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Kurz und bündig

Wiederbelebt - 224Radiumchlorid gegen Morbus BECHTEREW: Zwischen 1948 und 1985 diente radioaktives Radiumchlorid (224Ra, "Thorium X") zur Behandlung der Spondylitis ankylosans (Morbus BECHTEREW). In den Knochen eingelagert soll es Knochenzellfunktionen hemmen und entzündungshemmend wirken. Auf der Basis einer fiktiven Zulassung wird das Radiopharmakon (Hersteller: Altmann Therapie) jetzt wieder direkt an nuklearmedizinische Einrichtungen vertrieben. Eine Neuzulassung scheint bevorzustehen. Der Alphastrahler mit Halbwertszeit von 88 Stunden soll bei schwerem BECHTEREW-Verlauf nach erfolgloser entzündungshemmender Therapie zehnmal in wöchentlichen Abständen in einer Dosis von 1 MBq intravenös injiziert werden (Wiederholung frühestens nach zehn Jahren). Die Risiken der im Einkauf 8.000 DM teuren Injektionsserie erscheinen uns indes besser dokumentiert als die Effektivität. Die Studien aus den 50er bis 80er Jahren lassen wesentliche Fragen zu tatsächlichem Nutzen und der Wirkungsdauer unbeantwortet. Neuere Belege zur Wirksamkeit erhalten wir vom Anbieter nicht. Von 900 Patienten, die in den 50er Jahren zu etwa einem Drittel als Kinder und Jugendliche meist hochdosiert mit 224Ra (zum Teil auch gegen Tuberkulose) behandelt wurden, entwickelten nach aktueller Auswertung 55 (6%) maligne Knochentumoren, mit einem Gipfel etwa acht Jahre nach Exposition. Weniger als ein Tumor wäre zu erwarten gewesen. Mammakarzinome (auch bei Männern), Leukämie, Blasen- und Nierenkrebs u.a. kommen ebenfalls deutlich häufiger vor (NEKOLLA, E.A. et al.: Radiation Research 1999; 152: S3-S7 und 2000; 153: 93-103). Bei der Nachbeobachtung von knapp 1.600 Patienten mit ankylosierender Spondylitis, die zwischen 1948 und 1975 einen Behandlungszyklus mit zehn Injektionen zu je 1 MBq erhielten, finden sich im Vergleich zu rund 1.500 Kontrollpersonen 13 Patienten mit Leukämie, vor allem myeloische Leukämie (n = 8, Kontrollgruppe 3) sowie 4 (Kontrolle: 1) mit Knochentumoren (WICK, R.R. et al.: Radiation Research 1999; 152: 1108-11). Spondylitis ankylosans beginnt oft bei relativ jungen Menschen (drittes Lebensjahrzehnt). Es bleibt unfassbar, dass eine Bundesoberbehörde die Zulassung einer Behandlung, die häufig bösartige Tumoren induziert, überhaupt ernsthaft erwägen kann, -Red.

© 2000 arznei-telegramm

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