Das Malariamittel Mefloquin (LARIAM) wird immer häufiger mit ZNS-toxischen Effekten in Verbindung gebracht (a-t 1996; Nr. 3: 31, 1997; Nr. 11: 117), darunter auch Psychosen,
Aggressionshandlungen und Suizide (a-t 2000; 31: 23). Treten unter der Einnahme psychiatrische Symptome wie
akute Angst, Depression, Ruhelosigkeit oder Verwirrtheit auf, ist Mefloquin sofort abzusetzen und die Malariaprophylaxe umzustellen, sonst besteht Gefahr
schwerwiegender Folgereaktionen. Darauf weist Roche jetzt in der US-amerikanischen Produktinformation hin.1 Die unerwünschten Folgen
können allerdings wegen der langen Halbwertszeit von drei bis vier Wochen noch Monate nach Absetzen anhalten. Patienten mit Depression in der
Vorgeschichte, generalisierter Angsterkrankung, Psychose, Schizophrenie oder anderen relevanten psychiatrischen Erkrankungen sowie Epilepsie dürfen
Mefloquin nicht zur Prophylaxe einnehmen.1 Auch bei aktueller Alkoholanamnese erscheint Zurückhaltung ratsam.2
Die Verschärfung der Warnhinweise in der US-amerikanischen Produktinformation fällt mit Berichten dortiger Medien über das suizidfördernde
Potenzial von Mefloquin zusammen. Die US Army prüft derzeit, ob mehrere Morde und Suizide von Soldaten mit der wegen des Afghanistan-Einsatzes erfolgten
Malariaprophylaxe mit Mefloquin in Verbindung stehen. Dabei mögen Interessenkonflikte bedeutsam werden: Mefloquin ist eine Entwicklung der US Army und
wird von Roche in Lizenz vertrieben. Dennoch soll die Roche AG die Armee nicht darüber informiert haben, dass sie im Mai einen Rechtsstreit wegen eines
Suizides in Verbindung mit Mefloquin durch Geldzahlung beigelegt hat - wie in solchen Fällen verbreitet (a-t 1997; Nr.
9: 93-4) - vertraulich und ohne Schuldanerkenntnis.3
In der deutschen Fachinformation von LARIAM4 finden sich unzureichende Angaben ("Warnhinweise: keine"). Zwar werden "seltene
Fälle von Suizidalität" und pauschal die Gegenanzeige "bei Personen mit psychischen Störungen ... in der Anamnese" erwähnt.
Es fehlen jedoch konkrete Hinweise auf die potenziellen Folgen der Anwendung bei diesen Personen. Weil auch Interaktionen nur unkonkret benannt werden,
gehen Reisende unaufgeklärt gefährliche Risiken ein, die längst detailliert beschrieben sind, z.B. Blutungen bei Komedikation mit Warfarin5
oder Hypoglykämie bei Kombination mit Antidiabetika.6 Am Tag vor und nach der Einnahme von Mefloquin soll Alkohol gemieden werden.7
Auch hierauf fehlt ein Hinweis in der Produktinformation, obwohl ein Roche-Manager schon 1999 mit dieser Warnung zitiert wird.8
Während Roche/USA Ärzte per Anschreiben auf die neuen Warnungen hinweisen will,9 sieht Roche/Deutschland noch nicht einmal eine
Überarbeitung der Gebrauchsinformation vor10 und verstößt damit gegen die Verpflichtung zur eigenverantwortlichen Anpassung der
Produktinformationen an den Kenntnisstand. Auch die Dosisfrage bleibt für das überwiegend an Soldaten erprobte Mittel ungeklärt: Unter der
üblichen wöchentlichen Einnahme von 250 mg zur Prophylaxe sind bei Frauen Spitzenspiegel beschrieben, die zum Teil höher liegen als die nach
therapeutischer Dosis von 1.250 mg. Dies mag erklären, warum Frauen die Prophylaxe mit Mefloquin besonders schlecht vertragen.11 Abgestufte
Dosierung nach Erreichen des Steady state dürfte die Verträglichkeit bei Frauen verbessern.
Mefloquin wird derzeit für Gebiete mit hohem Malaria-Risiko wie das tropische Afrika empfohlen. Abhängig von Exposition und Resistenzsituation kommen
alternativ Chloroquin (RESOCHIN u.a.) plus Proguanil (PALUDRINE; die Kombination ist weniger zuverlässig als Mefloquin), Doxycyclin (DOXYCYCLIN AL u.a.;
hierzulande nicht zur Malariaprophylaxe zugelassen, cave Fototoxizität: ggf. Lichtschutz) oder Atovaquon plus Proguanil (MALARONE, extrem teuer, noch
relativ geringe Erprobung) in Betracht (a-t 2001; 32: 65-8, 70-
1).
Das Dilemma: Neuropsychiatrische Effekte fallen auch "vor Ort" (z.B. in Kenia) durch "zunehmende Häufigkeit" auf.5 Wegen der
geringen Ausweichmöglichkeiten kann auf das ZNS-toxische Mefloquin jedoch nicht generell verzichtet werden. Gibt es Hinweise auf aktuelle oder
frühere psychische Erkrankungen, ist Mefloquin aber strikt zu meiden. Vor der Verordnung muss eine gezielte Anamnese erhoben werden. Neuropsychiatrische
Störwirkungen kommen allerdings auch ohne identifizierbare Risikofaktoren vor.6 Da über 75% der neuropsychiatrischen Störwirkungen bis
zur Einnahme der dritten Dosis auftreten, wird empfohlen, mit der Einnahme bereits zweieinhalb Wochen vor der Reise zu beginnen, damit die Prophylaxe - wenn
ZNS-Effekte auftreten - noch vor Reisebeginn umgestellt werden kann.12
Wer Mefloquin prophylaktisch einnimmt, muss detailliert über die potenziellen Folgen informiert sein und dafür sorgen, dass auch im Ausland medizinisches
Personal auf die Einnahme hingewiesen wird (am besten englischsprachigen Hinweis auf Einnahme von Mefloquin zum Personaldokument legen), damit Depression,
Psychose und Suizidalität auf Fernreisen als arzneimittelbedingt erkannt werden können.
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