Abrißetiketten auf der Packung).

1991

23. Aug. 1991: Wir berichten im arznei-telegramm 8 (1991), 71, daß das Biotest-Inaktivierungsverfahren mittels "Kaltsterilisation" bei mit HIV hochbelastetem Ausgangsmaterial versagt, daß Plasmaspender für das Biotest-Präparat nachträglich als Träger des HI-Virus erkannt worden sind und daß eine Überprüfung des Biotest-Verfahrens zur Keimfreimachung durch das Paul-Ehrlich-Institut ein Überleben von HI-Viren im Plasma trotz Kaltsterilisation zeigt. (Die Untersuchung bleibt auf Druck des Herstellers unveröffentlicht.)

12. Dez. 1991: In der Fragestunde des Bundestages bezieht die Bundesregierung zu der Frage Stellung, ob es durch während der diagnostischen Lücke gespendetes Blut zu HIV-Infektionen gekommen ist. Dem BGA sind zwei Fälle in diesem Bereich bekannt. (Hier räumen die Aufsichtsbehörden erstmals die Lückenhaftigkeit der amtlichen HIV-Risiko-Abwehrmaßnahmen ein.)

1992

23. März 1992: In der Bundestagsdrucksache 12/2323 erhält das Parlament von der Bundesregierung irreführende Auskünfte. Auf die Frage des Abgeordneten H. SCHMIDBAUER, ob die Unterlassung von Abwehrmaßnahmen durch das BGA nicht verhindert habe, daß das Restrisiko einer Virusinfektion auf das "unvermeidliche" Ausmaß reduziert wurde, antwortet die Regierung, daß sie diese Auffassung nicht teile. "Die Durchführung von Virusinaktivierung/-eliminierung, deren Effektivität belegt sein muß", seien "ergänzende Maßnahmen" zum Ausschluß einer HIV-Übertragung auf Empfänger von Blutprodukten.

3. Nov. 1992: In einer Pressekonferenz im Bonner Bundeshaus wird ein Patient vorgestellt, der sich eine HIV-Infektion durch ein prophylaktisch gegebenes PPSB-Konzentrat der Firma Immuno zugezogen hat. Den Verantwortlichen in den Gesundheitsbehörden wird Untätigkeit bei der Absicherung von Arzneimitteln aus Blutbestandteilen vorgeworfen.

11. Nov. 1992: Bundesminister SEEHOFER kündigt einen Ergänzungsbericht an das Parlament zur HIV-Infektionsgefährdung durch Blutprodukte an. Er sieht keinen Anlaß für personelle Konsequenzen gegenüber Mitarbeitern des Bundesgesundheitsamtes oder des Ministeriums.

20. Nov. 1992: Auf einer Veranstaltung der Universität Bremen erläutert ein mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes vertrauter Richter, welche Blutprodukte im Sinne § 5, Abs. 2 AMG "bedenklich" erscheinen. Es sind dies Blutgerinnungspräparate, die nicht den neuesten Erkenntnissen über die Keimfreimachung entsprechen und deren Ausgangsmaterial unvertretbare Risiken beinhaltet. Hierzu gehören Blutspenden aus dem außereuropäischen Ausland und Produkte, die aus dem Blut bezahlter Spender stammen, wenn zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens andere Versorgungsquellen zur Verfügung stehen. Die Produktbeachtungspflicht gebietet dann, andere Bezugsquellen zu erschließen: "Die Erkennbarkeit des konkreten Krankheitserregers ist nicht die Voraussetzung für die Verkehrssicherung."

FRAGEN, DIE DAS BGA NICHT BEANTWORTET

Das Bundesgesundheitsamt sieht sich außerstande innerhalb eines Monats den nachstehenden Fragenkatalog zu beantworten, der dem Bundesgesundheitsamt (BGA) am 12. November 1992 zuging:

  1. Wurde das BGA vom vorgesetzten BMG gehindert, ein Virusinaktivierungsverfahren vorzuschreiben, oder blieb die Abt. G V des BGA in eigener Verantwortung entgegen der Sachverständigen-Ber
  2. atung durch virologisch geschulte Mitarbeiter des BGA bei der Stufenplansitzung am 28. Juli 1987 untätig?
  3. Wenn ja, werden disziplinarische Maßnahmen gegen den Leiter der Abt. G V von der Amtsleitung veranlaßt?
  4. Wie erklärt das Institut für Arzneimittel ... die angebliche gesetzliche Vorgabe, die dem BGA keine Befugnis einräume, bestimmte Herstellungsverfahren anzuordnen, wenn das Verwaltungsgericht Frankfurt entsprechende Anordnungen am Beispiel der Charge 10 des Hepatitis-Impfstoffes HEVAC B des Paul-Ehrlich-Instituts als rechtens bestätigt und zudem die Einfuhr von außereuropäischem Plasmaausgangsmaterial als Nicht- Freigabegrund einer Charge als rechtmäßig erkannt hat?
  5. Wie will das Bundesgesundheitsamt die Unterlassung von Qualitätsvorgaben im Sinne § 5 AMG in bezug auf Virusfreiheit bzw. Virusabreicherung weiterhin aufrecht erhalten, wenn – experimentell bewiesen durch die Biotest-PPSB-Chargen-Kontamination mit HIV-Infektion von 11 Patienten und AIDS- Folgen bei wenigstens drei Patienten sowie zusätzlicher HCV-Serokonversion im Jahr 1990 – seit 1985 im Schrifttum feststeht, daß die Hitzeinaktivierung in bezug auf Virussicherheit den Goldstandard für Inaktivierungsmaßnahmen darstellt?
  6. Wird das Bundesgesundheitsamt für die Folgen der Unterlassung im Sinne der Staatshaftung für die bei den Betroffenen eingetretenen Körperschäden aufkommen, nachdem einige der HIV-Infizierten mit quasi Almosen von der haftenden Versicherung definitiv auch gegenüber Ansprüchen Dritter abgefunden wurden?
  7. Wie beurteilt der Präsident des Bundesgesundheitsamtes, daß im Institut für Arzneimittel ausschließlich zwei Nichtmediziner (Chemiker) ohne medizinische oder virologische Vorkenntnisse die Virussicherheit von Medikamenten aus menschlichem Material zu beurteilen hatten?
  8. Weshalb firmiert in der Stellungnahme des Bundesgesundheitsamtes für den Bundesminister für Gesundheit vom 28. Febr. 1992 als Berichterstatter ein Mitarbeiter, obwohl er zum Zeitpunkt der Absendung der Stellungnahme bereits drei Tage verstorben war, und die Stellungnahme von Dritten einschneidende Veränderungen erfahren hatte?
  9. Weshalb erweckt das Bundesgesundheitsamt mit der Beantwortung der Fragen 7 und 8 (Bundestagsdrucksache 12/2323) den Anschein, es seien von Amts wegen Virusinaktivierungsverfahren für Plasmaderivate vorgeschrieben worden, obwohl tatsächlich eine solche Anordnung oder Vorschrift sowohl für Faktor-VIII- als auch Faktor-IX-Präparate fehlt?


© 1992 arznei-telegramm

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