Raucher, die auf ihre gewohnten Zigaretten verzichten, werden unruhig und reizbar, leiden unter Konzentrationsstörungen, Schlaflosigkeit und
Angst.1 Nikotin freisetzende Pflaster (NICOTINELL TTS u.a., vgl. a-t 5 [1991], 42) oder Kaugummis
(NICORETTE, vgl. a-t 8 [1984], 62) wecken Hoffnungen auf Erfolg bei der Entwöhnung. Niedrigdosierte 2-mg-Nikotinkaugummis sind seit Jahresbeginn
rezeptfrei erhältlich.
Die besten Ergebnisse bringen Ersatzmittel in Raucherentwöhnungskliniken. Hier lassen sich mit Nikotinkaugummis die Einjahres-Abstinenzraten
gegenüber Plazebo fast verdoppeln (13% vs. 23%).2 Die ambulante Verordnung verspricht nur kurzfristig Erfolg. Erst zusätzliche Beratung,
Unterstützung durch Entwöhnungsgruppen u.ä. verhelfen Exrauchern zu anhaltender Abstinenz.2,3
Nach einer Auswertung von insgesamt 28 einjährigen randomisierten Studien nützen 2-mg-Nikotinkaugummis schwach Abhängigen nicht
mehr als Plazebo oder gar kein Medikament. Dagegen erhöht der Zigarettenersatz die Erfolgsquoten der stark süchtigen Entwöhnungswilligen.
Besser aber wirken in dieser Gruppe 4-mg-Kaugummis.4 Raucher mit stärkster Abhängigkeit, die bereits beim Aufwachen nach einer
Zigarette verlangen, haben mit den hochdosierten Kaugummis die größten Erfolgsaussichten.4
Langfristige Abstinenzraten lassen sich aus solchen Untersuchungen nicht ableiten. Dies gilt auch für eine weitere Metaanalyse,5 die sechsmonatige
Studien miteinschließt. Die Spätfolgen des "Synapsenölers" Nikotin sind nicht zu unterschätzen. Lange nachdem die akuten
Entzugssymptome verschwunden sind, kann ein Rückfall einsetzen, der vielen Ex-Rauchern zu schaffen macht (a-t 8 [1986], 69).
Die Anwendungsregeln für Kaugummis werden häufig mißachtet, da sie kompliziert sind. Längst nicht alle Entwöhnungswilligen kauen
wie empfohlen in den ersten zwei bis drei Monaten stündlich langsam etwa 30 Minuten lang ein Kaugummi, insgesamt 12 bis 16 Stück
täglich.3,6,7 Konsum "nach Bedarf" bringt keine besseren Ergebnisse als Plazebo.7 Getränke wie Kaffee, Fruchtsäfte
und Bier, die den Speichel ansäuern, mindern die Nikotinaufnahme. Sie sind vor und während des Kauens ebenso zu meiden wie zuckerhaltige
Kaugummis, die manche Patienten zur Verbesserung des mitunter unangenehmen, pfefferigen Geschmackes verwenden.6,9
Nikotinkaugummis können die Mundschleimhaut schädigen und Kieferschmerzen, Masseter-Hypertrophie, Übelkeit sowie Schäden an
Zahnfüllungen und -ersatz (vgl. a-t 4 [1985], 32) verursachen.6,10 Auch schwere Komplikationen einschließlich Myokardinfarkt sind beschrieben.
Wer trotz Kaugummis weiterraucht, muß mit höheren Nikotinspiegeln im Blut als gewohnt und dadurch bedingten Störwirkungen rechnen.6
Nahezu jeder vierte Zigarettenabstinente benutzt die Kaugummis noch nach einem Jahr. Der Entzug des Tabakersatzes ähnelt der
Zigarettenentwöhnung.11
Nikotinpflaster (NIKOFRENON u.a.) wirken mindestens genausogut wie 2-mg-Kaugummis. 21 mg Nikotin pro Tag abgebende Präparate (30 cm²)
sind den 14 mg freisetzenden (20 cm²) überlegen. Der Entwöhnungserfolg mit der Nikotinzufuhr über die Haut hängt weniger als beim
Kaugummi vom Abhängigkeitsgrad ab. Bei hochgradiger Sucht bleibt die Wirkung indes gering. Für Pflaster spricht die einfache Anwendung, die
abgesehen von lokalen Reaktionen bessere Verträglichkeit und ein geringeres eigenes Abhängigkeitspotential.4 Im Laufe des Jahres
sollen auch die Plaster ohne Rezept erhältlich sein.
Wer eine Schachtel Zigaretten am Tag raucht und dafür etwa 140 DM im Monat ausgibt, muß nach Umsteigen auf 12 NICORETTE 2 mg Kaugummis/Tag
gut 45 DM mehr aufwenden (96 Kaugummis für 49,65 DM). Den Monatsbedarf an 20-cm²- oder 30-cm²-Nikotinpflastern gibt es dagegen schon
für 123 DM bis 149 DM.
FAZIT: Wer die jetzt in der 2-mg-Dosierung rezeptfrei erhältlichen Nikotingummis (NICORETTE 2 mg) kaut, dürfte die Zigarette gegen ein teures
Scheinmedikament tauschen: Es bringt Rauchern mit schwacher Abhängigkeit keinen Nutzen. Die 2-mg-Kaugummis wirken zwar bei stärker
Süchtigen besser als Plazebo, doch erzielen die verschreibungspflichtigen 4-mg-Kaugummis höhere Erfolgsraten. Ohne psychosoziale Begleitung durch
Entwöhnungsgruppen o.ä. bleibt jedoch die Aussicht auf langfristige Abstinenz gering.
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