Seit Mai ist mit Risedronat (ACTONEL) das siebte Bisphosphonat im Handel. Es wird zur Behandlung der Osteoporose - auch der steroidbedingten - bei
Frauen nach den Wechseljahren (vgl. a-t 1999; Nr. 5: 51-3) und zur Therapie des Morbus PAGET (vgl. a-t 1995; Nr. 4: 36 und 45) angeboten.1
EIGENSCHAFTEN UND INDIKATIONEN: Bisphosphonate mindern Abbau und Umsatz des Knochens wahrscheinlich durch Hemmung
der Osteoklasten. Bei Einnahme per os werden sie schlecht absorbiert. Risedronat muss morgens mindestens 30 Minuten vor dem Frühstück oder
tagsüber im Abstand von mindestens zwei Stunden zu Mahlzeiten eingenommen werden.1 Wie alle Bisphosphonate wird Risedronat im Knochen
eingelagert. Die Eliminationsrate aus dem Knochen ist nicht bekannt.2
Bei Osteoporose führen erniedrigte Dichte und gestörte Mikroarchitektur des Knochens zu erhöhter Brüchigkeit und Frakturgefahr. Die
medikamentöse Therapie soll Knochenbrüchen vorbeugen. Dies muss in Studien belegt sein. Wie die Erfahrung mit Fluoriden lehrt, ist der Anstieg der
Knochendichte unter der Behandlung keine Garantie für den klinischen Erfolg. Auch die durch Screening erfassten, klinisch stummen Wirbelsinterungen sind
streng genommen Surrogatparameter. Von den verfügbaren Osteoporosemitteln sind Vitamin D plus Kalzium (z.B. CALCIVIT D), Alendronat (FOSAMAX) und
Raloxifen (EVISTA) in großen randomisierten Studien unter klinischer Fragestellung geprüft.
Beim Morbus PAGET des Knochens kommt es an einer oder mehreren Stellen des Skeletts lokalisiert zu gesteigertem Abbau und beschleunigtem
Wiederaufbau des Knochens. Es entsteht hypertropher Knochen von minderer Qualität. Die Ursache ist unbekannt. Nach Autopsie- und Röntgenstudien
sollen bis zu 3% der über 40-Jährigen betroffen sein.3 Die Erkrankung verursacht offenbar nur bei wenigen Symptome wie Knochen- oder
Gelenkschmerzen, Deformierungen, Frakturen oder kompressionsbedingte neurologische Komplikationen. Bisphosphonate dämpfen die
Krankheitsaktivität gemessen an Serummarkern wie der alkalischen Phosphatase (Surrogatparameter) und lindern Knochenschmerzen. Bei asymptomatischem
Morbus PAGET besteht keine Behandlungsindikation. Dass langfristig Deformierungen verhindert werden, wird erhofft, ist aber nicht belegt.4 In Deutschland
sind neben Risedronat Etidronat (DIDRONEL u.a.), Pamidronat (AREDIA) und Tiludronat (SKELID) für die Indikation im Handel.
KLINISCHE WIRKSAMKEIT: In zwei fast identisch angelegten multizentrischen Studien wird der Einfluss von täglich 5 mg Risedronat auf das
Wirbelbruchrisiko bei insgesamt 2.440 Frauen mit Osteoporose und vorbestehenden vertebralen Frakturen überprüft.5,6 Die
Aussagekraft beider Studien wird durch die hohe Abbruchrate von jeweils über 40% eingeschränkt. 1.030 der 2.440 Teilnehmerinnen scheiden vorzeitig
aus. In der Auswertung für das primäre Zielkriterium fehlen nach einem und drei Jahren jeweils etwa 15%. Zum Vergleich: In der FIT*-Studie7 zur
Sekundärprophylaxe osteoporotischer Brüche mit Alendronat beträgt die Abbruchrate 15%. Von 4% bzw. 6% fehlen Röntgenbilder nach zwei
und drei Jahren.
Die Wahrscheinlichkeit, im Verlauf von drei Jahren unter Risedronat einen neuen, durch Röntgenscreening entdeckten Wirbelbruch zu erleiden, wird auf
11%5 bzw. 18%6 geschätzt.** In den Plazebogruppen sind es 16%5 bzw. 29%6. Der Unterschied ist bereits nach einem Jahr
statistisch signifikant. Klinisch symptomatische Wirbelbrüche werden nicht erfasst. In der größeren der beiden Studien kommen auch Brüche am
peripheren Skelett insgesamt seltener vor. In diese Auswertung gehen allerdings alle traumatisch bedingten Frakturen mit ein.
Bei Langzeiteinnahme von Kortikosteroiden soll Risedronat vor Knochenverlust schützen.8 Auch dieses Ergebnis basiert auf Auswertungen, in denen
20% bis 30% der Patienten fehlen.
Zum Nutzen bei Morbus PAGET liegt eine kontrollierte Studie veröffentlicht vor.9 123 Männer und Frauen nehmen randomisiert entweder
zwei Monate lang täglich 30 mg Risedronat oder sechs Monate lang 400 mg Etidronat ein. Eine Plazebogruppe fehlt. Die alkalische Phosphatase sinkt in
beiden Gruppen deutlich gegenüber dem Ausgangswert. In der Prüfgruppe liegt die Konzentration nach 12 und 18 Monaten bei 73% bzw. 53% der
Patienten im Normbereich, in der Kontrollgruppe bei 15% bzw. 14%. Die Differenz zwischen den Therapiegruppen war aber offenbar nicht primärer Endpunkt.
Ein Unterschied in der schmerzlindernden Wirkung findet sich nicht. Direkte Vergleiche mit Tiludronat oder Pamidronat gibt es nicht. Für beide Indikationen
fehlen Langzeitdaten.
UNERWÜNSCHTE WIRKUNGEN: Wie bei anderen Bisphosphonaten dominieren Magen-Darm-Störungen. Unter der hohen Dosis zur PAGET-
Therapie leiden auffällig viele Patienten an Durchfall (20%).2 Zwei (3%) entwickeln eine Kolitis, die bei einem zum Therapieabbruch
führt.3,9 Häufig wird auch über Bauch- und Kopfschmerzen sowie Arthralgie geklagt. Risedronat kann Hautausschlag und
grippeähnliches Syndrom auslösen.1,2 Schwere einschließlich tödliche unerwünschte Ereignisse sind in den Verumgruppen der
beiden Osteoporosestudien häufiger als unter Plazebo (29% vs. 27%5; 37% vs. 34%6). Zu diesen Ereignissen zählen offenbar auch
Überdosierungen.6 In Knochenbiopsien von 43 Osteoporose- und 14 PAGET-Patienten ergibt sich kein Hinweis auf
Mineralisationsdefekte.5,8,10
KOSTEN: Als Osteoporosemittel ist Risedronat (ACTONEL, täglich 5 mg) mit monatlich 92 DM 10% preiswerter als Alendronat (FOSAMAX,
monatlich 101 DM für täglich 10 mg) und 4% bis 7% günstiger als Raloxifen (EVISTA, monatlich 95 bis 98 DM für täglich 60 mg).
Risedronat verteuert die Behandlung des Morbus PAGET mit 1.362 DM pro Behandlungszyklus (zwei Monate lang täglich 30 mg) gegenüber der
Therapie mit Etidronat (drei Monate lang täglich 5 mg pro Kilogramm Körpergewicht) um 15% (DIDRONEL; 1.180 DM) beziehungsweise um 100%
(ETIDRONAT JENAPHARM, 670 DM). Im Vergleich zu Tiludronat (SKELID; 2.345 DM für täglich 400 mg über drei Monate) lassen sich 40%
einsparen.
FAZIT: Das Bisphosphonat Risedronat (ACTONEL) bringt bei der derzeitigen Datenlage keinen erkennbaren Zugewinn für die Therapie der
Osteoporose oder des Morbus PAGET. Die Nutzendokumentation lässt bei beiden Indikationen zu wünschen übrig. Bei Frauen mit manifester
Osteoporose scheint das Risiko für neue klinisch stumme Wirbelbrüche zu sinken. Der Nutzen von Alendronat (FOSAMAX) ist aber besser belegt. Ob
Risedronat besser vertragen wird, lässt sich nicht einschätzen. Die Komplikationsträchtigkeit von Alendronat (Speiseröhrenulzera) hat sich auch
erst in der Postmarketingphase gezeigt. Bei Morbus PAGET wirkt Risedronat wahrscheinlich stärker als Etidronat (DIDRONEL u.a.). Ein klinischer Vorteil ist
jedoch nicht hinreichend belegt, im Vergleich mit anderen Bisphosphonaten gar nicht geprüft
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