... Wie ist der aktuelle Stellenwert der Fluorid (FLUORETTEN u.a.)-Prophylaxe? Wie lange sollte sie durchgeführt werden? ... Was ist
gesichert?
Dr. med. W. SCHICKENTANZ (Arzt für Allgemeinmedizin)
D-59457 Werl
Mit zunehmenden Bemühungen um Zahnhygiene sowie weiter Verbreitung fluoridhaltiger Präparate in Form von Tabletten, Zahnpasta,
Mundspülungen und fluoridiertem Speisesalz ist Karies in den letzten Jahrzehnten deutlich seltener geworden. Andererseits nimmt die Häufigkeit von
Zahnschmelzfluorosen zu. Die fleckig weißliche Verfärbung der Zähne wird auf erhöhte Fluoridzufuhr während der Entwicklung des
Zahnschmelzes zurückgeführt. In vielen Ländern wurde daher in den vergangenen Jahren die empfohlene Dosierung fluoridhaltiger Tabletten
gesenkt und von einer Einnahme in den ersten sechs Lebensmonaten abgeraten. Studien, die den Effekt dieser Maßnahmen prüfen, stehen aus.
In Deutschland besteht Uneinigkeit zwischen Zahnärzten und Kinderärzten, ab wann und in welcher Form mit Fluoriden vorgebeugt werden soll. Die
Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) empfiehlt - wie andere europäische und z.B. kanadische
Zahnärztevereinigungen - vorrangig fluoridhaltige Zahnpasta in altersgerechter Dosierung sowie fluoridiertes Speisesalz. Ab Durchbruch der ersten
Milchzähne sollen Eltern diese zunächst einmal täglich, mit Beginn des dritten Lebensjahres zweimal mit einer höchstens erbsgroßen
Menge Kinderzahnpasta putzen. Fluoridhaltige Tabletten sollen Kindern mit erhöhtem Kariesrisiko (schlechte Mundhygiene, Behinderungen, Medikamente u.a.)
vorbehalten bleiben.1
Kinderärzte halten dagegen am Gebrauch von Fluoridtabletten ab der zweiten Lebenswoche zumindest bis zum dritten Geburtstag fest (a-t 1999; Nr. 6: 62). Sie begründen dies vor allem mit der "gut akzeptierten kombinierten Rachitis-Karies-
Prophylaxe". Auf Zahnpasta soll bis zum Alter von drei Jahren gänzlich verzichtet werden, da Kinder sie nicht zuverlässig ausspucken können.
Bei über Dreijährigen stehen - wie bei den Empfehlungen der Zahnärzte - fluoridhaltige Zahnpasta und fluoridiertes Speisesalz im
Vordergrund.2
Direkte Vergleiche zwischen beiden Prophylaxestrategien fehlen. Ebenso wenig gibt es Studien, die einen systemischen Effekt von Fluoridtabletten oder fluoridiertem
Trinkwasser vor dem Zahndurchbruch belegen.3 Nach heutiger Kenntnis wirken Fluoride überwiegend lokal, indem sie die Demineralisation des
Zahnschmelzes hemmen, seine Remineralisation fördern und die Enzymaktivität von Plaquebakterien senken. Systemische Effekte scheinen allenfalls
eine untergeordnete Rolle zu spielen. Wird Fluorid in Form von Tabletten eingenommen, sind diese daher zu lutschen oder im Mund zergehen zu lassen,4 -
Red.
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