Seit August 1997 ergänzt ein neues Wirkprinzip die Therapie des Morbus PARKINSON: Tolcapon (TASMAR). Es hemmt die Katechol-O-
Methyltransferase (COMT), ein am Abbau von Levodopa beteiligtes Enzym (vgl. a-t 5 [1997], 56; 7 [1997], 74). Tolcapon wird als Zusatz für Patienten angeboten, die mit Levodopa plus Dekarboxylasehemmer (z.B.
Benserazid, in MADOPAR) allein nicht hinkommen, besonders solche, deren Beweglichkeit gegen Ende des Dosierungsintervalls abnimmt (End-of-dose-
Phänomen).1
EIGENSCHAFTEN: Levodopa wird hauptsächlich durch Dekarboxylierung zu Dopamin oder durch O-Methylierung mittels COMT verstoffwechselt. Der
reversible COMT-Hemmer Tolcapon soll die Verfügbarkeit von Levodopa im Gehirn erhöhen. Die Halbwertszeit wird verlängert. Spitzenspiegel sollen
unverändert bleiben. In einer klinischen Untersuchung wird jedoch auch ein Anstieg der Peakwerte beobachtet.2 Die COMT baut peripher wie zentral
Katecholderivate ab, darunter Adrenalin und Noradrenalin. Im Versuch an Ratten wirkt Tolcapon antidepressiv. Vermutet wird eine erhöhte Verfügbarkeit
der Katecholamine im Gehirn.3 Ob Tolcapon beim Menschen die Blut-Hirnschranke überwindet, ist nicht geklärt.4
KLINISCHE WIRKSAMKEIT: In drei unveröffentlichten Phase-III-Studien nehmen insgesamt knapp 600 Patienten mit fluktuierender Beweglichkeit
zusätzlich zu Levodopa plus Carbidopa (NACOM u.a.) bzw. Benserazid dreimal täglich 100 mg oder 200 mg Tolcapon beziehungsweise Plazebo ein.
Besonders in der höheren Dosierung verlängert der COMT-Hemmer die mit Hilfe von Patiententagebüchern dokumentierten Zeiten guter
Beweglichkeit ("On"-Zeiten). "Off"-Zeiten werden verkürzt. Die Dosis-Wirkungsbeziehung scheint hier nicht so klar: In der
europäischen Studie wirkt nur die geringere Dosierung deutlich besser als das Scheinmedikament. Gemessen an der Unified Parkinson's Disease Rating Scale
bleibt der Nutzen von Tolcapon gering: Nur in einer Untersuchung schneidet die höhere Dosis hinsichtlich motorischer Funktionen deutlich günstiger ab
als Plazebo.2,3 Die Verbesserungen halten in den zwei längerfristigen Studien nur zum Teil über zwölf Monate an.3
In einer nur als Abstract bzw. per Leserbrief publizierten offenen Vergleichsstudie mit Bromocriptin (PRAVIDEL u.a., im Durchschnitt 22,4 mg/Tag) unterscheidet sich
Tolcapon (600 mg/Tag) bis auf deutlichere Minderung der Levodopa-Dosis praktisch nicht von dem Dopaminagonisten.3,5,6
Ob Patienten ohne Fluktuationen von der Zusatztherapie mit Tolcapon profitieren, bleibt zu klären.
VERTRÄGLICHKEIT: Wie von einem die Levodopa-Verfügbarkeit steigernden Mittel zu erwarten, dominieren dopaminerge Störeffekte.
Etwa jeder Zweite leidet unter Zwangsbewegungen (Dyskinesien). Nach Einschätzung der europäischen Arzneimittelbehörde werden
"On"-Phasen durch Tolcapon um den Preis zusätzlicher Dyskinesien verlängert. Häufig sind auch Übelkeit (30%-35%),
Schlafstörungen (25%), orthostatische Beschwerden (17%), Kopfschmerzen (11%), Halluzinationen und Erbrechen (je 8%-10%). Durchfall, mit 16%-18%
häufigste nicht dopaminerge unerwünschte Wirkung, zwingt oft zum Absetzen von Tolcapon (5%-6%).3 Bei 1% bis 3% der Anwender steigt die
GPT über das Dreifache der Norm. Leberwerte sollen vor Beginn und im ersten halben Jahr der Therapie monatlich kontrolliert werden. Tolcapon färbt den
Urin gelb.1,3
Dreimal wird ein sog. malignes Neuroleptika-Syndrom nach Dosisreduktion oder Absetzen des COMT-Hemmers beschrieben. Ein Todesfall in klinischen Studien soll
darauf zurückgehen. Als Ursache für den plötzlichen Tod einer 55-jährigen werden kardiale Störeffekte vermutet.3 Hohe Dosierungen
lösen bei Hunden Blutdruckabfall, bei Kaninchen Herzrhythmusstörungen aus.3 Bei Ratten verursacht Tolcapon
Nierentumoren.1,3
Vorsicht ist geboten bei gleichzeitiger Anwendung von Arzneimitteln, die ebenfalls die Katecholamine beeinflussen. Dazu gehören Antidepressiva, z.B.
Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer wie Desipramin (PERTOFRAN u.a.) oder Hemmstoffe der MAO A wie Moclobemid (AURORIX) und MAO B wie Selegilin
(DEPRENYL u.a.).1 Tolcapon kann die Plasmaspiegel von Arzneimitteln erhöhen, die wie Levodopa durch COMT verstoffwechselt werden. Dies gilt
für Benserazid, während für Carbidopa keine Auswirkungen beschrieben sind. Interaktionen mit anderen COMT-Substraten wie Methyldopa
(PRESINOL u.a.), Adrenalin (SUPRARENIN u.a.) oder Dobutamin (DOBUTREX u.a.) sind nicht untersucht.1
DOSIS UND KOSTEN: Die Behandlung beginnt mit dreimal täglich 100 mg Tolcapon und kann auf 200 mg pro Einzeldosis gesteigert werden. Die
Levodopa-Dosis ist gegebenenfalls zu verringern. Der COMT-Hemmer verteuert die Therapie mit monatlich 488 DM für täglich 600 mg gegenüber
dem Bromocriptin-Original (PRAVIDEL: 355 DM/ Monat für 20 mg/Tag) um gut ein Drittel, gegenüber einem Generikum um mehr als das Doppelte
(BROMOCRIPTIN 10 VON CT: 234 DM/Monat). Der Differenzbetrag wird kleiner, wenn sich unter Tolcapon die Levodopa-Dosis stärker verringern lässt
als unter Bromocriptin. Nach Herstellerangaben sollen 80% bis 90% der Patienten mit täglich 300 mg Tolcapon auskommen.4 Unter
Berücksichtigung dieser Dosis liegen die Kosten für die Neuerung mit monatlich 316 DM 11% unter denen für PRAVIDEL, aber immer noch um 35%
über denen des Nachfolgepräparates.
FAZIT: Der reversible COMT-Hemmer Tolcapon (TASMAR) steigert die Levodopa-Spiegel, indem er die O-Methylierung hemmt, einen neben der
Dekarboxylierung weiteren Abbauweg des Neurotransmitters. Nehmen PARKINSON-Patienten mit Fluktuationen der Beweglichkeit zusätzlich zu Levodopa plus
Benserazid (MADOPAR u.a.) oder Carbidopa (NACOM u.a.) Tolcapon ein, können sich - zumindest für einige Monate - "On"-Zeiten
verlängern und "Off"-Zeiten verkürzen. Jeder zweite Anwender muss jedoch mit Dyskinesien rechnen.
Um den therapeutischen Stellenwert im Vergleich zur Zusatzbehandlung mit Dopaminagonisten wie Bromocriptin (PRAVIDEL u.a.) einzuschätzen, sind weitere
kontrollierte Vergleichsstudien erforderlich. Das teure Mittel besitzt, bis aussagekräftige Daten vorliegen, Reservestatus.
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