Seit die Behandlung des peptischen Ulkus mit Antibiotika Rückfälle überzeugend verhindert (a-t 5 [1993], 46; 1 [1996], 13), haben wir uns daran gewöhnt, das bis
dahin in seinen Ursachen längst bekannt geglaubte Leiden den Infektionskrankheiten zuzurechnen. Muss jetzt ein weiteres Kapitel der Medizin umgeschrieben
werden? Auch an der Entstehung der Arteriosklerose könnten chronische Infektionen, z.B. mit Chlamydia pneumoniae (Cp), beteiligt sein.
Vor knapp zehn Jahren wurde das kurz zuvor als Erreger von Lungenentzündungen entdeckte Bakterium erstmals mit Arteriosklerose in Verbindung gebracht.
Finnische Patienten mit koronarer Herzkrankheit oder Herzinfarkt hatten deutlich häufiger erhöhte Anti-Cp-Antikörpertiter als gesunde
Männer.1 Mehrere epidemiologische Untersuchungen z.B. aus Großbritannien und den USA bestätigen seither diesen Befund.2-5 In
bis zu 80% der atherosklerotischen Plaques finden sich Spuren von Chlamydia pneumoniae, dagegen in gesunden Arterienwänden oder transplantationsbedingt
erkrankten Koronarien nur bei 5%.5,6 Nach einer aktuellen Fall-Kontroll-Untersuchung innerhalb der US-amerikanischen Physicians-Health-Studie gehen
einem Herzinfarkt oder Schlaganfall zum Teil jahrelang erhöhte Werte des C-reaktiven Proteins, einem Entzündungsmarker, voraus.7 Durch
Erreger wie Chlamydien ausgelöste chronische inflammatorische Prozesse bieten sich als Erklärung an.
Britischen Kardiologen gelingt jetzt in einer kleinen randomisierten Studie die Rezidivprophylaxe nach Herzinfarkt mit Azithromycin (ZITHROMAX). Die Studie bezieht
220 Männer mit mindestens sechs Monate zurückliegendem Infarkt ein. Patienten mit hohen Anti-Cp-Antikörpertitern erhalten randomisiert entweder
500 mg Azithromycin in einem oder zwei Behandlungszyklen zu je drei Tagen oder Plazebo. Beide Makrolidregime wirken gleich gut: Sie senken erneute
kardiovaskuläre Ereignisse in den folgenden 18 Monaten fast auf ein Viertel (8% vs. 28%) und damit in den Bereich der seronegativen Patienten, die ohnehin
weniger Rückfälle haben (7%).8 Die Gunst des öffentlichen Interesses nutzen argentinische Autoren. Sie präsentieren die
vorläufigen Einmonatsdaten einer auf sechs Monate angelegten kleinen Pilotstudie9 mit täglich zweimal 150 mg Roxithromycin (RULID) nach
Herzinfarkt oder instabiler Angina pectoris, die in dieselbe Richtung weisen.
Die bekannten Risikofaktoren wie Rauchen oder erhöhte Blutfettwerte erklären die koronare Herzkrankheit nur bei einem Teil der Betroffenen
hinreichend. Hier könnte die Infektionshypothese eine Lücke schließen.10 Die bisher publizierten Studien belegen aber keinen
ursächlichen Zusammenhang zwischen Chlamydieninfektion und koronarer Herzkrankheit. Beim gegenwärtigen Kenntnisstand bleibt offen, ob die Erreger
vielleicht nur eine Folgeerscheinung der Atherosklerose sind ("harmlose Trittbrettfahrer").5 Die niedrigere Rückfallrate nach Herzinfarkt unter
Azithromycin könnte auch auf anderen als den antibakteriellen Effekten des Makrolids beruhen.8
Die Ergebnisse aus Großbritannien bedürfen der Bestätigung in groß angelegten Interventionsstudien, bevor sie in Behandlungsempfehlungen
umgesetzt werden. Auch die Bedeutung weiterer Erreger wie Helicobacter pylori oder Cytomegalievirus, die mit der Pathogenese der Atherosklerose in Verbindung
gebracht werden, ist zu klären.
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