Etwa die Hälfte aller 60jährigen und nahezu alle 90jährigen Männer haben eine deutlich vergrößerte Prostata. Die
Vorsteherdrüse kann die Harnröhre einengen und den Harnfluß behindern. Die Patienten leiden unter Harnentleerungsstörungen mit irritativen
Blasenbeschwerden wie häufigem Wasserlassen (Stadium I der benignen Prostatahyperplasie) bis hin zu überdehnter Blase und Harnrückstau in die
Nieren (Stadium III).1 Es besteht weder eine direkte Korrelation zwischen Größe der Prostata und dem Ausmaß der Beschwerden noch eine
Konstanz der Beschwerden.
Therapie der Wahl im fortgeschrittenen Erkrankungsstadium ist die operative Verkleinerung der Drüse durch transurethrale Prostataresektion, die zu 0,5% mit
Inkontinenz und 4% bis 5% mit Impotenz einhergeht.1 Neben verschiedenen pflanzlichen Mitteln wie Sitosterin (HARZOL u.a.) und Sägepalmenextrakt
(STROGEN u.a.; vgl. a-t 11 [1991], 100) steht nun mit dem 5-alpha-Reduktase-Hemmer Finasterid (PROSCAR) auch
in Deutschland ein chemischer Wirkstoff zur "unterstützenden Behandlung" der symptomatischen benignen Prostatahyperplasie zur Verfügung.
Warum nur Urologen PROSCAR verordnen dürfen, erscheint uns nicht nachvollziehbar.
WIRKMECHANISMUS: Das den Androgenen strukturell verwandte 4-Azasteroid Finasterid hemmt kompetitiv die 5-alpha-Reduktase, ein intrazelluläres
Enzym, das die Umwandlung von Testosteron in die Wirkform Dihydrotestosteron katalysiert. Trotz einer Serumhalbwertszeit von 6-8 Stunden dauert es bis zu zwei
Wochen, bis die Dihydrotestosteron-Spiegel nach Absetzen von Finasterid Normalwerte erreichen.2 Dihydrotestosteron fördert Entwicklung und
Wachstum der Prostata.3 Männer mit genetischem Mangel an 5-alpha-Reduktase haben eine kleine Vorsteherdrüse,4 spärliche
androgenabhängige Körperbehaarung und entwickeln keine Männerglatze. Die Verwendung von Finasterid wird daher auch bei männlicher
Glatze und Hirsutismus erwogen.
NUTZEN: Im kontrollierten Vergleich von Plazebo gegen 1 mg und 5 mg Finasterid täglich an knapp 900 Männern mit gutartiger
Prostatahyperplasie verkleinert sich die Vorsteherdrüse in 12 Monaten im Mittel um 3%, 18% und 19% der Ausgangsgröße.5 Der Anstieg der
maximalen Harnflußrate um durchschnittlich 1,4 bzw. 1,6 ml/s gegenüber 0,2 ml/s unter Plazebo ist zwar statistisch signifikant,5 bleibt aber
klinisch in der Regel ohne Bedeutung.1 "Statt auf die Hosenbeine tröpfelt der Harn nun auf die Schuhspitze."
Nur bei knapp einem Drittel der Finasterid-Anwender aber auch bei 17% aus der Kontrollgruppe nimmt die maximale Harnflußrate um
mindestens 3 ml/s zu.5 Zum Vergleich: Mit transurethraler Resektion werden regelmäßig Zunahmen um 9 bis 11 ml/s erzielt. Die Restharnmengen
unter Finasterid unterscheiden sich nicht von denen unter Plazebo.5 Der 5-alpha-Reduktase-Hemmer lindert die anhand eines Scores erfaßten
Beschwerden mäßig6 und nur in der 5-mg-Dosis signifikant besser als das Scheinmedikament.5 Dabei wirken Plazebo und Finasterid bei
Männern mit starker Symptomatik am ausgeprägtesten.2 Eine weitere Phase-3-Studie6 an 750 Männern kommt zu ähnlichen
Ergebnissen. Ob der 5-alpha-Reduktase-Hemmer langfristig vor Komplikationen des Prostataadenoms wie z.B. Harnverhaltung schützt, bleibt offen.7,9
Ebenso ist nicht sicher, daß Finasterid die Operationsbedürftigkeit, die nach drei bis vier Jahren bei jedem zweiten symptomatischen Patienten gegeben
ist,10 zeitlich herauszögern oder senken kann.
DOSIS UND KOSTEN: Bis zum Ansprechen der Therapie mit täglich 5 mg Finasterid können sechs Monate vergehen. Wem Finasterid
nützen könnte, läßt sich vor Behandlungsbeginn nicht abschätzen. Auch fehlt eine klare Dosisabhängigkeit der Wirkungen. Nach
zwölf erfolglosen Einnahmemonaten (Kostenaufwand über 1000 DM, vgl. Kasten) ist kein Effekt mehr zu erwarten. Stellt sich ein Nutzen ein, verliert sich
dieser nach Absetzen.8 Das Mittel müßte somit lebenslang eingenommen werden.
UNERWÜNSCHTE WIRKUNGEN: 3% bis 5% der Anwender in kontrollierten Phase-3-Studien leiden an Libido- und Potenzverlust sowie
Ejakulationsstörungen.11 Als weitere antiandrogene Störwirkungen sind Gynäkomastie,9 Sekretion aus der
Brustdrüse9 und Knoten in der Brust, die zum Teil operativ entfernt werden mußten,9 beschrieben. Überempfindlichkeitsreaktionen
kommen vor.
Finasterid senkt das Prostata-spezifische Antigen (PSA) auch bei Männern mit Karzinom etwa auf die Hälfte. Dies schränkt den Nutzen des
Tumormarkers als Suchtest während der Einnahme ein. Regelmäßige rektale Früherkennungsuntersuchungen vor und während der
Behandlung werden empfohlen.9
Finasterid hemmt mit der 5-alpha-Reduktase ein Enzym, das für die Entwicklung der männlichen Geschlechtsorgane erforderlich ist. Frauen im
gebärfähigen Alter und Schwangere dürfen wegen der möglichen Absorption des Wirkstoffs durch die Haut keine zerbrochenen Tabletten
anfassen. Männer sollen ein Kondom verwenden oder Finasterid absetzen, wenn die Partnerin schwanger werden kann oder schwanger ist.
FAZIT: Finasterid (PROSCAR) bringt für weniger als die Hälfte der Anwender mit gutartiger Prostatahyperplasie mäßige Linderung der
subjektiven Beschwerden. Objektive Parameter (Harnfluß) nehmen nur gering zu oder bleiben unverändert (Restharn), so daß sich eine
Überlegenheit gegenüber pflanzlichen Prostatapräparaten damit kaum begründen läßt. Wer auf Finasterid anspricht, läßt
sich erst nach einigen Behandlungsmonaten abschätzen.
Ob Finasterid den Betroffenen langfristig eine Operation erspart, erscheint zweifelhaft. Damit der Effekt erhalten bleibt, müßte das 4-Azasteroid lebenslang
eingenommen werden. Die Langzeitverträglichkeit des pro Jahr über 1000 DM teuren Mittels ist nicht gesichert. Anwender des Prostatamittels
können unter antiandrogenen Störungen von Libido, Potenz und Ejakulation und an Gynäkomastie leiden.
Finasterid erscheint nicht als therapeutisch relevanter Durchbruch für die Therapie der benignen Prostatahypertrophie, auch wenn es die
Prostatagröße mindert.
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