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Therapiekritik

HELFEN DONEPEZIL UND VITAMIN E BEI LEICHTEN KOGNITIVEN EINSCHRÄNKUNGEN?

Mit Mild Cognitive Impairment (MCI) bezeichnet man einen geringen Verlust kognitiver Leistungen. Eine amnestische Verlaufsform mit Ausfall ausschließlich von Gedächtnisleistungen wird von solchen mit variablen Defiziten (z.B. der Sprache) unterschieden. Der Begriff soll den Zustand zwischen normaler Altersentwicklung und beginnenden demenziellen Prozessen abdecken. Jährlich sollen 10% bis 15% der Betroffenen mit amnestischer MCI eine ALZHEIMER-Demenz entwickeln.1 Die Gruppe der Betroffenen ist jedoch äußerst heterogen, ein Teil leidet bereits an frühen Symptomen demenzieller Erkrankungen, andere verschlechtern sich im Verlauf nicht.2 Allgemein gültige diagnostische Kriterien fehlen. Die Relevanz des Befundes "MCI" ist insgesamt unklar.

In einer dreijährigen Interventionsstudie wird jetzt bei 769 Patienten mit amnestischer Form von MCI (definiert als Minderleistung in einem Erinnerungstest ohne Vorliegen einer Demenz) der Effekt von täglich 2.000 I.E. Vitamin E (EUSOVIT u.a.), 10 mg Donepezil (ARICEPT) und Plazebo überprüft.1 Primärer Endpunkt ist die mögliche oder wahrscheinliche Entwicklung einer ALZHEIMER-Demenz. Dieser Endpunkt klingt plausibel, allerdings ist er auch unter strenger Berücksichtigung der DSM-IV-Kriterien* nur unzuverlässig zu erfassen (Sensitivität: 65%, Spezifität: 75%).3

*

DSM-IV = Diagnostisches und Statistisches Manual psychischer Störungen

Vitamin E hat keinen Einfluss auf das Risiko einer ALZHEIMER-Diagnose (relatives Risiko [RR] 1,02; 95% Konfidenzintervall [CI] 0,74-1,41). Auch für Donepezil ergibt sich nach drei Jahren kein Vorteil (RR 0,8; 95% CI 0,57-1,13). Erst in zusätzlichen Analysen wird ein statistisch signifikanter Vorteil nach sechs und zwölf Monaten errechnet: Innerhalb eines Jahres wird bei 38 von 259 (14,7%) Patienten in der Plazebogruppe ALZHEIMER-Demenz festgestellt, unter Donepezil bei 16 von 253 (6,3%). Durchfall (16,7%), Übelkeit (8,4%), Erbrechen (6%), Muskelkrämpfe (16,3%) und Schlaflosigkeit (10,8%) treten unter Donepezil deutlich häufiger auf als unter Plazebo und sind Gründe für die höhere Abbruchrate unter Donepezil (36%) im Vergleich zu Plazebo (25,5%). Die hohe Abbruchrate wird in der statistischen Nutzenberechnung ungenügend berücksichtigt, wodurch die Validität der Studie eingeschränkt ist. In der Donepezil-Gruppe sterben sieben Patienten (2,7%), unter Plazebo fünf (1,9%).1 Zur Erinnerung: Zwei Studien mit dem Cholinesteraseinhibitor Galantamin (REMINYL) bei Patienten mit MCI verlaufen negativ und lassen eine erhöhte Sterblichkeit gegenüber Plazebo erkennen (vgl. a-t 2005; 36: 24).

 Die aktuelle Studie reicht nicht als Nutzenbeleg für Donepezil (ARICEPT) bei dem unscharf beschriebenen und diagnostisch kaum fassbaren "Krankheitsbild" leichte kognitive Einschränkung aus. Antidementiva sind für diese Indikation zudem nicht zugelassen.

 

 

(R = randomisierte Studie)

R

1

PETERSEN, R.C. et al.: N. Engl. J. Med. 2005; 352, published online 13. Apr. 2005

 

2

BLACKER, D.: N. Engl. J. Med. 2005; 352, published online 13. Apr. 2005

 

3

CUMMINGS, J.L.: N. Engl. J. Med. 2004; 351: 56- 67

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