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Neu auf dem Markt

SOLIFENACIN (VESIKUR) UND DARIFENACIN (EMSELEX) BEI DRANGINKONTINENZ

Die Dranginkontinenz ist gekennzeichnet durch Harnverlust bei imperativem Harndrang, verursacht durch nicht steuerbare Aktionen des Blasenmuskels (Detrusor). Sie kann sekundär auftreten, z.B. bei Infektionen und Blasentumoren, lässt meist jedoch keine Ursache erkennen ("idiopathisch"). Beckenbodengymnastik und verhaltenstherapeutische Maßnahmen gelten bei idiopathischer Dranginkontinenz als Therapien der Wahl. Bei unzureichendem Effekt kommen Anticholinergika wie Oxybutynin (DRIDASE u.a.) infrage. Ihr Nutzen wird allerdings als fraglich relevant eingeschätzt (vgl. a-t 1999; Nr. 6: 60-2).1 Mit Solifenacin (VESIKUR) und (Darifenacin (EMSELEX) kommen jetzt zwei weitere Anticholinergika auf den Markt, die aufgrund angeblich höherer Blasenselektivität2 Vorteile gegenüber älteren Mitteln besitzen sollen.

EIGENSCHAFTEN: Solifenacin und Darifenacin sind Muskarin-Rezeptor-Antagonisten. Wie andere Anticholinergika entspannen sie die Muskulatur der Blase und verringern die Zahl unkontrollierter Kontraktionen des Detrusors. Für beide Anticholinergika wird eine relative Selektivität für den vorwiegend in der Blase vorkommenden und für die Detrusorkontraktionen verantwortlichen Rezeptor-Subtyp M3 und damit eine verringerte Rate von Störwirkungen in Anspruch genommen.2

Die Metabolisierung erfolgt durch das Cytochrom-P-450-Isoenzym (CYP) 3A4, bei Darifenacin zusätzlich durch CYP 2D6. Starke Hemmstoffe von CYP 3A4 wie Ketoconazol (NIZORAL) erhöhen die Wirkstoffkonzentration deutlich und dürfen bei Solifenacin nur mit Vorsicht, bei Darifenacin gar nicht verwendet werden. Darifenacin soll zudem nur mit Vorsicht mit Imipramin (TOFRANIL u.a.) und Flecainid (TAMBOCOR u.a.) und anderen Arzneimitteln mit geringer therapeutischer Breite, die über CYP 2D6 metabolisiert werden, kombiniert werden. Bei Anwendung starker CYP-2D6-Hemmstoffe ist mit niedriger Dosierung (7,5 mg Darifenacin) zu behandeln.3,4

WIRKSAMKEIT: Für beide Mittel ist nur ein Teil der zulassungsrelevanten dreimonatigen Studien veröffentlicht und somit bewertbar. Nach gepoolten (nicht überprüfbaren) Daten des Herstellers aus vier kontrollierten Studien3 sinkt unter täglich 5 mg oder 10 mg Solifenacin die Zahl der täglichen Inkontinenzereignisse von anfangs 2,6 bis 2,9 Episoden pro Tag um 1,5 bis 1,8 Ereignisse, unter Plazebo um 1,1.

Ähnlich marginale Vorteile gegenüber ausgeprägten Plazeboeffekten hat eine Behandlung mit Darifenacin: Inkontinenzereignisse (Ausgangswert 2,3 bis 2,4 pro Tag) verringern sich unter täglich 7,5 mg oder 15 mg Darifenacin um 1,3 bis 1,5 Episoden, unter Plazebo um 1,1.5

Verumvergleiche wurden mit beiden Mitteln gegen Tolterodin (DETRUSITOL) durchgeführt, ohne dass für die empfohlenen Dosierungen eine Überlegenheit nachgewiesen ist.4,5 Vergleiche mit Oxybutynin liegen nicht vor. Die europäische Zulassungsbehörde stellt im Bewertungsbericht zu Darifenacin die klinische Relevanz der geringen Effekte in Frage. Da sie jedoch im Bereich anderer kürzlich zugelassener Anticholinergika von ebenfalls fraglicher Wirksamkeit liegen, erfolgt eine "positive" Bewertung.4

UNERWÜNSCHTE WIRKUNGEN: Atropin-artige Störwirkungen dominieren. Mit Mundtrockenheit ist unter Solifenacin bei 14% bis 21% zu rechnen, unter Tolterodin bei 19% der Patienten. Verstopfung (Solifenacin: 7,2% bis 7,8%; Tolterodin: 2,6%) und Sehstörungen (3,6% bis 5,6% versus 1,5%) kommen unter Solifenacin häufiger vor.6 Für Darifenacin wird Mundtrockenheit sogar bei 20% bis 35% der Anwender und Verstopfung bei 15% bis 21% angegeben.4 Für Vorteile aufgrund angeblich höherer Blasenmuskelselektivität finden sich somit keine Belege.

THERAPIEKOSTEN: Die Behandlung mit täglich 5 mg oder 10 mg Solifenacin (VESIKUR) bzw. 7,5 mg oder 15 mg Darifenacin (EMSELEX) verdoppelt mit 50 € bis 58 € die monatlichen Therapiekosten gegenüber Oxybutynin (DRIDASE u.a.; 25 € bis 26 € bei 3 x tgl. 5 mg).

 Die neuen Anticholinergika Solifenacin (VESIKUR) und Darifenacin (EMSELEX) verringern in Kurzzeitstudien Dranginkontinenz kaum besser als Plazebo.

 Die typischen Atropin-artigen Störwirkungen treten häufig auf. Vorteile durch die angeblich bessere Blasenspezifität sind nicht belegt.

 Wir sehen keinen Stellenwert für die teuren Schein-Innovationen. Soll ein Anticholinergikum verwendet werden, ist Oxybutynin (DRIDASE u.a.) vorzuziehen.

 

 

(R = randomisierte Studie, M = Metaanalyse)

M

1

HERBISON, P. et al.: BMJ 2003; 26: 841-4

 

2

Scrip 2004, No 2928: 22

 

3

Yamanouchi: Fachinformation VESIKUR, Stand August 2004

 

4

Europäischer Bewertungsbericht (EPAR) EMSELEX: http://www.emea.eu.int/humandocs/HUMANS/EPAR/emselex/emselex.htm

 

5

HAAB, F. et al.: Eur. Urol. 2004; 45: 420-9

 

6

CHAPPLE, C.R. et al.: BJU Int. 2004; 93: 303-10

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Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

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