Mit Celecoxib (CELEBREX) ist jetzt der zweite so genannte Cox-2-Hemmer auf dem Markt. Im Unterschied zu Rofecoxib (VIOXX; a-t 1999; Nr. 12: 123-4) ist die Neuerung zur symptomatischen Behandlung bei aktivierter Arthrose und rheumatoider
Arthritis zugelassen. Während Rofecoxib jedoch in den USA auch gegen akuten Schmerz eingesetzt werden darf, hat Celecoxib Standardtests auf Eignung
für diese Indikation nicht bestanden.2
EIGENSCHAFTEN: Bei ein- bis zweimal täglicher Einnahme erreichen die Plasmakonzentrationen von Celecoxib nach zwei bis drei
Stunden ihr Maximum. Fettreiches Essen verzögert die Absorption. Die Neuerung wird in der Leber unter anderem über CYP 2C9 verstoffwechselt. Bei
Personen mit genetisch verminderter Aktivität dieses Enzyms, bis 1% der Bevölkerung, ist mit deutlich erhöhten Plasmaspiegeln zu rechnen, ebenso
bei Patienten mit schwarzer Hautfarbe. Bei Frauen über 65 Jahren wird eine Verdoppelung der Blutspiegel beobachtet. Erfahrungen zur Anwendung bei
Nierenfunktionsstörungen fehlen weitgehend.3
Celecoxib besitzt wie Thiazid-Diuretika oder Furosemid (LASIX u.a.) Sulfonamid-Struktur. Bei bekannter Überempfindlichkeit gegen Sulfonamide ist es
kontraindiziert.
KLINISCHE STUDIEN: Zur Wirksamkeit bei aktivierter Arthrose ist ein Vergleich von Celecoxib in Dosierungen von zweimal täglich 50 mg,
100 mg und 200 mg mit zweimal täglich 500 mg Naproxen (PROXEN u.a.) und Plazebo mit über 1.000 Patienten vollständig
veröffentlicht,4 der zum Teil offenbar doppelt publiziert wurde.5 Die Hochdosis von 1.000 mg Naproxen ist selbst für rheumatische
Erkrankungen hierzulande nur "in Einzelfällen"6 vorgesehen. Die undifferenzierte Behandlung aller in diesen Studienarm randomisierten
Patienten über 12 Wochen ohne Möglichkeit einer symptomorientierten Dosisanpassung ist keine qualifizierte Therapie und kommt unseres Erachtens
einer vorsätzlichen Schädigung gleich. Die Studie ist methodisch nicht geeignet, Gleichwertigkeit der beiden Mittel nachzuweisen: Eine klare Definition der
Endpunkte unterbleibt. Die Teilnehmerzahl ist so kalkuliert, dass eine bessere Wirksamkeit von Celecoxib im Vergleich zu Scheinmedikament festgestellt werden
kann. Um Gleichwertigkeit mit Naproxen zu beweisen, sind jedoch mehr Patienten und ein anderes statistisches Vorgehen erforderlich.7 Daher erlaubt die
Studie lediglich eine Aussage: Celecoxib lindert Symptome bei Arthrose besser als Scheinmedikament. Einen Beleg für die Überlegenheit von täglich
400 mg gegenüber 200 mg finden wir nicht.
Auch die veröffentlichten Daten bei rheumatoider Arthritis sind methodisch unsauber: Für einen mit der oben beschriebenen Studie nahezu
identisch angelegten Vergleich8 - lediglich die Celecoxib-Dosierungen sind etwas anders gewählt - gelten die gleichen Bedenken und
Einschränkungen. In einer weiteren Untersuchung nehmen 655 Patienten 24 Wochen lang jeweils zweimal täglich 200 mg Celecoxib oder 75 mg
retardiertes Diclofenac (VOLTAREN u.a.) ein. Überlegenheit eines der beiden Mittel lässt sich nicht nachweisen.9 Der Schluss der Autoren, beide
seien also gleichwertig, ist jedoch unzulässig - das Studiendesign erlaubt diese Aussage nicht. Offen bleibt, wie die zu Beginn - alle zu Gunsten von Celecoxib -
bestehenden Unterschiede zwischen den Behandlungsgruppen hinsichtlich Schmerzen, Morgensteifigkeit und zusätzlichem Kortikoidgebrauch
einzuschätzen sind.
STÖRWIRKUNGEN: Wie bei Rofecoxib dient ein Vergleich endoskopisch nachgewiesener Schleimhautschäden als Maß für die
Magen-Darm-Verträglichkeit. Ob dieser Surrogatparameter eine Einschätzung schwerer Komplikationen wie Perforation, Ulkus oder Blutung erlaubt, ist
zweifelhaft. Ein eindeutiger "Vorteil" von Celecoxib - gemessen an der Zahl der Schleimhautläsionen von mindestens 3 mm Durchmesser - ist nicht
erkennbar.
Auch klinisch finden sich in zwei der drei veröffentlichten Studien keine Hinweise auf bessere Verträglichkeit des Cox-2-Hemmers: Weder unterscheidet
sich die Zahl der Teilnehmer, die vorzeitig ausscheiden, noch die Rate derjenigen, die über Magen-Darmbeschwerden wie Schmerzen oder Dyspepsie
klagen.7,8 Die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA dokumentierte drei Monate nach Markteinführung von Celecoxib elf Magenblutungen und
zehn tödliche Ereignisse, von denen fünf mit gastrointestinalen Blutungen oder Geschwüren in Verbindung gebracht wurden.10 Inzwischen
gibt es weitere Berichte über Magenperforation und akute Pankreatitis.11-13 Nach bislang unveröffentlichten Daten sollen Ulkus-Komplikationen bei
Patienten, die bis zu 13 Monate lang Celecoxib zusätzlich zu niedrig dosierter Azetylsalizylsäure (ASS; ASPIRIN u.a.) einnehmen, nicht seltener
vorkommen als unter Hochdosierungen bewährter NSAR plus ASS.14
Hautausschlag tritt in der unveröffentlichten Langzeituntersuchung unter Celecoxib deutlich häufiger auf.14 In einer anderen Studie haben 12
von 15 Patienten, die wegen Hautausschlag, Juckreiz oder Urtikaria vorzeitig ausscheiden, den Cox-2-Hemmer eingenommen.4
WECHSELWIRKUNGEN: Celecoxib hemmt verschiedene Enzyme des Zytochrom-P450-Komplexes, sodass die Plasmaspiegel von Antidepressiva,
Neuroleptika, Antiarrhythmika u.a. steigen können. Bei gleichzeitiger Einnahme mit Warfarin (COUMADIN) sind Blutungen beschrieben. Erhöhte
Blutkonzentrationen von Lithium (QUILONUM u.a.) erfordern engmaschige Überwachung.
KOSTEN: Cox-2-Hemmer verteuern die Behandlung degenerativer bzw. entzündlicher Gelenkerkrankungen erheblich: Celecoxib (CELEBREX, 174
DM/Monat bei zweimal täglich 200 mg) kostet das Neunfache eines preisgünstigen Diclofenac-Nachfolgepräparates wie DICLAC 50 (19 DM/
Monat bei dreimal täglich 50 mg) und das Dreieinhalbfache des Diclofenac-Originals VOLTAREN 50 (49 DM/Monat). Gegenüber Rofecoxib (VIOXX, 103
DM/Monat für täglich 12,5 mg oder 25 mg; identische Preise) ist es 70% teurer.
FAZIT: Auch Marketing-Getöse wie "Rheumatherapie ohne Reue"15 vermag die enttäuschenden Fakten zum zweiten Cox-2
-Hemmer Celecoxib (CELEBREX) nicht zu verschleiern: Soweit aus den veröffentlichten Daten ersichtlich, ist bislang nur belegt, dass die Neuerung
Beschwerden bei Arthrose und rheumatoider Arthritis besser lindert als Plazebo. Sein Stellenwert im Vergleich zu bewährten NSAR wie Ibuprofen (BRUFEN
u.a.) oder Diclofenac (VOLTAREN u.a.) bleibt dagegen offen. Als Schmerzmittel taugt der neue Cox-2-Hemmer nicht.
Auch die behauptete bessere Verträglichkeit lässt sich angesichts der Datenlage nicht nachvollziehen: Wie bei Rofecoxib (VIOXX), dem ersten Cox-2-
Hemmer, werden durch ungerechtfertigt hohe Dosierungen des Vergleichs-NSAR, hier Naproxen (PROXEN u.a.), gastrointestinale Schäden provoziert.
Eindeutige klinische Vorteile finden wir nicht. Auffällig ist die hohe Rate an Hautausschlägen. Sie erinnert daran, dass Celecoxib Sulfonamid-Struktur
besitzt. Für diese ist ein vergleichsweise hohes hautschädigendes Potenzial bekannt, aber auch Störwirkungen wie Thrombopenie und
Hepatotoxizität.
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