logo
logo
Die Information für medizinische Fachkreise
Neutral, unabhängig und anzeigenfrei
vorheriger Artikela-t 1998; Nr. 4: 44 
Warnhinweis

CAVE: KALZIUMANTAGONISTEN
BEI DIABETES UND BLUTHOCHDRUCK

Kalziumantagonisten sind in Deutschland die bei Patienten mit Diabetes mellitus am häufigsten verordnete Klasse blutdrucksenkender Arzneimittel.1 Dabei ist nach epidemiologischen Studien von einer erhöhten Sterblichkeit bei antihypertensiver Therapie mit Kalziumantagonisten auszugehen.2,3 Die Behandlung scheint für Diabetiker noch schädlicher zu sein als für Hochdruckkranke mit normalem Glukosestoffwechsel: Nach der retrospektiven Auswertung einer Fallkontrollstudie erhöht sich das Risiko kardiovaskulärer Ereignisse bei zuckerkranken Patienten um mehr als das Sechsfache, bei Nichtdiabetikern "nur" um das 1,35-fache.4

Nun verdichten sich Hinweise aus kontrollierten Interventionsstudien, dass unter blutdrucksenkender Therapie mit Kalziumantagonisten besonders bei Diabetes Herz-Kreislauferkrankungen und Sterblichkeit zunehmen (s. Tabelle):

  • In der MIDAS*-Studie erleiden unter Isradipin (LOMIR, VASCAL) mehr Patienten Angina pectoris, Herzinfarkt oder Schlaganfall als unter Hydrochlorothiazid (ESIDRIX u.a.; a-t 10 [1996], 102).5 Dabei steigt das Risiko in der Isradipin-, nicht aber in der Thiazidgruppe, mit der Höhe des glykosylierten Hämoglobins (a-t 11 [1997], 117).6
  • Der "Hochdruckarm" der ABCD*-Studie, einer vergleichenden Untersuchung mit Nisoldipin (BAYMYCARD) und Enalapril (PRES, XANEF), wird vorzeitig gestoppt.7 Innerhalb von fünf Jahren steigt die Rate tödlicher und nichttödlicher Herzinfarkte unter Nisoldipin auf das Fünffache gegenüber Enalapril (25/235 vs. 5/235).
  • Zu ähnlichem Ergebnis kommt eine weitere, noch nicht abschließend publizierte Studie: FACET*.8 Unter dem lang wirkenden Amlodipin (NORVASC) sollen Patienten mit Typ-2-Diabetes und Hochdruck ein doppelt so hohes Risiko kardio- und zerebrovaskulärer Komplikationen eingehen (27/191 vs. 14/189) wie unter Einnahme des ACE-Hemmers Fosinopril (FOSINORM).

Niedrig dosierte Diuretika und kardioselektive Betablocker senken dagegen nach übereinstimmendem Ergebnis der vier bislang veröffentlichten Langzeitstudien Folgeerkrankungen des Hochdrucks und Sterblichkeit älterer Patienten, darunter 10% mit Diabetes.9-12 Zuckerkranke profitieren von einer Diuretika-Behandlung sogar stärker als Nichtdiabetiker: In der SHEP*-Studie verhindert Chlortalidon (HYGROTON u.a.) Bluthochdruckfolgen bei 10 von 100 Teilnehmern mit Diabetes, verglichen mit 5 von 100 ohne Diabetes (a-t 2 [1997], 22).13

Der Stellenwert der ACE-Hemmer in der Hochdrucktherapie, insbesondere bei Diabetes, lässt sich gegenwärtig nicht beurteilen. Prospektive Vergleichsstudien mit Diuretika oder Betablockern, die gezielt den Einfluss auf die Sterblichkeit untersuchen, gibt es nicht. Weil eine angemessene Kontrollgruppe fehlt, tragen auch ABCD und FACET hier nicht zu weiterer Erkenntnis bei. Mehrere Studien begründen Zweifel am Nutzen von ACE-Hemmern für zuckerkranke Hochdruckpatienten: In einer großen randomisierten Studie unterscheidet sich die Sterblichkeit von Patienten mit Typ-1-Diabetes und Nephropathie unter Captopril (LOPIRIN u.a.) trotz Blutdrucksenkung und verzögertem Fortschreiten der Nierenerkrankung nicht signifikant von der unter Plazebo.14 Unter dem ACE-Hemmer Benazepril (CIBACEN) steigt die Mortalität bei Nephropathie sogar um das Siebenfache (a-t 5 [1996], 50).15 Auch bei Patienten mit Typ-2-Diabetes und Mikroalbuminurie nimmt nach einer Untersuchung die Mortalität unter Einnahme des ACE-Hemmers zu.16 Von den 74 in die Vergleichsstudie zwischen Captopril und Metoprolol (BELOC u.a.) plus Hydrochlorothiazid aufgenommenen Teilnehmern sterben im Verlauf von drei Jahren vier - alle in der Captopril-Gruppe.

FAZIT: Die antihypertensive Therapie mit Diuretika und Betablockern verringert nachweislich die Gefährdung von Patienten mit Diabetes mellitus durch Folgeerkrankungen des Bluthochdrucks. Unter Kalziumantagonisten treten kardio- und zerebrovaskuläre Komplikationen dagegen häufiger auf als unter konventionellen Antihypertensiva oder ACE-Hemmern. Auf Grund der Datenlage raten wir dringend von der antihypertensiven Behandlung von Diabetikern mit Kalziumantagonisten ab. Der Stellenwert der ACE-Hemmer lässt sich nicht abschließend beurteilen.

*

ABCD = Appropriate Blood Pressure Control in Diabetes Trial;
FACET = Fosinopril versus Amlodipine Cardiovascular Events Trial;
MIDAS = Multicenter Isradipine Diuretic Atherosclerosis Study;
SHEP = Systolic Hypertension in the Elderly Program


© 1998 arznei-telegramm

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

Diese Publikation ist urheberrechtlich geschützt. Vervielfältigung sowie Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen ist nur mit Genehmigung des arznei-telegramm® gestattet.

vorheriger Artikela-t 1998; Nr. 4: 44