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Johanniskraut (JARSIN u.a.) - Nutzen weiterhin strittig: Die bisher veröffentlichten Studien zu Johanniskraut kommen überwiegend zu dem Ergebnis, dass die Extrakte bei Depression wirksam sein sollen. Eine schlüssige Bewertung lassen die Daten jedoch wegen der Heterogenität der Studienteilnehmer und der verwendeten Präparate, der kurzen Beobachtungszeiten sowie anderer Studienmängel nicht zu (a-t 2000; 31: 15). Autoren einer neueren Metaanalyse vermuten außerdem, dass Studien mit negativen Ergebnissen nicht veröffentlicht wurden (Publication-bias; WILLIAMS, J.W. et al.: Ann. Intern. Med. 2000; 132: 743-56; ati d). Jetzt erscheint eine Negativstudie. 200 Patienten mit mittelgradiger Major Depression (nach DSM IV*, entspricht der schweren depressiven Episode nach ICD 10) nehmen an der achtwöchigen Untersuchung teil. Ein nicht unerheblicher Teil scheint chronisch krank zu sein. Die durchschnittliche Dauer der aktuellen depressiven Episode wird mit mehr als zwei Jahren angegeben. Die Patienten erhalten nach randomisierter Zuteilung entweder täglich 900 mg bis 1.200 mg Johanniskraut (JARSIN) oder Plazebo. Als primärer Endpunkt wird ein Rechenmodell gewählt, das Veränderungen der Punktwerte auf der HAMILTON-Depressions-Skala über die Zeit erfasst. Ein signifikanter Unterschied zwischen Verum- und Plazebogruppe ergibt sich nicht (SHELTON, R.C. et al.: JAMA 2001; 285: 1978-86). Stärken der Studie im Vergleich zu bisherigen sind die in Geruch und Geschmack dem Johanniskraut angepassten Plazebo-Tabletten, die geschulten Untersucher sowie ein strukturiertes klinisches Interview für die Diagnose vor Aufnahme in die Studie. Mängel schränken jedoch die Aussagekraft auch dieser Studie ein: Dem Ergebnis des primären Endpunktes liegt eine aufwändige Rechenoperation zu Grunde. Es lässt sich für die Leser nicht nachvollziehen. Veränderungen des HAMILTON-Score sind nur grafisch dargestellt. Eine Fallzahlberechnung für den primären Endpunkt und 95%-Vertrauensintervalle fehlen, ebenso Angaben zu den zuvor verwendeten Antidepressiva. Die Studie bestätigt jedoch die bestehenden Zweifel am Nutzen von Johanniskraut. Bei behandlungsbedürftiger Depression raten wir bei der gegenwärtigen Datenlage weiterhin von dem Extrakt ab, -Red.

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