Azetylsalizylsäure (ASS; ASPIRIN u.a.) und Warfarin (COUMADIN) senken in niedriger Dosis die Gefahr eines ersten Herzinfarktes um etwa 20%:
pro 1.000 Patientenjahre um jeweils etwa 3 von 13 Ereignissen. ASS verhindert vorwiegend nicht tödliche, Warfarin vor allem tödliche Myokardinfarkte.
Zu diesem Ergebnis kommt eine britische Studie mit 5.500 Männern zwischen 45 und 69 Jahren ohne manifeste koronare Herzkrankheit (KHK), aber mit hohem
KHK-Risiko. Die vierarmige Studie prüft die Primärprophylaxe des Herzinfarkts mit täglich 75 mg retardiertem ASS, mit Low-dose-Warfarin bei einer
Ziel-INR* von 1,5 und mit einer Kombination aus beiden im Vergleich zu Plazebo. ASS plus Warfarin mindern das Risiko von Herzinfarkten und koronaren
Todesfällen um 35%, erhöhen aber die Gefährdung durch hämorrhagische Schlaganfälle (7 vs. 0 unter Plazebo, ASS allein: 2,
Warfarin allein 1).1
ASS hat einen festen Platz in der Sekundärprophylaxe des Herzinfarkts. Im ersten Monat nach überstandenem Infarkt
schützt ASS pro 1.000 Anwender vor 40 kardiovaskulären Ereignissen, in den darauf folgenden zwei Jahren vor weiteren 40
Gefäßerkrankungen oder Todesfällen (a-t 2 [1994], 18). Dagegen bringen zwei Studien zur
Primärprophylaxe mit gesunden Ärzten keine überzeugenden Vorteile: In der US-amerikanischen Untersuchung mit 325 mg ASS alle zwei
Tage wird eine statistisch zwar signifikante, klinisch aber wenig relevante Minderung nicht tödlicher Herzinfarkte erzielt. Täglich 500 mg ASS bringen in der
britischen Studie hingegen keinen Nutzen, aber häufigere Schlaganfälle mit bleibender Behinderung. Zusammengenommen schützt ASS nach
diesen Daten pro 1.000 Anwenderjahre vor einem nicht tödlichen Herzinfarkt.2 Es kommt aber ein Schlaganfall mit Behinderung auf drei verhinderte
Myokardinfarkte.3
Die Ergebnisse mit Warfarin, das hier deutlich niedriger dosiert wird als bei üblichen Indikationen*, überraschen. Entsprechende
Vorläuferstudien gibt es nicht. Nach Erreichen einer stabilen Dosis wird der Quick-Wert alle drei Monate kontrolliert. Er ist bei der großen Mehrheit im
Studienverlauf zufriedenstellend oder nur wenig korrekturbedürftig. Warfarin-Anwendung geht mit deutlich mehr Blutungen einher als die Einnahme eines
Scheinmedikaments. Der Unterschied zu ASS ist jedoch nicht signifikant. Warfarin scheint außerdem für eine Zunahme rupturierter oder dissezierter
Aortenaneurysmen verantwortlich zu sein. Die Gesamtsterblichkeit unter dem Antikoagulans liegt allerdings niedriger als in der Gruppe derjenigen, die kein Warfarin
eingenommen haben. ASS bleibt dagegen ohne Einfluss auf die Sterblichkeit.1
ASS und Warfarin würden eine kostengünstigere Primärprophylaxe des Herzinfarktes ermöglichen als die für bestimmte Risikogruppen
inzwischen empfohlenen CSE-Hemmer. Die Lipidsenker sind aber besser untersucht und bedeuten kein zusätzliches Blutungsrisiko (a-t 8 [1996], 75). Nutzen und Unbedenklichkeit niedrig dosierter Gerinnungshemmer bei dieser Indikation wären in
größeren Studien zu bestätigen. Vorher lassen sich - wenn überhaupt - Empfehlungen nicht aussprechen.
FAZIT: Nach einer aktuellen Studie zur Primärprophylaxe des Herzinfarkts verhindern Azetylsalizylsäure (ASS; ASPIRIN u.a.) und Warfarin
(COUMADIN) in niedriger Dosierung pro 1.000 Patientenjahre je 3 von 13 Myokardinfarkten oder koronaren Todesfällen bei Männern mit hohem Risiko der
koronaren Herzkrankheit. ASS schützt vorwiegend vor nicht tödlichen, Warfarin in erster Linie vor tödlichen Ereignissen. Hämorrhagische
Schlaganfälle nehmen besonders unter der Kombination beider Prinzipien und bei hohem Blutdruck zu. Für eine Empfehlung reichen Ausmaß des
Nutzens und Sicherheitsdaten bisher nicht aus.
1 | MEADE, T. W. et al.: Lancet 351 (1998), 233 |
2 | Antiplatelet Trialists' Collaboration: Brit. Med. J. 308 (1994), 81 |
3 | VERHEUGT, F. W. A.: Lancet 351 (1998), 227
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* | International Normalized Ratio 1,5-2,5 entspricht einem Quick von ca. 30%-50% (a-t 7
[1993], 68). Der übliche therapeutische Bereich liegt bei einem Quick zwischen 15% und 30% und entspricht einer INR von ca. 2,5-4,5. |
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