OMALIZUMAB (XOLAIR) BEI ALLERGISCHEM ASTHMA | ||
Seit November 2005 ist Omalizumab (XOLAIR) als Zusatztherapeutikum
für Erwachsene und Jugendliche ab 12 Jahren mit schwerem persistierenden allergischen Asthma auf dem Markt. Der subkutan anzuwendende monoklonale
Anti-IgE-Antikörper soll die Asthmakontrolle bei Personen mit nachgewiesener Allergie gegen ein ganzjährig auftretendes Aeroallergen verbessern, die trotz
täglicher Inhalation hochdosierter Kortikosteroide und eines langwirkenden Betamimetikums unter häufigen Beschwerden sowie mehrfach dokumentierten
schweren Asthmaexazerbationen leiden.1 EIGENSCHAFTEN: Wenn ein Allergen mit IgE, das an Mastzellen und basophile Granulozyten gebunden ist, reagiert, werden
Entzündungsmediatoren wie Histamin und Leukotriene ausgeschüttet, die zu Entzündung und Bronchokonstriktion führen. Der monoklonale
Maus/ Mensch-Antikörper Omalizumab bindet freies IgE, das dann für die Auslösung der allergischen Kaskade nicht mehr zur Verfügung
steht.1 Unter der Anwendung sinken die Blutspiegel von freiem IgE um mehr als 96%, während das Gesamt-IgE auf das Fünffache steigt und bis
zu einem Jahr nach Absetzen erhöht bleibt.7 WIRKSAMKEIT: Die wichtigste zulassungsrelevante Studie (INNOVATE*)8 schließt 419 Asthmatiker zwischen 12 und 75 Jahren ein, die
trotz täglicher Inhalation von mehr als 1.000 µg Beclometasondipropionat (BDP; SANASTHMAX u.a.; mittlere Dosis etwa 2.300 µg/Tag) oder -
äquivalent sowie eines langwirkenden Betamimetikums nicht beschwerdefrei sind und zudem innerhalb der letzten zwölf Monate entweder mindestens
zweimal wegen einer Exazerbation akut systemische Kortikosteroide erhalten haben oder einmal in einer Notfallambulanz oder stationär behandelt werden
mussten. Zwei Drittel der Patienten nehmen regelmäßig weitere Asthmamittel ein, neben Leukotrien-Antagonisten wie Montelukast (SINGULAIR) und/oder
Theophyllin (AFONILUM u.a.) sind bis zu 20 mg Prednisolon (DECORTIN H u.a.) pro Tag erlaubt. Ausgeschlossen sind Personen mit einer
Einsekundenkapazität (FEV1) unter 40%, Exazerbation innerhalb von vier Wochen vor Randomisierung sowie (ehemalige) Raucher.8
Als weiterer Nutzenbeleg dient eine 12-monatige offene randomisierte Studie,9 in der 206 der insgesamt 312 Teilnehmer mit mäßigem bis schwerem unzureichend kontrollierten Asthma Omalizumab zusätzlich zu einer Behandlung gemäß den Leitlinien der National Institutes of Health (USA)10 erhalten. Alle inhalieren täglich Kortikosteroide in mittlerer bis hoher Dosierung (mediane Dosis entsprechend 2.000 µg BDP), 78% wenden zusätzlich langwirkende Betamimetika an, 23% (Omalizumabgruppe) bzw. 18% (Kontrollgruppe) regelmäßig systemische Kortikosteroide. Als primärer Endpunkt werden Ereignisse ausgewertet, die auf eine Verschlechterung des Asthmas hinweisen sollen, neben Asthma-bedingten ambulanten oder stationären Behandlungen und einer mindestens zweitägigen Anwendung systemischer Kortikosteroide oder Antibiotika auch Fernbleiben von Arbeit oder Schule über mindestens zwei Tage oder eine nach Einschätzung des Patienten deutlich reduzierte Leistung.9 Die Wahl solcher zum Teil sehr interpretationsanfälliger Ereignisse3 birgt ebenso wie das Fehlen konkreter Angaben zur Randomisierung gerade bei einem offenen Design eine erhebliche Gefahr von Verzerrungen (Bias). In der XOLAIR-Fachinformation wird - vermutlich wegen ähnlicher Bedenken - nur der sekundäre Endpunkt "klinisch relevante Asthma-Exazerbationen" referiert: Unter Omalizumab beträgt die mittlere Zahl solcher Exazerbationen, die die Behandlung mit systemischen Steroiden erfordern, 1,12 pro Patient und Jahr gegenüber 2,86 in der Kontrollgruppe (Risikoreduktion 61%; 95% Vertrauensbereich 47% bis 71%).1,9 In einer weiteren plazebokontrollierten Studie wird primär geprüft, um wie viel Prozent die Dosis des inhalierten Kortikosteroids Fluticason (ATEMUR, FLUTIDE) reduziert werden kann.11 Da die Verringerung der Dosis entgegen den Empfehlungen mehrerer Leitlinien nicht in zwei- bis dreimonatigen Schritten erfolgt, sondern alle zwei Wochen, sind die gewonnen Daten ohne Aussagekraft. In dieser wie in zwei weiteren plazebokontrollierten Studien12,13 wurden zudem Patienten außerhalb des in Europa zugelassenen Anwendungsbereichs eingeschlossen. Mittlere Dosis des inhalierten Kortikosteroids und Anzahl der Patienten, die zusätzlich langwirkende Betamimetika oder andere systemische Antiasthmatika anwenden, lassen auf eine weniger schwere Asthmaerkrankung schließen. Die Zahl der Asthmaexazerbationen wird in den beiden letztgenannten Studien unter Omalizumab statistisch signifikant gesenkt. Ein Einfluss auf die Dosis per os eingenommener Steroide (prädefinierte Subgruppe in einer Studie11) lässt sich nicht belegen.3 Für unter 18-Jährige und über 65-Jährige liegen insgesamt nur wenige Daten vor.3 VERTRÄGLICHKEIT: Unter Omalizumab werden mehr maligne Neubildungen beobachtet als in den Kontrollgruppen (0,5% vs. 0,2%), vor allem solide Tumoren. Werden nicht-melanotische Hauttumoren von der Analyse ausgeschlossen, weisen Raten von 5,1 gegenüber 1,3 Krebserkrankungen pro 1.000 Patientenjahre auf eine mögliche Vervierfachung maligner Tumoren hin (Rate Ratio 3,8; 95% CI 0,9-34,3). Im US-amerikanischen Sicherheitsreview wird eine Erhöhung der Krebsrate unter Omalizumab als "naheliegend, aber nicht definitiv gesichert" bezeichnet.14 Eine Mitarbeiterin des National Cancer Institute erklärt die Daten für unzureichend, um belegen oder ausschließen zu können, dass der monoklonale Antikörper einen Krebs-protektiven Effekt von IgE hemmt, hält dies aber für "biologisch plausibel".15 Wie alle humanisierten Antikörper kann Omalizumab schwere Überempfindlichkeitsreaktionen auslösen. In klinischen Studien werden lebensbedrohliche anaphylaktische Reaktionen beobachtet.3,14 Auch Hautausschläge aller Schweregrade sind unter Omalizumab häufiger als in den Kontrollgruppen (6,5% vs. 4,9%).14 Nach Markteinführung in Australien und den USA werden Angio- und Larynxödeme berichtet.3 Unter der Anwendung ist häufig mit Kopfschmerzen und Reaktionen an der Injektionsstelle zu rechnen. Thrombozytopenien sind beschrieben, sollen aber nicht mit klinischen Symptomen einhergegangen sein.1 Häufiger als in den Kontrollgruppen werden Nasenbluten, Menorrhagien und Hämatome (2,8% vs. 1,7%) sowie gastrointestinale Beschwerden wie Übelkeit, Erbrechen und Durchfall beobachtet (21,4% vs. 18,8%).14 KOSTEN: Die zusätzliche Anwendung von Omalizumab (XOLAIR; 75 mg bis 750 mg in vier Wochen) verteuert die Asthmatherapie um bis zu 2.906 € pro Monat (Österreich 3.777 €), da lediglich die 150-mg-Zubereitung im Handel ist und bei einem Teil der Patienten daher die Hälfte einer Injektionsflasche verworfen werden muss.
Der monoklonale Antikörper Omalizumab (XOLAIR) soll die Asthmakontrolle bei Patienten mit schwerem persistierenden allergischen Asthma verbessern, die
trotz täglicher Inhalation hochdosierter Kortikosteroide und langwirkender Betamimetika unter Asthmabeschwerden und mehrfach dokumentierten schweren
Exazerbationen leiden. |
| (R = randomisierte Studie)
| |
1 | Novartis: Fachinformation XOLAIR, Stand Sept. 2005 | |
2 | Pharm. Ztg. 2001; 146: 2626 | |
3 | EMEA: Europ. Beurteilungsbericht (EPAR) XOLAIR, 28. Nov. 2005; zu finden unter: http://www.emea.eu.int/htms/human/epar/a- zepar.htm | |
4 | Scrip 2001; Nr. 2628: 22 | |
5 | WAHN, U., PFEIFER, M., zit. nach Ärtze Ztg. vom 31. Okt. 2005 | |
6 | Scrip 2005; Nr. 3077: 22 | |
7 | Genentech: US-amerikanische Produktinformation XOLAIR, Stand 2003 | |
R | 8 | HUMBERT, M. et al.: Allergy 2005; 60: 309-16 |
R | 9 | AYRES, J.G. et al.: Allergy 2004; 59: 701-8 |
10 | National Institutes of Health (NIH), National Heart, Lung and Blood Institute, Expert Panel Report 2: Guidelines for the diagnosis and management of asthma. 1997; NIH Publication No. 97- 4051 | |
R | 11 | HOLGATE, S.T. et al.: Clin. Exp. Allergy 2004; 34: 632-8 |
R |
12 | BUSSE, W. et al.: J. Allergy Clin. Immunol. 2001; 108: 184- 90 |
R |
13 | SOLÈR, M. et al.: Eur. Resp. J. 2001; 18: 254- 61 |
14 | FDA/CDER: Safety Review Omalizumab, Juni 2003: http://www.fda.gov/cder/biologics/products/omalgen062003.htm | |
15 | Scrip 2003; Nr. 2851: 21 |
© 2006 arznei-telegramm |
Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten
Diese Publikation ist urheberrechtlich geschützt. Vervielfältigung sowie Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen ist nur mit Genehmigung des arznei-telegramm® gestattet.