Der Nutzen von Cholinesterasehemmern wie Donepezil (ARICEPT) bei Morbus ALZHEIMER ist gering und muss zudem gegen häufige
unerwünschte Wirkungen abgewogen werden (a-t 1997; Nr. 11: 113; 2000; 31: 4 und 13; 2001; 32: 30-1). Zum Wirksamkeitsnachweis werden
Scores herangezogen, deren klinische Aussagekraft unklar ist. Ein positiver Einfluss auf den Krankheitsverlauf ist nicht belegt. Nach einer Metaanalyse
randomisierter Studien müssen zwölf Patienten behandelt werden, um bei einem zumindest eine minimale Score-Verbesserung zu erzielen, während
gleichzeitig einer eine Störwirkung erleidet. Die "Number needed to harm" für eine unerwünschte Wirkung, die zum Studienabbruch
führt, ist mit 16 nur wenig größer.1,2 Auch der Effekt, der unter dem NMDA-Rezeptorantagonisten Memantin (AXURA) beobachtet
wird, ist allenfalls gering. In der Zulassungsstudie wird nur einer der beiden primären Zielparameter, der für schwere Erkrankungsformen modifizierte
ADCS-ADL*, der Alltagsaktivitäten misst (0-54 Punkte, höhere Punktzahl entspricht besserer Funktion), mit -3,1 vs. -5,2 Punkten statistisch signifikant
beeinflusst. Bei der Beurteilung durch Ärzte und Pflegekräfte (CIBIC-Plus*) ergibt sich kein Unterschied (vgl. a-t
2002; 33: 91).3
In einer sechsmonatigen Studie wird Memantin jetzt als Zusatz zu Donepezil geprüft. 404 Patienten mit mäßig ausgeprägter bis
schwerer ALZHEIMER-Erkrankung, die seit mindestens sechs Monaten mit Donepezil behandelt werden, nehmen nach randomisierter Zuteilung und
einschleichender Aufdosierung täglich 20 mg Memantin oder Plazebo ein. Patienten, die nach spätestens acht Wochen die Zieldosis nicht vertragen,
scheiden vorzeitig aus. Primäre Zielparameter sind zwei Messskalen, mit denen Veränderungen der kognitiven Leistungen (SIB*, 0-100 Punkte) und der
Alltagsaktivitäten (modifizierter ADCS-ADL) gemessen werden. Zu den sekundären Zielkriterien gehört die Beurteilung des klinischen Zustands durch
Ärzte und Pflegekräfte (CIBIC-Plus).4
Studienabbrüche kommen unter Donepezil allein mit 25% versus 15% häufiger vor. Die Testergebnisse sowohl der primären als auch der
sekundären Zielkriterien begünstigen zusätzliches Memantin. Die Unterschiede sind jedoch sehr klein: der mittlere Score für kognitive
Leistungen nimmt unter Memantin um 0,9 Punkte zu, während er unter Plazebo um 2,5 Punkte fällt. Der Punktwert für Alltagsaktivitäten sinkt in
beiden Gruppen, unter Plazebo allerdings etwas stärker (-2,0 versus -3,4). Die Kurven der durchschnittlichen Punktwerte in den beiden Gruppen verlaufen nur
in den ersten acht bis zwölf Wochen geringfügig auseinander, anschließend aber parallel im Sinne einer abnehmenden Leistungsfähigkeit. Nach
der klinischen Beurteilung der Ärzte und Pflegekräfte haben sich in dem halben Jahr des Studienzeitraums 45% unter Plazebo nicht verschlechtert im
Vergleich zu 55% unter Memantin. Von zusätzlichem Memantin profitieren demnach kurzfristig 10% der Anwender (NNT = 10).4
Unerwünschte Wirkungen werden unter Donepezil plus Plazebo bei 72%, unter zusätzlichem Memantin bei 78% der Patienten beobachtet.
Auffällig häufig sind im Verumarm Verwirrtheit (7,9% versus 2%), Kopfschmerzen (6,4% versus 2,5%) und Harninkontinenz (5,4% versus 3%). Dagegen
kommt unter Donepezil allein Stuhlinkontinenz mit 5% versus 2% häufiger vor.4 Dies könnte mit der obstipierenden Wirkung von Memantin
zusammenhängen, die die darmmotilitätsfördernden Effekte von Donepezil antagonisiert. Unter Donepezil allein klagen 8,5% der Patienten über
Durchfall, unter zusätzlichem Memantin 4,5%.4
Unseres Erachtens reichen die geringen Effekte, deren klinische Relevanz fraglich ist, nicht aus, um eine Kombination von Memantin (AXURA) und Donepezil
(ARICEPT) bei Morbus ALZHEIMER zu empfehlen. Langzeitnutzen und -sicherheit sind zudem ungeprüft.
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