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Korrespondenz

BAKTERIENLYSATE ZUR IMMUNSTIMULATION

Gibt es aussagefähige Informationen zur Sinnhaftigkeit der Anwendung von LUIVAC?

E. SEELMEYER (Apotheker)
D-31787 Hameln
Interessenkonflikt:Keiner


LUIVAC ist eines von fü;nf Bakterienlysaten oder -extrakten (BRONCHO-VAXOM, BRONCHO-MUNAL, IRS 19, RIBOMUNYL), die zur Immunstimulation bei rezidivierenden Atemwegsinfektionen angeboten werden. Trotz unterschiedlicher Herstellungsverfahren ist unseres Erachtens von ä;hnlichen Effekten auszugehen.

Zu LUIVAC finden wir drei randomisierte, plazebokontrollierte klinische Studien mit insgesamt 1.007 Patienten, darunter 433 Kinder zwischen vier und elf Jahren.1-3 Die Studienteilnehmer nehmen vier Wochen lang tä;glich morgens eine Tablette LUIVAC oder Plazebo, gefolgt von einer vierwö;chigen Einnahmepause und einem1,2 oder zwei3 weiteren vierwöchigen Therapiezyklen.

Primäre Endpunkte sind in allen Studien aufwändig berechnete "Schweregradscores", die sich aus einer Kombination verschiedener Parameter wie Dauer der Infektion, Schweregrad der Erkrankung u.a. zusammensetzen. Aus diesen lässt sich keine nachvollziehbare klinische Relevanz zu Gunsten von LUIVAC ableiten. In der einzigen Studie, in der Patienten die Wirksamkeit beurteilen sollen, findet sich kein Unterschied zwischen Verum und Plazebo.3 In zwei Studien soll LUIVAC die Anzahl der Infekte (sekundärer Endpunkt) wirksamer reduzieren als Plazebo,1,2 in der dritten3 ergibt sich kein Unterschied. Da die Anzahl der Infekte in einer Studie nur grafisch,2 in der anderen widersprüchlich1 dargestellt wird, ist der tatsächliche Effekt nicht nachvollziehbar. Bei einer Studiendauer von 14 und 16 Wochen1,2 ist eine längerfristige Wirkung ohnehin nicht abzuschätzen. Antibiotika waren als Komedikation bei Bedarf zugelassen, lassen sich durch LUIVAC aber offenbar nicht einsparen. Auch fehlen in zwei Studien Angaben zur statistischen Signifikanz,1,2 in der dritten sind Art, Dauer und Häufigkeit der antibiotischen Behandlung in beiden Studienarmen ähnlich.3

Die dürftigen Daten bestärken prinzipielle Vorbehalte: Eine immunogene Wirkung im behaupteten Sinn erscheint fraglich, da die in den verschiedenen Bakterienprodukten enthaltenen Keimbestandteile (z.B. Staphylokokken, Streptokokken, Klebsiellen) von jedem Menschen regelmäßig über Nahrung und Speichel aufgenommen werden.

In der Fachinformation von LUIVAC werden als Störwirkungen lediglich leichte Magen-Darm-Störungen und Hautreaktionen genannt.4 Dem gegenüber liegen dem Paul-EHRLICH-Institut 22 Verdachtsberichte über schwerwiegende Störwirkungen unter o.g. Bakterienlysaten vor, davon 4 zu LUIVAC (Epiglottitis, Fieber, Makrohämaturie, Hämatemesis u.a.).5 Der französischen Arzneimittelbehörde sind von 1998 bis 2001 315 Berichte zu unerwünschten Wirkungen unter Bakterienlysaten (RIBOMUNYL u.a.; LUIVAC ist in Frankreich nicht im Handel) gemeldet worden. Jede dritte betrifft Nebenwirkungen an der Haut wie Urtikaria und Ekzem, aber auch Angioödem. 14% betreffen den Magen-Darm-Trakt einschließlich Durchfall, Erbrechen und Hepatitis. In 7 (37%) von 19 Meldungen zum hämatologischen System sind Thrombopenien beschrieben.6

FAZIT: Veröffentlichte Studien liefern keinen Wirksamkeitsbeleg für das Bakterienlysat LUIVAC. Schwerwiegende Störwirkungen, die dem Paul- EHRLICH-Institut berichtet wurden, wie Epiglottitis, Makrohämaturie, Hämatemesis u.a., werden in der Produktinformation nicht genannt. Wir erachten die Nutzen-Schaden-Bilanz als negativ und raten von der Anwendung ab.

© 2003 arznei-telegramm

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