Fördert Wachstumshormon die Krebsentstehung? In einer britischen Kohortenstudie mit 1.848 Patienten, die zwischen 1959 und 1985 mit
dem damals gebräuchlichen, aus menschlichen Leichenhypophysen gewonnenen Wachstumshormon behandelt wurden, wird untersucht, wie viele an Krebs
erkrankt und verstorben sind. Jeweils zwei der früher behandelten Personen haben Kolorektalkarzinome entwickelt (zu erwartende Anzahl bei gleich
großer Gruppe aus altersentsprechender Normalbevölkerung 0,25) oder sind an Dickdarmkrebs bzw. HODGKIN-Lymphomen verstorben (zu erwarten
0,19% bzw. 0,18%). Die Sterblichkeit an Krebs insgesamt ist mit 10 verstorbenen Personen auf das Dreifache erhöht. Die Unterschiede sind statistisch
signifikant. Für die gesamte Krebsmortalität gilt dies allerdings nicht, wenn diejenigen Patienten aus der Berechnung ausgeschlossen werden, die von
vornherein ein erhöhtes Krebsrisiko haben. Ein Zusammenhang der Anwendung mit Kolorektalkarzinomen ist plausibel: Wachstumshormon erhöht die
Serumkonzentration des Insulin-ähnlichen Wachstumsfaktors 1 (IGF-I), der Zellen zur Teilung anregt. Diesem mitogenen Effekt scheint eine Bedeutung bei der
Entstehung von Dickdarmkrebs zuzukommen. Auch leiden Akromegaliepatienten (mit krankhaft gesteigerter Somatotropin-Produktion) gehäuft an Neoplasien
des Kolons. Offen bleibt, inwieweit die Ergebnisse auf die heute gebräuchlichen synthetischen Hormone übertragbar sind, die niedriger, dafür aber
häufiger dosiert werden (SWERDLOW, A.J. et al.: Lancet 2002; 360: 273-7). Leiter von Studien, die mit Unterstützung des Somatotropin-Herstellers
Pharmacia durchgeführt werden, versuchen Zweifel an Aussagen dieser Untersuchung zu wecken. Ihre Behauptung, dass in keiner Studie bei Akromegalie-
Patienten ein erhöhtes Krebsrisiko"im Vergleich zu einem altersvergleichbaren Kollektiv" nachgewiesen worden sei (RANKE, M.B., KANN, P.:
"Stellungnahme zur Publikation A.J. SWERDLOW..."; undatiert), erachten wir als Desinformation. Bedenklich erscheint der langfristige unphysiologische
Gebrauch von Wachstumshormon z.B. als "Anti-Aging"-Mittel (GIOVANNUCCI, E., POLLAK, M.: Lancet 2002; 360: 268-9; vgl. a-t 2002; 33: 66).
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