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Korrespondenz

OMACOR NACH HERZINFARKT?

Die Firma Solvay bewirbt OMACOR mit Omega-3-Fettsäuren aus Fischöl auch im Krankenhaus nach Herzinfarkt zur Reduktion der Mortalität mit dem Stempel "Evidence based medicine GISSI-P Outcome-Studie" und "einziges zugelassenes Omega-3-Präparat post MI". In der ambulanten Verordnung sei Erstattungsfähigkeit grundsätzlich gegeben. Ist es wirklich sinnvoll, die gesetzlichen Krankenkassen mit der beworbenen additiven Gabe zu belasten? Sollten Krankenhäuser so etwas listen?

U. QUACK (Zentralapotheke Lukaskrankenhaus Neuss)
D-41464 Neuss
Interessenkonflikt: keiner

OMACOR enthält ein Konzentrat der mehrfach ungesättigten Omega-3-Fettsäuren Eikosapentaensäure (46% EPA) und Dokosahexaensäure (38% DHA) aus Fischöl (zusammen 840 mg pro 1.000-mg-Kapsel). In bisher angebotenen Fischölpräparaten (EICOSAN u.a.) beträgt der Anteil von EPA 14% bis 18%, von DHA 10% bis 12%.

Aufgrund von Beobachtungsstudien wird dem Verzehr von fettreichem Fisch ein günstiger Einfluss auf das Mortalitätsrisiko bei koronarer Herzkrankheit zugeschrieben. Als Wirkmechanismen werden Triglyzerid-senkende, antihypertensive, thrombozytenaggregationshemmende und antiarrhythmische Effekte der im Fischöl enthaltenen Omega-3-Fettsäuren diskutiert.1

In einer randomisierten kontrollierten Studie senkt eine Diät mit zwei Fischmahlzeiten pro Woche die Sterblichkeit von Herzinfarktpatienten innerhalb von zwei Jahren von 12,8% auf 9,3% (Number Needed to Treat [NNT]Jahr = 58).2

Die firmenfinanzierte GISSI-P*-Studie ist mit 11.324 Patienten die größte randomisierte kontrollierte Studie zum Nutzen von Omega-3-Fettsäuren aus Fischöl in der Sekundärprävention des Herzinfarktes.3 In der vierarmigen offenen Studie werden täglich 850 mg bis 882 mg EPA plus DHA (OMACOR)**, 300 mg Vitamin E (EUSOVIT u.a.) sowie die Kombination der beiden Mittel mit Standardtherapie allein verglichen. Über 25% der Teilnehmer brechen die Einnahme vorzeitig ab. Vitamin E bleibt ohne Nutzen (vgl. a-t 2002; 33: 83-4). Das Fischölpräparat senkt den primären Endpunkt - eine Kombination aus Tod, nicht tödlichem Herzinfarkt und Schlaganfall - beim Vergleich aller Fischölanwender mit allen anderen innerhalb von 3,5 Jahren von 13,9% auf 12,6% (relatives Risiko [RR] = 0,90, 95% Vertrauensintervall [CI] 0,82 bis 0,99; NNTJahr = 270). Der Nutzen beruht ausschließlich auf der verminderten Sterblichkeit. Sie wird insgesamt von 9,6% auf 8,3% gesenkt (RR = 0,86, 95% CI 0,76 bis 0,97; NNTJahr = 270).


Verzerrungen durch das offene Studiendesign sind nicht auszuschließen. Soweit dokumentiert, unterscheidet sich die Begleittherapie aber nur geringfügig (um höchstens 1% bis 2%), allerdings fast ausschließlich zu Gunsten der Verumgruppen. Die Nachbeobachtung ist nur im Hinblick auf die Gesamtsterblichkeit vollständig. Für die anderen Endpunkte fehlen Daten zum Follow-up. Eine Statintherapie nach Herzinfarkt war bei Studienbeginn im Oktober 1993 noch nicht etabliert, bei Abschluss nimmt immer noch weniger als die Hälfte der Patienten einen Lipidsenker ein. Ob die Therapie mit Omega-3- Fettsäuren bei breiterer Anwendung von Statinen einen relevanten zusätzlichen Nutzen hat, bleibt somit zu klären.

Von zwei weiteren sehr kleinen randomisierten Studien mit höheren EPA- plus DHA-Dosierungen kommt eine zu negativem Ergebnis. Nach einer wissenschaftlichen Stellungnahme der Amerikanischen Herzgesellschaft muss die Rolle von Supplementen mit Omega-3-Fettsäuren in der Sekundärprävention des Herzinfarktes durch weitere Studien gesichert werden. Die Autoren des Statements empfehlen Herzinfarktpatienten, täglich etwa 1 g Omega-3-Fettsäuren zu verzehren, vorzugsweise aber durch häufige Fischmahlzeiten.1

Häufigste unerwünschte Wirkungen sind Magen-Darm-Störungen wie Reflux oder Aufstoßen, verbunden mit Fischgeruch oder - geschmack.5 In GISSI-P sind 5% der Patienten davon betroffen.3 Übelkeit kommt häufig vor (GISSI-P: 1%),3 ferner Erbrechen, Blähungen, Durchfall oder Verstopfung.5 Bei einer Tagesdosis von 1 g, wie für Herzinfarktpatienten zugelassen, gelten Omega-3-Fettsäuren als sicher. Bei Einnahme von mehr als 3 g pro Tag ist ein erhöhtes Blutungsrisiko zu befürchten.1

Für 100 Kapseln OMACOR sind 84 Euro aufzuwenden. Die Therapie kostet pro Patient und Jahr 307 Euro.

 OMACOR, ein Konzentrat von Omega-3-Fettsäuren aus Fischöl, senkt nach einer großen randomisierten offenen Studie aus der Mitte der 90er Jahre die Sterblichkeit nach Herzinfarkt von 9,6% auf 8,3% (NNTJahr = 270).

 Das Ergebnis deckt sich mit dem einer früheren Studie, nach der zwei Fischmahlzeiten pro Woche das Überleben nach Herzinfarkt verlängern.

 Der Nutzen von OMACOR bedarf der Bestätigung unter doppelblinden Bedingungen und unter Begleittherapie mit Statinen, wie sie heute etabliert ist. Bis dahin scheinen uns die Kosten von gut 300 Euro pro Patient und Jahr nicht gerechtfertigt: Nicht listen!


© 2003 arznei-telegramm

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