"Zeckenstich-Gewissensbiss" oder "Die Natur ist nicht nur unser Freund"1 - so versucht Chiron Behring ein schlechtes
Gewissen zu erzeugen und den Verkauf der seit Februar 2002 erhältlichen FSME-Impfstoffe ENCEPUR KINDER und ENCEPUR ERWACHSENE zu
fördern. Diese unterscheiden sich vom alten ENCEPUR nur durch den fehlenden Stabilisator Polygelin, der für die erhöhte Allergierate bei Kindern
verantwortlich gewesen sein soll, die 1998 zur Marktrücknahme von ENCEPUR K geführt hat (vgl. a-t 1998; Nr.
5: 51).
Nach Herstellerangaben haben 6.670 Patienten zwischen 1 und 77 Jahren an klinischen Studien teilgenommen. Keine ist bisher vollständig veröffentlicht.
Der neue Impfstoff soll bei vergleichbarer Immunogenität besser verträglich sein als ENCEPUR.2 Laut Beipackzettel ENCEPUR KINDER ist
allerdings mit grippeähnlichen Symptomen und Fieber über 38 Grad Celsius bei 15% der Kinder zwischen einem und zwei Jahren zu rechnen und bei 5%
zwischen drei und zwölf Jahren.3 Lokale Impfreaktionen wie Schmerz und Berührungsempfindlichkeit werden bei 32% der Kinder
beobachtet.4 Für ENCEPUR ERWACHSENE fehlen entsprechende Häufigkeitsangaben.5 Unerwünschte Wirkungen wie
Meningismus, Muskel- und Gelenkbeschwerden oder unspezifische Sehstörungen sowie allergische Reaktionen verbunden mit Atemnot, Blutdruckabfall oder
Schleimhautschwellungen sollen selten vorkommen.3,5
Die Abwägung von Nutzen und Schaden der Impfung von Kindern fällt schwer, weil die relevanten Daten nicht veröffentlicht sind. Da FSME im
Kindesalter hierzulande in der Regel blande verläuft und bei Kindern ohne zusätzliche Risikofaktoren fast immer ohne Folgeschäden
ausheilt,6 erachten wir die Impfindikation für Kleinkinder für Deutschland generell als fraglich (vgl. a-t
2001; 32: 41-3).
In Deutschland ist die Grundimmunisierung mit drei Impfungen ENCEPUR ERWACHSENE 7 € teurer als mit dem alten ENCEPUR (103 € vs. 96
€). Mit 97€kostet die Immunisierung von Kindern etwa soviel wie die Erwachsener, obwohl nur mit der halben Dosis (0,25 ml) geimpft wird. Auf Grund von
Aktionspreisen (2. Jan. bis 31. Juli 2002) ist FSME-Impfstoff in Österreich über die Hälfte preiswerter als in Deutschland.
Die Beurteilung des neuen Polygelin-freien FSME-Impfstoffes
ENCEPUR KINDER bzw. ENCEPUR ERWACHSENE wird behindert, da noch keine klinische Studie vollständig veröffentlicht ist.
Fieber von über 38 Grad Celsius bei 15% der geimpften Kinder von ein
bis zwei Jahren und lokale Impfreaktionen bei jedem dritten Kind lassen Zweifel an der vom Hersteller behaupteten guten Verträglichkeit aufkommen.
Da hierzulande FSME im Kindesalter im Vergleich zu Erwachsenen leichter
verläuft und neurologische Folgeschäden eine Rarität sind, schätzen wir die Impfung von Kindern zurückhaltend ein.
|