ROFECOXIB-"ABSTURZ": WIE SICHER SIND DIE ANDEREN COXIBE? | ||||||
* Vorversion am 15. Okt. 2004 als blitz-a-t veröffenlicht. | ||||||
Nach der Marktrücknahme des Cox-2-Hemmers Rofecoxib (VIOXX) wegen Herz- und Kreislaufschäden stellt sich die Frage, ob bei den
übrigen Cox-2-Hemmern ebenfalls ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko besteht und welche Antirheumatika bzw. Schmerzmittel empfehlenswert
sind.
Nach der publizierten Fall-Kontroll-Studie, die auf US-amerikanischen Versicherungsdaten beruht, geht die Einnahme von Rofecoxib, nicht aber die von Celecoxib bei mindestens 65-jährigen Patienten mit erhöhtem Herzinfarktrisiko einher.4 Entscheidende Schwäche der Arbeit ist, dass einige der wichtigsten Risikofaktoren bzw. -Marker des Herzinfarkts - Raucherstatus, Gebrauch von Azetylsalizylsäure (ASPIRIN; ASS u.a.), sozioökonomischer Status und Body mass index - nicht bekannt sind und somit bei der Risikobeurteilung nicht berücksichtigt werden können. Als Beleg für die kardiovaskuläre Sicherheit von Celecoxib eignet sich diese Arbeit nicht. In der größten randomisierten kontrollierten Langzeitstudie mit Celecoxib, der CLASS***-Studie, sieht ein Berater der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA dagegen Hinweise auf eine prothrombotische Wirkung von Celecoxib. Bei Patienten ohne gleichzeitige ASS-Einnahme ist die Rate von Herzinfarkten unter dem Cox-2-Hemmer höher als bei Einnahme von Diclofenac (VOLTAREN u.a.) oder Ibuprofen (BRUFEN u.a.; 0,2% versus 0,1%).7,8
Nach der von Pfizer im Rahmen der Werbeaussendung verbreiteten Metaanalyse soll sich in Phase-II- und -III-Studien unter täglich 10 mg bis 20 mg Valdecoxib bei Patienten mit Arthrose oder rheumatoider Arthritis kein Herz-Kreislauf-schädigendes Potenzial des Cox-2-Hemmers im Vergleich zu Standard-NSAR oder Plazebo erkennen lassen.6 Metaanalysen sind anfällig für Verzerrungen. Eine Arbeit wie die vorgelegte, die vom Hersteller bezahlt wird und in enger Kooperation mit ihm entsteht, ist von zweifelhaftem Aussagewert. Keine der eingeschlossenen Studien dauert länger als 6 Monate. In der APPROVe****-Studie ist das erhöhte Risiko unter Rofecoxib jedoch erst nach 18 Monaten deutlich geworden (a-t 2004; 35: 116; s. Seite 130: Sept. 2004). Frühere Metaanalysen von Studien aus dem Rofecoxib- Entwicklungsprogramm, die unter Beteiligung12 bzw. alleiniger Autorenschaft13 des Herstellers MSD entstanden, ließen - abgesehen von einer Differenz zu Naproxen (PROXEN u.a.) - ebenfalls kein erhöhtes kardiovaskuläres Sicherheitsrisiko im Vergleich mit anderen NSAR oder Plazebo erkennen. Diese Befunde sind inzwischen durch die APPROVe-Studie widerlegt.
Ein klinisch relevanter Vorteil hinsichtlich gastrointestinaler Toxizität ist andererseits für keinen der erhältlichen Cox-2-Hemmer gesichert. Celecoxib ist nach den vollständigen Daten der CLASS-Studie nicht Magen-Darm-verträglicher als die konventionellen Vergleichs-NSAR (a-t 2001; 32: 87-8). Zu den anderen verfügbaren Cox-2-Hemmern sind randomisierte Studien mit klinisch wichtigen Endpunkten gar nicht veröffentlicht. Aufgrund ihres Wirkmechanismus besteht der Verdacht, dass die Zunahme kardiovaskulärer Komplikationen unter Cox-2-Hemmern Ausdruck eines Gruppeneffektes ist. Mit den von den Herstellern MSD bzw. Pfizer vorgebrachten Daten lässt sich die kardiovaskuläre Sicherheit von Etoricoxib (ARCOXIA), Celecoxib (CELEBREX), Valdecoxib (BEXTRA) oder Parecoxib (DYNASTAT) nicht belegen. In Studien sind - auch laut US-amerikanischer und europäischer Arzneimittelbehörde - Signale für eine schlechtere kardiovaskuläre Verträglichkeit von Celecoxib, Valdecoxib/Parecoxib und Etoricoxib gegenüber herkömmlichen nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) bzw. Plazebo erkennbar. Für keinen der auf dem Markt verbliebenen Cox-2-Hemmer gibt es ausreichende Belege für eine bessere gastrointestinale Verträglichkeit. Wir raten aufgrund der Sicherheitsbedenken und fehlender Vorteile von Cox-2- Hemmern ab und empfehlen die Verwendung etablierter NSAR wie Ibuprofen (BRUFEN u.a.) oder Diclofenac (VOLTAREN u.a.), so kurz und so niedrig dosiert wie möglich. Bei Arthroseschmerzen soll vorrangig Parazetamol (BENURON u.a.) versucht werden. Parazetamol plus Kodein (in TALVOSILEN FORTE u.a.) beziehungsweise andere Opioidanalgetika kommen aber auch bei Patienten mit rheumatoider Arthritis als Alternative zu NSAR in Betracht. | ||||||
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