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Therapiekritik

ABCIXIMAB (REOPRO) BEI KORONARINTERVENTIONEN ÜBERFLÜSSIG?

Glykoprotein IIb/IIIa-Blocker werden bei elektiven perkutanen Koronarinterventionen kontrovers beurteilt und nicht allgemein empfohlen.1,2 Gezielt untersucht sind sie für diese Indikation nur in zwei randomisierten Studien. Abciximab (REOPRO) reduziert bei elektiven Angioplastien mit Stent den Kombinationsendpunkt Todesfälle oder Infarkte nach sechs Monaten von 11,5% auf 5,6%,3 Eptifibatid (INTEGRILIN) von 11,5% auf 7,5%.4 Die Mortalität wird nicht signifikant gesenkt. In beiden Studien waren Clopidogrel (ISCOVER, PLAVIX) oder Ticlopidin (TIKLYD u.a.) in geringer Dosis direkt vor dem Eingriff erlaubt, aber nicht vorgeschrieben. Auf Grund jüngerer Studien5,6 hat eine Vorbehandlung mit Clopidogrel in praxi aber bereits weite Verbreitung gefunden (vgl. Seite 25).

Die ISAR-REACT*-Studiengruppe berichtet jetzt über einen randomisierten Vergleich von Abciximab mit Plazebo bei 2.159 Patienten, die mindestens zwei Stunden vor einem elektiven Koronareingriff mit einer "loading-dose" von 600 mg Clopidogrel (plus 325 mg bis 500 mg Azetylsalizylsäure [ASS; ASPIRIN u.a.]) vorbehandelt werden.7 Patienten mit akutem Koronarsyndrom, frischem Infarkt, eingeschränkter kardialer Funktion, anderen kardialen Risikofaktoren oder erhöhter Blutungsgefahr sind ausgeschlossen. Bei 21% ist ein Typ-2-Diabetes und bei 33% ein früherer Infarkt bekannt. 75% leiden an einer Mehrgefäßerkrankung, 91% erhalten einen Stent. Abciximab wird nach etabliertem Schema gegeben (0,25 mg/kg Körpergewicht [KG] als Bolus, dann 0,125 mg/ kg KG pro Minute für zwölf Stunden als Infusion). Nach dem Eingriff werden täglich 75 mg Clopidogrel mindestens vier Wochen lang und 100 mg bis 325 mg ASS auf Dauer weiter eingenommen. Primärer Endpunkt ist eine Kombination aus Mortalität, Infarkt oder dringlicher Revaskularisation des Zielgefäßes innerhalb von 30 Tagen.

Ein Einfluss auf den primären Endpunkt lässt sich für Abciximab nicht nachweisen. Unter Plazebo und dem Glykoprotein-Blocker tritt er in jeweils 4% ein (relatives Risiko 1,05). Wegen der geringen Ereignisrate ist das 95% Vertrauensintervall jedoch weit (0,69-1,59): Eine Abnahme des Risikos um 31% wie eine Zunahme um 59% sind möglich. Vorteile sind auch bei den Einzelkomponenten des Endpunktes und in Subgruppenanalysen nicht zu sichern. Schwere Thrombopenien (1% vs. 0%) und Transfusionsbedarf (Erythrozyten- und Thrombozytenkonzentrate: 2% vs. 1%) kommen dagegen unter Abciximab häufiger vor.

Zumindest bei Vorbehandlung mit Clopidogrel (ISCOVER, PLAVIX) in hoher "loading-dose" wird der Nutzen von Abciximab (REOPRO) bei elektiven Koronareingriffen weiterhin und erheblich in Frage gestellt. Deshalb lässt sich allein schon aus Kostengründen ein Einsatz nicht mehr rechtfertigen.

Ob Glykoprotein-Blocker auch bei Indikationen mit hohem Risiko wie akuten Koronarsyndromen verzichtbar sind, wenn mit Clopidogrel vorbehandelt wird, bleibt zu klären.8


© 2004 arznei-telegramm

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