Unter Protest der Opposition hatte CSU-Bundesgesundheitsminister SEEHOFER 1995 die Positivliste gekippt. Nach der Wahl 1998 setzte die SPD die
Wiederaufnahme der Arbeit an der Positivliste durch. Die dafür berufene Kommission kann die denkbar enge Terminvorgabe 2001 für die Abgabe des
Entwurfs anscheinend halten - wenn das Bundesgesundheitsministerium den Konflikt mit der Pharmaindustrie durchstehen wollte.
Doch die Politik des BMG ist nicht nur verbraucherfeindlich (a-t 2000; 31: 74), sondern auch blind für destruktive
Tendenzen der Pharmaindustrie, die John LE CARRÉ so treffend in seinem Thriller darstellt ("The Constant Gardener"). Mit dieser Industrie
versucht die Leitungsebene des Ministeriums zu kungeln: Keine Klage der Pharmaindustrie gegen die neuen Festbetragsregelungen, dafür Verschiebung der
Positivliste auf 2003 bzw. - nach der Wahl - auf den Sankt-Nimmerleinstag. Doch weil die Pharmabranche die besseren Verhandler hat, wird noch ein Bakschisch
von 400 Millionen DM für die arme Industrie draufgelegt: Die Einsparsumme durch die Festbeträge von einer Milliarde DM wird auf 600 Millionen DM
gesenkt. 400 Millionen DM gehen jetzt zu Lasten der Kassen, also der Versicherten.
Jubel - und Gelächter - über die Verabredungen sind bei der Industrie entsprechend groß.1 Die typisch deutschen umstrittenen Produkte
bleiben - wie schon bei der 10. AMG-Novelle - ungeschoren im Markt. Hierfür müssen die Versicherten der Krankenkassen jährlich rund 3 Milliarden
DM aufwenden und für generikafähige Produkte sowie für nutzlose Analogpräparate weitere 5 Mrd. DM.2 Da sollte sich die Ministerin
ein Beispiel an den Niederlanden nehmen, wo die Verordnungsfähigkeit nutzloser Mittel gestrichen wurde.
Die Belastungen der Kassen durch das "Verhandlungsgeschick" der BMG-Leitung werden zu Defiziten führen, vor allem im Wahljahr 2002. Probleme
werden dann nicht mehr angegangen und gelöst. Nach der Wahl muss gehandelt werden, und das ermöglicht die Privatisierung der solidaren
Krankenversicherung: Teure Kranke werden auf sich selbst gestellt sein. Sie stören mit ihren Therapie-Erfordernissen die Profitmaximierung im lukrativen Markt
der Wellness.
Gibt es hierzulande noch eine Chance für eine patientenorientierte soziale Gesundheitspolitik?
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