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Korrespondenz

DISEASE MONGERING BEI ONYCHOMYKOSEN

Seit kurzem können Ärzte und Apotheker von der Gesellschaft für Dermopharmazie e.V. kostenlos einen Ratgeber zum Thema Onychomykose für die Weitergabe an Patienten beziehen.1 Nach Ansicht der (nicht namentlich genannten) Autoren sind Pilzinfektionen der Finger- und Fußnägel "generell mehr als nur ein kosmetisches Problem." Werde der Nagel nicht behandelt, drohten "...völlige Zerstörung des Nagels", ... "Schmerzen und Gehbeschwerden". Die innerliche Behandlung habe gegenüber der topischen Behandlung einige Vorteile, so die diskrete, einfache und bequeme Anwendung. Mögliche unerwünschte Wirkungen werden nicht angeführt, sondern nur lapidar mit der Aussage verharmlost: "Zudem sind einige Präparate in ihrer Verträglichkeit(auch im Original fett) gut dokumentiert". Diese Marketing-Offensive über den Umweg eines unverdächtigen Vereins wird wie üblich durch Interviews mit Experten2 flankiert.

In einer kürzlich erschienenen systematischen Übersicht,3 in der randomisierte Studien zur Wirksamkeit oraler Antimykotika ausgewertet wurden, kommen die Autoren zu dem Schluss, dass die kontinuierliche Behandlung mit 250 mg Terbinafin (LAMISIL) täglich über drei Monate hinweg noch die effektivste Behandlungsmethode für Mykosen der Zehennägel ist. Von den 32 randomisierten Studien liefern aber gerade einmal drei ausreichend präzise Daten für die Beurteilung der Heilungsrate, die bei maximal 73% liegt. Die Nachbeobachtungszeit beträgt maximal 48 Wochen, eine kurze Zeitspanne im Hinblick auf das langsame Wachstum der Zehennägel. Auch in einer Vergleichsstudie von Terbinafin mit Itraconazol (SEMPERA),4 bei der maximal 72 Wochen lang nachbeobachtet wurde (sinnvoll wären 2 bis 3 Jahre), lag die "Heilungsrate" bei 81%. Ein weiteres wichtiges Ergebnis der Übersicht: Fundierte, Hersteller-unabhängige Studien existieren nicht.

Im Hinblick auf diese ernüchternden Daten verwundern die Marketing-Anstrengungen nicht mehr. Offenbar scheren sich die Broschüren-Macher auch nicht um die Leitlinien der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft und der Deutschen Mykologischen Gesellschaft, in denen zur oralen Antimykotika-Therapie der Nagelmykosen ausgeführt wird: "... sodass die Raten vollständiger Heilung, auch mit den modernen Antimykotika als Monotherapie angewendet, enttäuschend gering sind." 5

Ob und wann eine Mykose wirklich behandlungsbedürftig ist, lässt sich wegen mangelnder aussagekräftiger Studien derzeit nicht beantworten. Ob eine "psychische" Beeinträchtigung durch die Infektion, wie in a-t 1999; Nr. 3: 31 angegeben (unkomplizierte Zehennagel-Mykosen halte ich, im Gegensatz zu einer Fingernagelmykose, eher für eine kosmetische Beeinträchtigung als für eine Erkrankung), tatsächlich eine hinreichende Behandlungsindikation sein kann, ist Ansichtssache. Mangels geeigneter Studien sind auch die in der Broschüre dargestellten Komplikationen und Folgekrankheiten einer Onychomykose nicht zu belegen. Komplizierend kommt dazu, dass die Zehennagel- Mykose eine Erkrankung älterer oft multimorbider Menschen ist, weshalb bei der Indikationsstellung die zahlreichen, gelegentlich auch schwerwiegenden unerwünschten Wirkungen berücksichtigt werden müssen.6

Spötter haben die Ankündigung "Achtung! Bissiger Hund" so interpretiert "Never mind the dog, beware of the owner". Bei unkomplizierter Onychomykose wäre ich versucht, den meisten Betroffenen zu sagen: "Never mind your toenail mycosis - beware of systemic antimycotics"!

© 2003 arznei-telegramm

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