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Neu auf dem Markt

LAMIVUDIN (ZEFFIX) GEGEN HEPATITIS B:
VIELE FRAGEN BLEIBEN OFFEN

Das Nukleosidanalog Lamivudin, als EPIVIR zur antiretroviralen Therapie der HIV-Erkrankung eingeführt, ist jetzt in niedriger Dosierung* auch zur Behandlung der chronisch aktiven Hepatitis B zugelassen (ZEFFIX). Bisher wurde für diese Indikation nur Interferon alfa (INTRON A u.a.) angeboten.

EIGENSCHAFTEN: Das HB-Virus ist zwar kein Retrovirus, benötigt aber wie das HI-Virus für seine Vermehrung einen reversen Transkriptionsschritt, muss also die Erbinformation von RNA auf DNA überschreiben. Lamivudin hemmt diesen Schritt. Das Nukleosidanalog kann nur die Vermehrung der Viren unterdrücken, diese aber nicht eliminieren.1

KLINISCHE STUDIEN: In zwölfmonatigen Phase-III-Studien - zwei davon sind veröffentlicht2,3 - bessert sich die Leberhistologie unter Lamivudin bei bis zu 50% der Patienten. Bei 30% bis 70% normalisiert sich die GPT und die HBV-DNA im Serum sinkt deutlich ab.4 Bei 16% bis 18% kommt es zur HBeAg-Serokonversion: HBeAg, ein Marker für die Virusvermehrung, verschwindet und Anti-HBe wird positiv. Unter Plazebo betrifft dies 4% bis 6%.2 -4 Wie lange eine HBeAg-Serokonversion anhält, ist unklar. Bei einem Teil geht sie schon kurz nach Absetzen verloren. Dies kann bis zu 25% innerhalb eines Jahres nach Therapieende betreffen.3,4 Längerfristige Daten fehlen. Bei allen Patienten ohne Serokonversion steigen HBV-DNA und Transaminasen innerhalb von sechs Monaten nach Therapieende wieder auf die Ausgangswerte. Bei bis zu 80% der Patienten vor und nach Lebertransplantation senkt Lamivudin in unkontrollierten Studien HBV-DNA und Transaminasen im Serum.

Direkte Vergleiche mit Interferon alfa fehlen. Die HBeAg-Verlustrate von 32% in einer Studie3 entspricht derjenigen, die für Interferon in einer Metaanalyse genannt wird. Bei Interferon-Therapieversagern wirkt die Kombination mit Interferon nicht besser als Lamivudin allein.4

Unter der Behandlung mit Lamivudin bilden sich resistente Stämme (sogenannte YMDD**-Varianten), 20% nach einem Jahr, 53% nach drei Jahren. Bei der Hälfte der Betroffenen setzt sich innerhalb von vier Monaten nach Absetzen das Wildvirus wieder durch.4

VERTRÄGLICHKEIT: Krankheitsgefühl, Kopf- und Bauchschmerzen, Übelkeit sowie Anstieg von Lipase und CK gehören zu den häufigsten unerwünschten Anwendungsfolgen. Pankreatitis und Parästhesien, von der HIV-Therapie bekannt, werden auch bei der Hepatitis-B- Behandlung beschrieben. Auch Laktazidose mit schwerer Hepatomegalie und Steatose ist unter Lamivudin bei Hepatitis bekannt geworden. Bei ersten Anzeichen einer Laktazidose oder auffälliger Lebertoxizität ist das Mittel abzusetzen. Nach Beendigung einer Therapie mit Lamivudin kann die Hepatitis klinisch und laborchemisch wieder aufflammen. Die Exazerbationen verlaufen offenbar meistens selbstbegrenzend, Todesfälle sind jedoch vorgekommen. Nach Einnahmestopp sollen die Patienten mehrere Monate überwacht werden.5

OFFENE FRAGEN: Die optimale Therapiedauer ist unbekannt. Die Aussicht auf Serokonversion ist gegen die häufige Resistenzbildung abzuwägen.6

Über den klinischen Langzeitnutzen lässt sich nur spekulieren. HBeAg-Serokonversion nach Interferon geht mit geringerem Zirrhose- und Sterblichkeitsrisiko einher.7 Ob die durch Lamivudin erzielte Wirkung auf Surrogatparameter einen spürbaren Vorteil für die Patienten beinhaltet, bleibt zu klären.6

Ungewiss ist auch die Relevanz der resistenten HBV-Stämme. Fortschreiten der Hepatitis mit Todesfolge ist bei einigen Patienten mit YMDD-Varianten beschrieben.5

FAZIT: Das Nukleosidanalog Lamivudin (ZEFFIX) kann in einem Jahr bei jedem achten Patienten mit chronisch aktiver Hepatitis eine HBeAg-Serokonversion bewirken. Bei wie vielen Patienten die Unterdrückung der Virusvermehrung, die mit diesem Parameter erfasst wird, langfristig anhält, ist nicht bekannt. Dass sich dieser Effekt als klinischer Nutzen erweist, kann derzeit nur erhofft werden. Lamivudin ist einfacher anzuwenden, verträglicher und kostengünstiger als Interferon alfa (INTRON A u.a.). Es erzeugt aber häufig Resistenzen.

*

Cave: Bei gleichzeitiger HIV-Erkrankung darf Lamivudin nur in der höheren Dosis und im Rahmen einer wirksamen antiretroviralen Kombinationstherapie verwendet werden.

**

YMDD: Die Buchstaben bezeichnen die Aminosäurensequenz an der Stelle des HBV-Genoms, an der die Mutation stattfindet.


© 1999 arznei-telegramm

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

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